RA 12/2020 - Entscheidung des Monats

Aufgrund des Umfangs der den Vermieter treffenden Hauptleistungspflicht aus § 535 I 2 BGB geht der Mangelbegriff der §§ 536, 536a BGB viel weiter als in den Vorschriften zur kaufrechtlichen oder werkvertraglichen Mängelgewährleistung. Immissionen wie Baulärm können unter Umständen einen Mietmangel begründen, auch wenn die Ursache außerhalb der vermieteten Liegenschaft liegt. Aufgrund des Umfangs der den Vermieter treffenden Hauptleistungspflicht aus § 535 I 2 BGB geht der Mangelbegriff der §§ 536, 536a BGB viel weiter als in den Vorschriften zur kaufrechtlichen oder werkvertraglichen Mängelgewährleistung. Immissionen wie Baulärm können unter Umständen einen Mietmangel begründen, auch wenn die Ursache außerhalb der vermieteten Liegenschaft liegt.

626 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>12</strong>/<strong>2020</strong><br />

Problem: Mietminderung bei Baulärm<br />

Einordnung: Mietrecht<br />

KG Berlin, Urteil vom 17.09.<strong>2020</strong><br />

8 U 1006/20<br />

LEITSATZ<br />

Lärm und Erschütterungen von einer<br />

benachbarten Baustelle können im<br />

Hinblick auf den mietvertraglich<br />

vereinbarten Nutzungszweck einen<br />

Mangel der Mietsache begründen,<br />

ohne dass es auf Abwehr- oder<br />

Entschädigungsansprüche <strong>des</strong> Vermieters<br />

gegen den Bauherren nach<br />

§ 906 BGB ankommt (Abgrenzung<br />

zum Urteil <strong>des</strong> BGH vom<br />

29.04.<strong>2020</strong> - BGH Aktenzeichen<br />

VIII ZR 31/18).<br />

20 % Mietminderung ist bei Baulärm<br />

möglich, wenn die Belastungen<br />

erheblich sind und dauerhaft<br />

anhalten.<br />

Anders als im Kauf- und Werkvertragsrecht<br />

ist die Minderung im<br />

Mietrecht kein Gestaltungsrecht.<br />

Aus dem eindeutigen Wortlaut <strong>des</strong><br />

§ 536 I BGB folgt, dass im Falle eines<br />

Mietmangels sich die Mietzahlungspflicht<br />

aus § 535 II BGB kraft Gesetz<br />

insoweit mindert, wie die Tauglichkeit<br />

der Mietsache aufgehoben<br />

oder beeinträchtigt ist. Die Zahlung<br />

erfolgte unter Vorbehalt, um die<br />

Kondiktionssperre <strong>des</strong> § 814 BGB<br />

auszuschließen.<br />

EINLEITUNG<br />

Aufgrund <strong>des</strong> Umfangs der den Vermieter treffenden Hauptleistungspflicht<br />

aus § 535 I 2 BGB geht der Mangelbegriff der §§ 536, 536a BGB viel weiter<br />

als in den Vorschriften zur kaufrechtlichen oder werkvertraglichen Mängelgewährleistung.<br />

Immissionen wie Baulärm können unter Umständen einen<br />

Mietmangel begründen, auch wenn die Ursache außerhalb der vermieteten<br />

Liegenschaft liegt.<br />

SACHVERHALT<br />

Die Kläger (K) haben vom beklagten Teileigentümer (B) Gewerberäume zur<br />

Nutzung als „Thai-Massagesalon“ gemietet. Ab März 2018 ließ die Nachbarin<br />

auf dem Nachbargrundstück das vorhandene Gebäude abreißen und<br />

ein neues Gebäude errichten. Der Baulärm beeinträchtigte den Betrieb <strong>des</strong><br />

Massagesalons nicht unerheblich. Zum Bohren, Hämmern und Klopfen<br />

kamen Erschütterungen hinzu, die zu Rissen im Mauerwerk und erheblicher<br />

Staubbelastung führten. Die Baustelle lag unmittelbar neben dem Fenster<br />

der Gewerbeeinheit, der Bürgersteig war abgesperrt, Passanten wurden<br />

umgeleitet. Lkw, Betonmischer und schweres Baugerät standen nahezu<br />

durchgehend direkt vor dem Salon, der aufgrund <strong>des</strong>sen von der anderen<br />

Straßenseite, von Passanten und Laufkundschaft nicht wahrnehmbar war.<br />

Nach pünktlicher Anzeige durch K bei B räumt dieser die Beeinträchtigungen<br />

ein, woraufhin die K auf die Minderung gem. § 536 BGB hinweisen und die<br />

Miete nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung zahlen. B beseitigt in der<br />

Folgezeit die Beeinträchtigungen nicht, die wochenlang andauern. Nach<br />

Beendigung der Bauarbeiten verlangen die K einen Teil der geleisteten<br />

Mietzahlungen zurück, der einer Minderung von 20 % entspricht. B wendet<br />

ein, keinen Einfluss auf den Fortbestand der bei Mietbeginn bestehenden<br />

Umweltverhältnisse zu haben. Mit Recht trägt er vor, die Bauarbeiten seien<br />

genehmigt gewesen und in zulässiger Weise ausgeführt worden, weshalb<br />

er keine Abwehrmöglichkeit gehabt hätte. Die K meinen, es sei von einer<br />

stillschweigenden Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich der Lärmfreiheit<br />

auszugehen, weil der Vermieter nicht erklärt habe, für Beschaffenheitsmerkmale<br />

nicht haften zu wollen. Zu Recht?<br />

LÖSUNG<br />

A. Anspruch der K gegen B auf Rückzahlung gem. § 8<strong>12</strong> I 1 Alt. 1 BGB<br />

Herausgabe der Mietsache aus § 546 I BGB<br />

Die K könnten gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung <strong>des</strong> Teils der Mietzahlung<br />

haben, der der Mietminderung gem. § 536 BGB entsprechen würde.<br />

I. Etwas erlangt<br />

B hat Eigentum und Besitz am Bargeld und im Falle einer Zahlung durch<br />

Banküberweisung einen Anspruch aus der Gutschrift <strong>des</strong> Betrages auf seinem<br />

Konto aus § 675t BGB erlangt.<br />

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<strong>RA</strong> <strong>12</strong>/<strong>2020</strong><br />

Zivilrecht<br />

627<br />

II. Durch Leistung der K<br />

Dies erlangte B, indem die K mit der Mietzahlung eine Verbindlichkeit erfüllen<br />

wollten, mithin bewusst und zweckgerichtet das Vermögen <strong>des</strong> B mehrten.<br />

Die Bereicherung <strong>des</strong> B erfolgte <strong>des</strong>halb auch durch Leistung der K.<br />

III. Ohne rechtlichen Grund<br />

Die Leistung müsste zumin<strong>des</strong>t teilweise ohne rechtlichen Grund erfolgt<br />

sein. Unter Rechtsgrund versteht man jede materiell-rechtliche Rechtfertigung<br />

zum Behaltendürfen <strong>des</strong> Erlangten. Für die Überzahlung der Miete<br />

würde ein Rechtsgrund fehlen, wenn die Voraussetzungen einer Mietminderung<br />

gem. § 536 I BGB zur Zeit der Zahlung vorgelegen hätten.<br />

1. Mietvertrag<br />

Der zur Minderung gem. § 536 BGB nötige Mietvertrag wurde zwischen den K<br />

und B geschlossen.<br />

2. Überlassung der Mietsache<br />

B hatte den K die Mietsache auch überlassen.<br />

3. Mietmangel<br />

Es müsste ein Mietmangel vorliegen. Ein solcher besteht gem. § 536 I BGB,<br />

wenn die Mietsache einen Mangel aufweist, welcher ihre Tauglichkeit zum<br />

vertragsgemäßen Gebrauch mindert. Hier stehen die Beeinträchtigungen<br />

durch Lärm, Staub, Erschütterungen und die Absperrungen auf dem Gehweg<br />

genauso fest, wie die Sichtbarkeitsbeeinträchtigung durch den LKW-Verkehr.<br />

Fraglich ist aber, ob dies einen Mietmangel darstellt, der zur Minderung<br />

berechtigt.<br />

[14] Gemäß § 536 Absatz 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes<br />

gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter<br />

einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen<br />

Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel<br />

während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben,<br />

wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten<br />

Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand<br />

bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen<br />

der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges<br />

Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer<br />

Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die<br />

von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler),<br />

wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist.<br />

Soweit allerdings Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen,<br />

wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter<br />

Berücksichtigung <strong>des</strong> vereinbarten Nutzungszwecks und <strong>des</strong> Grundsatzes<br />

von Treu und Glauben (…) nach der Verkehrsanschauung bestimmt.<br />

[15] Eine ausdrückliche oder konkludente Beschaffenheitsvereinbarung<br />

der Parteien, dass das Mietobjekt keinen höheren Immissionen<br />

als zu Vertragsbeginn ausgesetzt sein dürfe, ist hier nicht festzustellen.<br />

Der BGH hat die diesbezüglichen Anforderungen aus dem Urteil vom<br />

29.04.2015 (…) bekräftigt: „Nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> Senats setzt auch<br />

eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung zwei übereinstimmende<br />

Willenserklärungen voraus. Zur konkludent geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung<br />

werden die von dem Mieter wahrgenommenen<br />

Auf anwaltlichen Rat zahlen Mieter<br />

nicht die geminderte Miete, sondern<br />

die volle Miete unter Vorbehalt der<br />

Rückforderung. Der Mietrückstand<br />

<strong>des</strong> § 543 II 1 Nr. 3 BGB ist bei Mietkürzungen<br />

über einen längeren<br />

Zeitraum nämlich schnell erreicht,<br />

sodass Vermieter daraufhin fristlos<br />

kündigen. Erkennt das Gericht<br />

später den Mangel und damit die<br />

Berechtigung zur Minderung nicht<br />

an, ist die Kürzung wirksam und der<br />

Räumungsanspruch aus § 546 BGB<br />

gegeben. Zum Verlust <strong>des</strong> Objekts<br />

und den Umzugskosten gesellt<br />

sich die Forderung <strong>des</strong> Vermieters<br />

nach Ersatz seines Kündigungsfolgeschadens.<br />

Deshalb zahlen Mieter<br />

unter Vorbehalt den vollen Betrag<br />

und fordern die Überzahlung aus<br />

§ 8<strong>12</strong> BGB später zurück.<br />

Unter Mietmängeln im Sinne <strong>des</strong><br />

§§ 536 I BGB können außer Qualitätsmängeln,<br />

die der Sache anhaften, auch<br />

äußere Gefahrenquellen, öffentlichrechtliche<br />

Beschränkungen, Wohnflächenabweichungen<br />

von mehr<br />

als 10 Prozent und – wie hier – auch<br />

Immissionen sein. Letztere führen in<br />

der Praxis besonders oft zu Rechtsstreitigkeiten,<br />

weil sie nur erheblich<br />

sind, wenn die Schwelle der Sozialadäquanz<br />

überschritten ist. Diese kann<br />

sich aus Parteivereinbarungen, aus<br />

gesetzlichen Vorschriften oder aus<br />

der ortsüblichen Beschaffenheit<br />

ergeben.<br />

Zur Bestimmung der Beschaffenheit<br />

der Mietsache, BGH, Urteil vom<br />

29.04.2015, VIII ZR 197/14 Rn 18<br />

Zur konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung<br />

bei Mietsachen, BGH,<br />

Urteil vom 29.04.2015, VIII ZR 197/14<br />

Rn 57<br />

Wichtig: Eine nur einseitige Vorstellung<br />

<strong>des</strong> Mieters genügt nicht.<br />

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628 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>12</strong>/<strong>2020</strong><br />

Ohne Zustimmung <strong>des</strong> Vermieters<br />

keine Beschaffenheitsvereinbarung<br />

Eisenschmid in: Schmidt-Futterer,<br />

Mietrecht, § 536 BGB Rn. 136b<br />

LG Berlin, Urteil vom 16.06.2016,<br />

67 S 76/16 und vom 21.08.2019,<br />

64 S 190/18: Keine stillschweigende<br />

Vereinbarung zur Freiheit von Baulärm.<br />

LG Berlin, Urteil vom 18.10.2013,<br />

63 S 446/<strong>12</strong><br />

Weil konkrete Anhaltspunkte fehlen,<br />

ist auf die Verkehrsanschauung<br />

abzustellen.<br />

Grundsätzlich können Lärmimmissionen<br />

ein Mietmangel sein.<br />

Es kommt nicht darauf an, ob die<br />

Mängel vom Vermieter verursacht<br />

wurden.<br />

Laute Objekte werden billiger<br />

vermietet.<br />

„Umweltbedingungen“ der Wohnung nur, wenn der Vermieter aus<br />

dem Verhalten <strong>des</strong> Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont<br />

(§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass der Mieter<br />

die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über<br />

die unbestimmte Dauer <strong>des</strong> Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches<br />

Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung<br />

ansieht, und der Vermieter dem zustimmt. Eine einseitig gebliebene<br />

Vorstellung <strong>des</strong> Mieters genügt für die Annahme einer diesbezüglichen<br />

Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn sie dem Vermieter<br />

bekannt ist. Erforderlich ist jedenfalls, dass der Vermieter darauf in<br />

irgendeiner Form zustimmend reagiert.<br />

[16] Dem ist trotz gegenteiliger Stimmen - etwa von Eisenschmid (…) - zu<br />

folgen. Dass die meisten Mietobjekte nicht von erheblichen zusätzlichen<br />

Immissionen betroffen sein mögen, reicht entgegen den<br />

Urteilen <strong>des</strong> LG Berlin vom 16.06.2016 und vom 21.08.2019 nicht<br />

aus, um eine Freiheit von Baulärm als stillschweigend vereinbart<br />

anzusehen.<br />

[17] Andererseits ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass bei Abschluss<br />

<strong>des</strong> Mietvertrages der Parteien im Jahre 2015 konkrete Anhaltspunkte<br />

für einen anstehenden Abriss und eine Neubebauung auf dem Nachbargrundstück<br />

erkennbar waren. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob der<br />

Mieter bei Baulücken im innerstädtischen Bereich mit einer Bebauung<br />

rechnen muss und diese dann nicht zu einer Minderung führt (…).<br />

[18] Mangels (konkreter) Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache<br />

beantwortet sich „die Frage, was im Einzelnen zu dem zum vertragsgemäßen<br />

Gebrauch geeigneten Zustand der in Rede stehenden<br />

Wohnung gehört, den der Vermieter gemäß § 535 Absatz 1 Satz 2 BGB<br />

während der Mietzeit zu erhalten hat, nach den gesamten Umständen<br />

<strong>des</strong> Mietverhältnisses und den daraus in - gegebenenfalls ergänzender -<br />

Auslegung abzuleitenden Standards, insbesondere nach der Mietsache<br />

und deren beabsichtigter Nutzung sowie der Verkehranschauung<br />

unter Beachtung <strong>des</strong> in § 242 normierten Grundsatzes von Treu und<br />

Glauben.“ (…)<br />

[19] Erhebliche Nutzungsbeeinträchtigungen durch Lärm können nach<br />

der Rechtsprechung <strong>des</strong> VIII. Zivilsenats <strong>des</strong> BGH ohne weiteres einen<br />

Mangel einer gemieteten Wohnung darstellen (…). Gleiches gilt nach der<br />

Rechtsprechung <strong>des</strong> XII. und <strong>des</strong> X. Zivilsenats <strong>des</strong> BGH für Gewerberäume<br />

(…) und Ferienunterkünfte (…)<br />

[20] Zwar betreffen die vorstehend zitierten Urteile <strong>des</strong> VIII. Zivilsenats<br />

jeweils Lärmbeeinträchtigungen aus dem Gebäude, in dem die gemietete<br />

Wohnung liegt. Einem Mangel im Sinne von § 536 BGB steht aber nicht<br />

nach Treu und Glauben entgegen, dass es sich um Umwelteinwirkungen<br />

handelt, die nicht vom Vermieter verursacht worden sind. Gebrauchsbeschränkungen<br />

aufgrund von Beschaffenheit oder Lage <strong>des</strong> Mietobjekts<br />

fallen in seinen Risikobereich (…). Eine Mietminderung setzt kein Verschulden<br />

auf Seiten <strong>des</strong> Vermieters voraus, sondern der Mieter kann<br />

selbst dann mindern, wenn der Vermieter nicht über die Möglichkeit<br />

zur Beseitigung <strong>des</strong> Mangels verfügt (…).<br />

[21] Es entspricht der Verkehrsanschauung, dass sich eine erhebliche<br />

Lärmbelastung gemieteter Räume tendenziell mietsenkend auswirkt.<br />

Die ortsübliche Vergleichsmiete für Wohnraum hängt gemäß § 558<br />

Absatz 2 BGB von der „Lage“ ab und damit auch von Beeinträchtigungen<br />

durch Lärm (…). Dem entsprechend sehen die Orientierungshilfen für<br />

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<strong>RA</strong> <strong>12</strong>/<strong>2020</strong><br />

Zivilrecht<br />

629<br />

die Spanneneinordnung zu den Berliner Mietspiegeln 2017 und 2019 das<br />

negative Wohnwertmerkmal „besonders lärmbelastete Lage“ und das<br />

positive Wohnwertmerkmal „besonders ruhige Lage“ vor.<br />

Der VIII. Zivilsenat <strong>des</strong> BGH hat im Urteil vom 19.<strong>12</strong>.20<strong>12</strong> (…) zwar<br />

in einer vorübergehend erhöhten Verkehrslärmbelastung aufgrund<br />

von Straßenbauarbeiten keinen zur Minderung berechtigenden<br />

Mangel gesehen, aber zur Begründung auch darauf abgestellt, dass<br />

sie sich nach der im Mietspiegel aufgestellten Grenze im Rahmen<br />

<strong>des</strong> Üblichen hielt. Dass die nach wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellten<br />

Mietspiegel an die Lärmbelastung anknüpfen, rechtfertigt<br />

die Annahme, dass die Höhe der vereinbarten Miete regelmäßig davon<br />

abhängt, welches Immissionsniveau die Parteien bei Abschluss <strong>des</strong> Mietvertrages<br />

zugrunde legen (…) Dies gilt auch für Gewerberäume, wenn die<br />

Immissionen - wie hier - für die vertraglich vorgesehene Nutzung relevant<br />

sind. Den Mitgliedern <strong>des</strong> erkennenden Senats ist aus der Befassung<br />

mit Gewerberaummietsachen über viele Jahre und insbesondere aus<br />

Sachverständigengutachten bekannt, dass die Lage eines Objekts<br />

ganz wesentliche Bedeutung für die Höhe der marktüblichen Miete<br />

hat.<br />

[22] Hier ist - wie zu Tz. 2 festgestellt - von Immissionen durch die Baustelle,<br />

insbesondere Lärm und auch Erschütterungen auszugehen, die<br />

deutlich über das in einer Nebenstraße der Berliner City übliche Maß<br />

hinausgehen. Als entscheidend sieht der erkennende Senat an, dass<br />

diese Einwirkungen der im Mietvertrag vereinbarten Nutzung als<br />

„Thai-Massagesalon“ sehr abträglich sind, insbesondere einem Entspannungseffekt<br />

der Massagebehandlungen. Die vertragsgemäße<br />

Nutzung ist insoweit schwerer betroffen, als es bei den meisten Einzelhandelsgeschäften<br />

der Fall wäre, und min<strong>des</strong>tens vergleichbar wie bei<br />

einer Wohn- oder Büronutzung. Die Tauglichkeit der gemieteten Räume<br />

zum vertragsgemäßen Gebrauch ist „unter Berücksichtigung <strong>des</strong> vereinbarten<br />

Nutzungszwecks und <strong>des</strong> Grundsatzes von Treu und Glauben nach<br />

der Verkehrsanschauung“ (s. o., Tz. 7) deutlich gemindert.<br />

Lärmbelastete Lage und besonders<br />

ruhige Lage – bei<strong>des</strong> beeinflusst die<br />

Mietpreisfindung.<br />

Das Urteil <strong>des</strong> BGH vom 19.<strong>12</strong>.20<strong>12</strong>,<br />

VIII ZR 152/<strong>12</strong> behandelt damit<br />

einen anderen Fall, weil sich im dortigen<br />

Fall der Lärm im Rahmen <strong>des</strong><br />

Üblichen hielt.<br />

Thai-Massagen sollen der Entspannung<br />

dienen. Dieses Ziel wird<br />

nicht erreicht, wenn die Wände<br />

wackeln.<br />

Damit liegt ein Mietmangel gem. § 536 I BGB vor. Mithin ist die Minderung<br />

in der geltend gemachten Höhe auch berechtigt. Die Überzahlung der Miete<br />

erfolgte folglich aufgrund der Minderung in der Höhe <strong>des</strong> Minderungsbetrages<br />

ohne rechtlichen Grund.<br />

B. Ergebnis<br />

Die K können von B gem. § 8<strong>12</strong> I 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung der zuviel<br />

gezahlten Miete verlangen.<br />

FAZIT<br />

Wird die gemietete Liegenschaft durch Baulärm beeinträchtigt, ist zunächst<br />

zu prüfen, ob die Parteien ausdrücklich oder konkludent Lärmfreiheit vereinbart<br />

haben. Fehlen solche Abreden, wird der zum vertragsgemäßen<br />

Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung <strong>des</strong> vereinbarten<br />

Nutzungszwecks und <strong>des</strong> Grundsatzes von Treu und Glauben nach der Verkehrsanschauung<br />

bestimmt. Dabei kommt es entscheidend auf die Lage <strong>des</strong><br />

Objektes und die Art der Nutzung <strong>des</strong> Objektes an.<br />

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