ASFL SVBL Bulletin 2020/4

25.11.2020 Aufrufe

Lehre zum/zur Logistiker/-in EFZ – ein «versteckter» Wandel findet statt Im Jahre 2020 wurden zwei Diplomarbeiten ausgearbeitet, welche sich mit der Entwicklung der Ausbildung zum Logistiker/-in und der Digitalisierung in der Logistik sowie der Logistikausbildung befassen. Beide Arbeiten bestätigen, dass es höchste Zeit ist, mit einem Vorurteil aufzuräumen: Der Beruf Logistiker ist nicht nur ein Beruf für sogenannte «schwache Schüler», sondern der Beruf hat sich zu einer valablen Alternative gewandelt und wird heute auch von vielen Schulabgängern mit einem Sekundar A oder B Abschluss gewählt. Es wäre schön, wenn erstmals auch die «Amtsstuben» und die Verwaltungen in der Schweiz dies realisieren würden. Kilian Bieri hat in seiner Arbeit genau diesen Nachweis erbracht und den Kampf gegen alte Vorurteile wieder aufgenommen. Viele «Experten» aus der Gründerzeit des Lageristen sind heute mit dem Kompetenzprofil des Logistikers fast überfordert, trotzdem wäre zu hoffen, dass auch diese «Experten» der alten Schule anerkennen, dass ein heutiger Logistiker mehr weiss als noch vor 20 oder 30 Jahren. Die Logistik entwickelt sich laufend weiter, wir dürfen auch nicht stehen bleiben! Rezension und Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse von Kilian Bieri bei der Verfassung seiner Diplomarbeit Eine Analyse der Bedürfnisse von Lernenden und Lehrbetrieben bezüglich Inhalte der Grundbildung, Weiterbildung sowie der Berufsmaturität. Lehre zum Logistiker EFZ – Notlösung oder Investition in die Zukunft? Der Logistiker steht in der Hierarchie der Berufe weit unten: Dieser Satz musste ich während meiner Lehrzeit oft anhören. Es kamen auch Sprüche von meinen Kollegen, wie zum Beispiel: «Um einen Gabelstapler zu fahren, musst du eine dreijährige Lehre absolvieren». Zwar konnte ich darüber lachen, jedoch machte ich mir Gedanken über die Aussagen von Personen, welche in die Ausbildung von Logistikern integriert sind. Aussagen wie: «Logistiker lernt man nur, wenn die Noten für andere Berufe nicht reichen» oder «Wer unter Lehrstellen auswählen kann, der lernt sicher nicht Logistiker, sondern macht eine KV- oder Informatiker-Lehre». Als ich mich beim kantonalen Amt über die lehrbegleitende Berufsmaturität erkundigte, musste ich meinen Lehrberuf nennen. Die Antwort war kurz und knapp: «Bei diesem Beruf ist eine Berufsmaturität unüblich». Ich fragte nach, weshalb das so sei. Die Antwort war: «Weil dies ein Beruf für schulisch eher schwache Schüler ist». Nun waren die Äusserungen von gewissen Personen sogar amtlich bestätigt. Die oben genannten Aussagen liessen mich auch nach der Lehrzeit nicht mehr los. Die Logistikbranche boomt bekanntlich seit Jahren. Mit der fortschreitenden Digitalisierung werden neue komplexere Aufgaben hinzukommen, welche bekanntlich höher qualifizierte Mitarbeitende verlangen. Physische Routinetätigkeiten fallen vermehrt weg und werden durch «Kopfarbeit» ersetzt. Mit diesen Herausforderungen muss sich auch die Berufsbildung auseinandersetzen. So entschloss ich mich im Rahmen meiner Diplomarbeit diesen «pseudowissenschaftlichen Spe- Zum Autor Kilian Bieri Dipl. Betriebswirtschafter HF, Logistiker EFZ kulationen» auf den Grund zu gehen. Mittels Umfragen galt es zu eruieren, «wo der Schuh drückt». Es wurden sämtliche Lernende an der Berufsfachschule Emmen sowie die Lehrbetriebe im Kanton Luzern befragt. Es kamen teilweise erstaunliche Ergebnisse raus. So verfügt fast die Hälfte der Lernenden über einen Sekundarschulabschluss Niveau B, 10% der Lernenden haben sogar einen Sekundarschulabschluss Niveau A. Somit zeigt sich, dass das Potenzial für mehr Berufsmaturanden durchaus gegeben wäre. Aktuell absolvieren weit unter 1% der Logistiker/-in EFZ eine Berufsmaturität. Es hat sich auch gezeigt, dass der grösste Teil der Lehrbetriebe gegenüber Berufsmaturanden offen wäre. Jedoch haben sich in den meisten Fällen sowohl die Lehrbetriebe als auch die Lernenden noch zu wenig mit der Thematik auseinandergesetzt. Die Bereitschaft zur Weiterbildung ist bei den Lernenden sehr hoch. Über 80% möchten sich nach der Lehre weiterbilden um anspruchsvollere Aufgaben zu übernehmen. Die Wünsche der Lehrbetriebe und der Lernenden unterscheiden sich stellenweise. So wünschen sich die Lernenden vermehrt Wirtschaftsfächer in der 32

Wertschöpfungs- und Produktionsketten verstanden. Abb. 1: Der Wandel von Industrie 1.0 zu Industrie 4.0 (Quelle: inray Industriesoftware GmbH) Der Wandel von Industrie 1.0 zu Industrie 4.0 (Quelle inray Industriesoftware GmbH), Diplomarbeit Kilian Bieri Seite 4. Berufsfachschule, die Lehrbetriebe hingegen vermehrt Informatik um den Herausforderungen der Digitalisierung gewachsen zu sein. Aus den Umfrageergebnissen galt es nun, mögliche Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Ein passendes BM Profil für Logistiker/-in EFZ würde grundsätzlich existieren. Die BM «Typ Wirtschaft und Dienstleistungen: Typ Dienstleistungen» würde sich hier anbieten. Jedoch gilt es zu bedenken, dass die Aufnahmeprüfung für die Berufsmittelschule sehr anspruchsvoll ist und Mathematik sowie Sprachen Summary der betreuenden Dozentin lrene Wüest Häfliger, lic. phil. Soziologin Kilian Bieri widmete sich in seiner ausgezeichneten Diplomarbeit der beruflichen Grundbildung von Logistikerinnen und Logistikern EFZ. Er analysierte den Status quo hinsichtlich der Bedürfnisse von Lehrbetrieben und Lernenden und erarbeitete daraus Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung und Höherqualifizierung der Berufsbildung. Seine persönliche Betroffenheit weckte das Interesse in der Berufsfachschule nur eingeschränkt unterrichtet werden. Hier müsste die Berufsfachschule die Lernenden mit Vorbereitungskursen gezielt unterstützen. Über die Einführung von Leistungsprofilen analog der kaufmännischen Grundbildung sollte ebenfalls nachgedacht werden. Mit zwei Profilen in der Berufsfachschule könnten starke Schüler gezielt gefördert und eher schwächere Schüler besser unterstützt werden. Eine weitere Möglichkeit, um interessierte und leistungsfähige zur Bearbeitung dieser Thematik. Er analysierte zielorientiert, systematisch und vor allem sehr engagiert die IST-Situation und sammelte mittels Recherchen, Fachliteratur, Experteninterviews und Online-Umfragen wertvolle Informationen. Daraus erarbeitete er wissensbasiert fundierte und praxistaugliche Handlungsempfehlungen. 4 Schüler zu fördern, wären Freikurse. Die Leistungen aus diesen Freikursen könnten an die Weiterbildung nach der Lehre angerechnet werden. Aus der Bedürfnisanalyse und den Handlungsempfehlungen sind mögliche Grundsteine für die Zukunft gelegt. Um die Umsetzbarkeit und «Praxistauglichkeit» zu prüfen, wären Pilotversuche angebracht. Aufgrund der momentanen Situation mit COVID-19 ist grundsätzlich alles noch offen und es können keine weiteren Vorhersagen gemacht werden. Für die Unterstützung während meiner Diplomarbeit möchte ich Dr. Beat M. Duerler besonders danken. Er unterstützte mich mit seinem breiten Wissen aus Bildung und Logistik jederzeit kompetent. Zum Abschluss möchte ich folgendes Zitat weitergeben, welches mich während der ganzen Diplomarbeit beschäftigt hat: «Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen» (Stephen Hawking, britischer Physiker). Bulletin 4-2020 33

Wertschöpfungs- und Produktionsketten verstanden.<br />

Abb. 1: Der Wandel von Industrie 1.0 zu Industrie 4.0 (Quelle: inray Industriesoftware GmbH)<br />

Der Wandel von Industrie 1.0 zu Industrie 4.0 (Quelle inray Industriesoftware GmbH), Diplomarbeit Kilian Bieri Seite 4.<br />

Berufsfachschule, die Lehrbetriebe<br />

hingegen vermehrt Informatik<br />

um den Herausforderungen<br />

der Digitalisierung gewachsen zu<br />

sein. Aus den Umfrageergebnissen<br />

galt es nun, mögliche Handlungsempfehlungen<br />

zu erarbeiten.<br />

Ein passendes BM Profil für<br />

Logistiker/-in EFZ würde grundsätzlich<br />

existieren. Die BM «Typ<br />

Wirtschaft und Dienstleistungen:<br />

Typ Dienstleistungen» würde<br />

sich hier anbieten. Jedoch gilt<br />

es zu bedenken, dass die Aufnahmeprüfung<br />

für die Berufsmittelschule<br />

sehr anspruchsvoll ist<br />

und Mathematik sowie Sprachen<br />

Summary der betreuenden Dozentin<br />

lrene Wüest Häfliger, lic. phil. Soziologin<br />

Kilian Bieri widmete sich in seiner<br />

ausgezeichneten Diplomarbeit<br />

der beruflichen Grundbildung<br />

von Logistikerinnen und<br />

Logistikern EFZ. Er analysierte<br />

den Status quo hinsichtlich der<br />

Bedürfnisse von Lehrbetrieben<br />

und Lernenden und erarbeitete<br />

daraus Handlungsempfehlungen<br />

zur Weiterentwicklung und<br />

Höherqualifizierung der Berufsbildung.<br />

Seine persönliche Betroffenheit<br />

weckte das Interesse<br />

in der Berufsfachschule nur eingeschränkt<br />

unterrichtet werden.<br />

Hier müsste die Berufsfachschule<br />

die Lernenden mit Vorbereitungskursen<br />

gezielt unterstützen. Über<br />

die Einführung von Leistungsprofilen<br />

analog der kaufmännischen<br />

Grundbildung sollte ebenfalls<br />

nachgedacht werden. Mit zwei<br />

Profilen in der Berufsfachschule<br />

könnten starke Schüler gezielt<br />

gefördert und eher schwächere<br />

Schüler besser unterstützt werden.<br />

Eine weitere Möglichkeit, um interessierte<br />

und leistungsfähige<br />

zur Bearbeitung dieser Thematik.<br />

Er analysierte zielorientiert, systematisch<br />

und vor allem sehr<br />

engagiert die IST-Situation und<br />

sammelte mittels Recherchen,<br />

Fachliteratur, Experteninterviews<br />

und Online-Umfragen<br />

wertvolle Informationen. Daraus<br />

erarbeitete er wissensbasiert<br />

fundierte und praxistaugliche<br />

Handlungsempfehlungen.<br />

4<br />

Schüler zu fördern, wären Freikurse.<br />

Die Leistungen aus diesen Freikursen<br />

könnten an die Weiterbildung<br />

nach der Lehre angerechnet<br />

werden. Aus der Bedürfnisanalyse<br />

und den Handlungsempfehlungen<br />

sind mögliche Grundsteine<br />

für die Zukunft gelegt. Um die<br />

Umsetzbarkeit und «Praxistauglichkeit»<br />

zu prüfen, wären Pilotversuche<br />

angebracht. Aufgrund<br />

der momentanen Situation mit<br />

COVID-19 ist grundsätzlich alles<br />

noch offen und es können keine<br />

weiteren Vorhersagen gemacht<br />

werden.<br />

Für die Unterstützung während<br />

meiner Diplomarbeit möchte ich<br />

Dr. Beat M. Duerler besonders<br />

danken. Er unterstützte mich mit<br />

seinem breiten Wissen aus Bildung<br />

und Logistik jederzeit kompetent.<br />

Zum Abschluss möchte ich folgendes<br />

Zitat weitergeben, welches<br />

mich während der ganzen<br />

Diplomarbeit beschäftigt hat:<br />

«Intelligenz ist die Fähigkeit, sich<br />

dem Wandel anzupassen»<br />

(Stephen Hawking, britischer Physiker).<br />

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