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Pause 2020

Das ist das Lehrlingsmagazin der Mathilde Escher Stiftung - Ausgabe 2020

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N0 10 — <strong>2020</strong><br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

STOLPERSTEIN<br />

Endlich<br />

alleine<br />

wohnen<br />

Klischees überwinden<br />

Holland bot den Lernenden deutlich mehr als Tulpen, Käse und Velos.<br />

1


— EDITORIAL —<br />

Wir steigern Mobilität.<br />

Unsere Spezialisten erarbeiten individuelle Versorgungskonzepte, um unseren<br />

Patientinnen und Patienten ein Höchstmass an Selbstbestimmung zu ermöglichen.<br />

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Kommunizieren.<br />

Lernen.<br />

Arbeiten.<br />

Wohnen.<br />

IMPRESSUM<br />

Pascal Niffeler,<br />

Praktiker Mediamatik<br />

1. Ausbildungsjahr<br />

PAUSE — das Ausbildungsmagazin<br />

der Mathilde Escher Stiftung<br />

Ausgabe Nr. 10, <strong>2020</strong><br />

Herausgeberin:<br />

Mathilde Escher Stiftung<br />

Lengghalde 1, 8008 Zürich<br />

Telefon 044 389 62 00<br />

Alles<br />

ändert sich<br />

Wir blicken zurück auf ein turbulentes Jahr, in dem<br />

sich auch bei uns viel geändert hat. Sei es die Um benennung<br />

zur Mathilde Escher Stiftung mit einem neuen<br />

visuellen Auftritt, Katharina Hildebrand als neue<br />

Ge schäfts führerin oder natürlich die ganze Covid-19-<br />

Situa tion. In den Artikeln wird ebenfalls viel über Veränderungen<br />

berichtet. Da wäre zum Beispiel der Beitrag<br />

von Niklas, in dem er über sein Leben und seinen Umzug<br />

in die Schweiz erzählt. Er zeigt, dass grosse Veränderungen<br />

in unserem Leben auch eine grosse Chance<br />

sein können. Oder jener von Johnny, der über den<br />

Wechsel zum selbstständigen Wohnen nachdenkt und<br />

was das für ihn bedeuten würde. Eine komplett andere<br />

Art der Verwandlung haben die Lernenden der Ausbildung<br />

beim Drehen eines Kurzfilms für die Jugendfilmtage<br />

erlebt. Ich war verblüfft wie Filmszenen, die<br />

in Realität un möglich erschienen, mit guter Planung<br />

und schlauen Tricks gefilmt werden konnten. Eine<br />

andere Perspektive eröffnet uns der Beitrag von Luca.<br />

Er erzählt darin von seinem Hobby Malen und welchen<br />

Einfluss seine fortschreitende Muskelschwäche darauf<br />

hat. So wie Luca müssen wir uns Veränderungen stellen<br />

und handeln. Wir können diese nicht ignorieren, denn<br />

nichts ist bestän diger als der Wandel.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Digitale Assistive Technologien<br />

für mehr Partizipation und Selbstbestimmung<br />

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Active Communication AG | Ein Unternehmen der Schweizer Paraplegiker-Stiftung<br />

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Fotos: Ben Wadley, Daniel<br />

Capitani, Michael Groer,<br />

Dominik Zenhäusern<br />

Konzeption: grüninger grafik,<br />

Atelier für visuelle Kommunikation<br />

Lektorat: Sprache und<br />

Kommunikation – Iris Vettiger<br />

Lithografie: b+b repro AG<br />

Druck: Druckerei Albisrieden AG<br />

Auflage: 3‘200 Exemplare<br />

Erscheint: 1 x pro Jahr<br />

Gedruckt auf 100% Recyclingpapier<br />

3


Inhalt<br />

– 7 –<br />

Eigene Welt<br />

– 36 –<br />

Schiffe, Kräne<br />

und haufenweise<br />

Velos<br />

Die diesjährige Ausbildungsreise führte die<br />

Luca liebt das Malen und Zeichnen. Trotz<br />

Lernenden nach Holland. Ein Reisebericht<br />

nachlassender Kraft verliert er den Mut nicht<br />

über ein Land, das deutlich mehr zu bieten hat<br />

und findet immer wieder neue Lösungen.<br />

als die üblichen Klichees.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

8<br />

18<br />

«Ich bin ein<br />

Alpha-Mensch»<br />

Seit einem Jahr hat die Mathilde<br />

Escher Stiftung eine neue Geschäftsführerin.<br />

Höchste Zeit, um Katharina<br />

Hildebrand näher kennen zu lernen.<br />

– 12 –<br />

«Herr Eisenegger,<br />

das haben Sie<br />

toll gemacht!»<br />

Mit einer Bühne am Zürichfest hat sich<br />

Mirco einen Traum erfüllt. Ein einfaches<br />

Unterfangen war das jedoch nicht.<br />

– 14 –<br />

Benzin im Blut<br />

Am liebsten mit Vollgas. Der Rennsport ist<br />

– 42 –<br />

«Ich bewarb<br />

mich aus den<br />

Ferien»<br />

Essen gut, alles gut. Wer ist in der Mathilde<br />

Escher Stiftung eigentlich für das leibliche<br />

Wohl zuständig?<br />

Kurz & bündig<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

«Früher war<br />

ich es, der Hilfe<br />

benötigte»<br />

Niklas hat in seiner Kindheit viel<br />

24<br />

Clas Leidenschaft. Um sicher im Rennauto zu<br />

sitzen, muss alles passen. Und wer ist eigentlich<br />

dieser Hans?<br />

– 30 –<br />

Und Action!<br />

22<br />

33<br />

34<br />

35<br />

Das Redaktionsteam<br />

Wussten Sie, dass …<br />

Fotostory<br />

Ben hat eine neue App …<br />

Stolperstein<br />

Zeit im Krankenhaus verbracht.<br />

Filmen macht Spass! Doch die wirkliche Arbeit<br />

«Wenn ich selbstständig<br />

Seine positive Lebenseinstellung hat<br />

kommt erst danach. Für die Jugendfilmtage<br />

wohne, werde ich zum<br />

er trotzdem nie verloren.<br />

Der richtige Moment<br />

produzierten die Lernenden einen Kurzfilm<br />

zum Thema «Money».<br />

41<br />

Arbeitgeber»<br />

10 Fragen an …<br />

In der Projektwoche «Street Photography» haben<br />

Marc von Arx<br />

die Lernenden der Mathilde Escher Stiftung scheinbar<br />

Alltägliches ins richtige Licht gerückt.<br />

4 5


— PERSÖNLICH —<br />

Eigene Welt<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Praktikant*in mit Mehrwert<br />

Wir sind auf der Suche nach Praktikumsplätzen.<br />

Michael Groer (Leitung Ausbildung) freut sich auf Ihren Anruf:<br />

Telefon 044 389 62 56<br />

Meine grosse Leidenschaft ist das<br />

Malen. Dabei kann ich meiner Fantasie<br />

freien Lauf lassen. Trotz nachlassender<br />

Kraft verliere ich den Mut nicht und<br />

finde immer wieder neue Lösungen.<br />

Von Luca Affolter<br />

Die meisten Motive gestalte ich aus dem Kopf.<br />

Ich male meist Tiere, erfundene Planeten und<br />

Sonnenuntergänge. Sonnenuntergänge male<br />

ich, weil sie in mir ein Gefühl der Ruhe auslösen.<br />

Am liebsten verwende ich Farbstifte und<br />

Filzstifte, weil ich damit am besten gestalten<br />

kann. Meine Lieblingsfarben sind Blau, Grün<br />

und Gelb. Beim Malen tauche ich in meine<br />

Fantasie ein und vergesse leicht die Zeit und<br />

die Umgebung. Ich finde es beruhigend, an<br />

einem Bild zu arbeiten. Meine Bilder gefallen<br />

mir, es ist aber auch ein tolles Gefühl, wenn<br />

andere meine Bilder loben. Mich faszinieren<br />

6 7<br />

die grossen Maler der Geschichte, am meisten<br />

Pablo Picasso. Mein Lieblingsgemälde von ihm<br />

ist Mediterranean Landscape. Mir gefallen die<br />

Formen und Farben des Bildes.<br />

Neue Lösungen und Hilfsmittel<br />

Malen bedeutet mir sehr viel, aber es strengt<br />

mich zunehmend an. Ich habe Muskeldystrophie<br />

Typ Duchenne, weshalb meine Muskelkraft<br />

nachlässt. Meine Hände werden immer<br />

schwächer, mittlerweile kann ich sie selbst nur<br />

noch von der Armlehne auf den Schreibtisch<br />

oder auf meine Beine legen. Ausserdem kann<br />

ich nicht mehr so gut auf das Papier blicken,<br />

weil mein Kopf nicht mehr so beweglich ist.<br />

Eine Computermaus oder einen Controller zum<br />

Gamen kann ich noch bedienen. In der Ergotherapie<br />

haben wir verschiedene Möglichkeiten<br />

ausprobiert, wie ich meinem Hobby Malen<br />

weiterhin nachgehen kann. Zuerst haben wir<br />

es mit einer schräg stellbaren Tischerhöhung<br />

versucht und Kissen unter die Arme gelegt.<br />

Das war aber noch nicht ideal. Ich sah nicht<br />

gut aufs Blatt und es war unbequem für die<br />

Arme. Schliesslich fanden wir einen Weg mit<br />

einem Hilfsarm und einem Blatthalter. Der<br />

Hilfsarm hat eine Feder, die es mir erlaubt, den<br />

Arm mit wenig Kraft zu bewegen. Trotzdem<br />

komme ich auf dem Blatt mittlerweile nicht<br />

mehr bis ganz nach oben.<br />

Eine gute Lösung für mich ist es, am Computer<br />

zu malen. Das funktioniert heute und hoffentlich<br />

auch in Zukunft. Zukünftig werde ich<br />

wohl mit meiner Umweltsteuerung malen.<br />

Die Umweltsteuerung ist ein System, mit dem<br />

man über den E-Rollstuhl mit Bluetooth oder<br />

Infrarot das Handy, den Lift, das Radio, den<br />

Fern seher und den PC steuern kann. Dennoch<br />

würde ich viel lieber von Hand malen. Dann<br />

kann ich den Stift in der Hand spüren. Trotz<br />

aller Hilfsmittel male ich nicht mehr so oft,<br />

weil es mich zu sehr anstrengt. Ich habe lange<br />

gebraucht, um damit klarzukommen, dass<br />

vieles nicht mehr geht.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung


— PERSÖNLICH —<br />

«Früher<br />

war ich es,<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

der Hilfe<br />

benötigte»<br />

Bis zu meinem dritten Lebensjahr war ich sehr oft<br />

im Krankenhaus. Dort wurde mir auch klar, dass ich<br />

nicht so bin wie alle andern. Heute lasse ich mich<br />

trotz meiner Krankheit nicht unterkriegen, geniesse<br />

mein Leben und gestalte es aktiv.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Von Niklas Halder<br />

8 9


— PERSÖNLICH —<br />

— PERSÖNLICH —<br />

Ich habe eine Stoffwechselkrankheit, genauer<br />

eine Eiweissunverträglichkeit, die als Glutarazidurie<br />

Typ 1 bezeichnet wird. Ich habe bereits<br />

zahlreiche unterschiedliche Medikamente<br />

probiert, viele davon hatten aber leider mehr<br />

«Ich musste fest stellen,<br />

dass meine Mitbewohner<br />

trotz ihrer körperlichen<br />

Einschränkungen<br />

selbstständiger<br />

sind als ich.»<br />

laut meinem Vater nicht immer so positiv.<br />

Ich habe gelernt, dass ich trotz meiner Krankheit<br />

vieles verändern kann, aber auch etwas<br />

dafür tun muss. Ich wurde von meinen Eltern<br />

immer gut informiert, was meine Krankheit<br />

betrifft, und in die Entscheidungen eingebunden.<br />

Darum fühle ich mich meiner Krankheit<br />

nicht ausgeliefert.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Nebenwirkungen als Nutzen. Hinzu kam, dass<br />

ich jeweils keinen normalen Alltag führen<br />

konnte, bis sie richtig eingestellt waren. Diese<br />

Medikamente wurden nicht speziell für meine<br />

Krankheit entwickelt, helfen aber bei der<br />

symp tomatischen Behandlung meiner Spastiken<br />

und meiner Verdauung.<br />

Neuland<br />

Neben den Herausforderungen, die meine<br />

Krankheit mit sich bringt, musste ich im Alter<br />

von sechs Jahren eine weitere grosse Veränderung<br />

in meinem Leben meistern: den<br />

Umzug meiner Familie von Deutschland in<br />

die Schweiz, da mein Vater ein Stellenangebot<br />

annahm. Ich kann mich noch daran erinnern,<br />

dass ich etwas traurig war, unser Haus<br />

zurückzulassen. Hier in der Schweiz musste<br />

In die Mathilde Escher Stiftung<br />

sind als ich. Am Anfang wusste ich nicht so<br />

recht, was in der WG erlaubt ist und was nicht.<br />

Wenn ich meine Bezugsperson fragte, was ich<br />

denn nun darf oder nicht, bekam die Antwort:<br />

«Du darfst machen, was du willst.» Heute<br />

weiss ich, was sie damit meinte. Ich darf meine<br />

Entscheidungen selbst treffen, muss aber auch<br />

allfällige Konsequenzen tragen. Ausserdem<br />

musste ich auf meiner Wohngruppe geduldiger<br />

werden, weil ich nicht mehr der einzige Rollstuhlfahrer<br />

war, der Bedürfnisse hatte. Ich<br />

lebte mich sehr schnell ein, weil ich mich willkommen<br />

fühlte und viel Unterstützung hatte.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

ich mich auf viel Neues einlassen. Mein Start<br />

an der neuen Schule war holprig. Wenn ich<br />

Während meiner Schulzeit musste ich mich<br />

nach einem Ausbildungsplatz umschauen. Ich<br />

Blick nach vorne<br />

mit dem Elektrorollstuhl am neuen Wohnort<br />

entschloss mich schliesslich für die Mathilde<br />

Im Moment weiss ich nicht, wie es mit meiner<br />

unterwegs war, fragten mich viele Leute,<br />

Escher Stiftung, weil mir die Ausbildung am<br />

Krankheit weitergehen wird. Ich hoffe, dass<br />

was für eine Krankheit ich habe oder ob ich<br />

besten zusagte. Zu Beginn der Ausbildung zog<br />

sie sich stabilisiert, es gibt aber keine verläss­<br />

Hilfe brauche. Das war für mich nicht immer<br />

ich auch in eine WG in der Mathilde Escher<br />

liche Prognose. Allerdings muss ich immer<br />

einfach, weil ich logopädischen Bedarf hatte<br />

Stiftung ein. Speziell war für mich, mit anderen<br />

stärkere Medikamente gegen meine Spastiken<br />

und nicht so gut reden konnte. Ich wollte<br />

Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern<br />

nehmen. Trotzdem beunruhigt mich das nicht.<br />

manchmal gar nicht antworten, habe so aber<br />

zusammenzuwohnen. In meiner alten Schule<br />

Ich habe schon so viel durchgemacht. Rum­<br />

auch gelernt, mich zu verständigen. Trotz der<br />

war es immer ich, der Hilfe benötigte. In der<br />

sitzen und Heulen helfen mir nicht. Es kommt,<br />

anfänglichen Probleme fand ich in meiner<br />

WG konnte ich nun auch anderen helfen, weil<br />

wie es kommt. Der letzte Sommer war für<br />

Schweizer Schule relativ schnell Anschluss. In<br />

viele meiner Mitbewohner manuell stärker<br />

mich die schönste Zeit meines Lebens, weil ich<br />

Deutschland hatte ich nicht allzu viele Kolle­<br />

eingeschränkt sind als ich. Ich stellte aber<br />

einfach machen konnte, was ich wollte, und<br />

gen, weil ich wegen meiner Krankheit oft im<br />

auch fest, dass manche von ihnen trotz ihrer<br />

auch ein bisschen Zeit mit meiner Familie<br />

Krankenhaus war.<br />

körperlichen Einschränkungen selbstständiger<br />

verbringen konnte. Meine Grundhaltung war<br />

10 11


— PROJEKT ZÜRIFEST —<br />

«Herr Eisenegger, das<br />

haben Sie toll gemacht»<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Mirco, einer unserer ältesten<br />

Be wohner, hatte sich letztes Jahr<br />

mit einer Party-Bühne am Zürichfest<br />

einen grossen Traum erfüllt. Trotz<br />

Hürden und Herausforderungen war<br />

es für ihn ein grosser Erfolg.<br />

Von Pascal Niffeler<br />

Mirco Eisenegger liebt es, Partys zu veranstalten,<br />

in den Ausgang zu gehen und zu basteln.<br />

Früher nahm er mehr Dinge auseinander, als<br />

er wieder zusammenbauen konnte. Heute<br />

konstruiert er gerne kleine Solarfahrzeuge,<br />

Partymobile und beschäftigt sich mit Modellbau.<br />

Sein Wunsch, am Zürifest mit einer<br />

eigenen Bühne dabei zu sein, hatte er schon<br />

lange: «Ich wollte eine riesen Party veranstal­<br />

ob er ihm ein Planungskonzept erstellen könne.<br />

«Die Arbeit hat sich gelohnt, unser Konzept<br />

hat die Veranstalter des Zürifests überzeugt»,<br />

ergänzt Mirco zufrieden.<br />

Nicht alles nach Plan<br />

Eine weitere grosse Hürde war die Finanzierung.<br />

Zum Glück fanden sich grosszügige Spenderinnen<br />

und Spender, die Mirco bei seinem<br />

Projekt finanziell unterstützten. Zudem konnte<br />

er durch die Vermietung von Flächen für<br />

Essensstände einen Teil der Kosten abdecken.<br />

Leider lief nicht alles nach Plan: Ein Kollege<br />

von Mirco versprach, als Projektpartner bei<br />

der Organisation zu helfen und eine hohe<br />

Summe an Kosten zu übernehmen. Leider hielt<br />

er sich nicht an die Abmachung und nutzte die<br />

Bühne vor allem als persönliche Werbeplattform.<br />

Dadurch fielen am Ende mehrere tausend<br />

Franken Schulden an. «Dank glücklicher Umstände<br />

haben wir es aber geschafft, diese abzuzahlen»,<br />

erzählt Mirco in ruhigem Ton.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

ten, bei der Menschen mit und ohne Behinderung<br />

gemeinsam Spass haben können.»<br />

Gemeinsam abfeiern<br />

Überzeugungsarbeit<br />

«Die Teilnahme am Zürifest war trotz allem<br />

ein grosser Erfolg», sagt Mirco und erzählt<br />

Die Bühne am Zürifest war sein bisher grösstes<br />

stolz, wie die Leiter des Zürifests seine Bühne<br />

Projekt. Dafür musste er viele Helferinnen und<br />

betraten und ihm schulterklopfend sagten:<br />

Helfer organisieren, die ihm bei der Planung,<br />

«Herr Eisenegger, das haben Sie toll gemacht,<br />

der Organisation, beim Aufbau und auch bei<br />

wir sind sehr, sehr zufrieden mit Ihnen.»<br />

der Administration halfen. Einige konnte er<br />

Mirco meint rückblickend: «Es hat mir sehr<br />

überzeugen, freiwillig mitzumachen, anderen<br />

viel Spass gemacht, am Zürifest teilzunehmen<br />

zahlte er Lohn. Die Anzahl der Bühnen ist beim<br />

und allen zu zeigen, wie Fussgänger und be­<br />

Zürifest begrenzt. Mirco meinte: «Die erste<br />

hinderte Menschen gemeinsam abfeiern<br />

grosse Hürde war, überhaupt einen Platz am<br />

können. Es hat uns viel Geld, Schweiss und<br />

Zürifest zu bekommen.» Er musste deshalb<br />

Nerven gekostet, doch am Ende waren wir<br />

die Veranstalter mit einem Bühnenvorschlag<br />

mit dem Ergebnis sehr zufrieden.» Sein Fazit<br />

überzeugen. Mirco fragte einen Freund, der im<br />

lautet: «Ich bin sehr stolz auf das Projekt<br />

Event- und Bühnenbau professionell arbeitet,<br />

und werde es im Leben nie vergessen.»<br />

13


— LEIDENSCHAFT MOTORSPORT —<br />

Benzin<br />

im<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Blut<br />

Rennsport und Oldtimer sind meine grosse<br />

Leidenschaft. Mein Vater ist ein begnadeter Rennfahrer<br />

und hat mir die Liebe für den Rennsport<br />

vererbt. Dank ihm kann ich hautnah dabei sein und<br />

einen Hauch von Formel-1-Feeling miterleben.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Von Cla Capitani<br />

«Ich liebe alte Sportwagen», schwärmt Cla, was ihn aber nicht davon<br />

abhält, auch in einem topmodernen Boliden mitzufahren.<br />

Heisse Boliden, glühender Asphalt … und Reifen! Gemeinsame<br />

Abenteuer und interessante Gespräche über Autos,<br />

das gefällt mir am Rennsport. Das Spezielle daran ist,<br />

dass ich Rollstuhlfahrer bin. Ich habe Muskeldystro phie<br />

Typ Duchenne. Trotzdem fühle ich mich in dieser Umgebung<br />

sehr wohl und empfinde meine Krankheit bei<br />

diesem Hobby nicht als Problem.<br />

Speziellen Anpassungen<br />

Mich fasziniert an alten Sportwagen, dass man die<br />

Technik sieht, das Benzin riecht und den Motor hört.<br />

Ausserdem schlagen die Emotionen in einem Oldtimer<br />

höher als in einem topmodernen Auto. Deshalb ist der<br />

Rennsport für mich und meine Familie so spannend.<br />

Wir sind durch unseren Freund Andreas Lautenschlager<br />

zum Rennsport gekommen. 2018 machten mein Vater<br />

und meine Mutter am Hockenheimring die internationale<br />

Rennlizenz, um an Rennen im In- und Ausland<br />

mitzufahren. Meistens fährt mein Vater mit einer Lancia<br />

Fulvia Sport 1.3 s Zagato Competizione. Aufgrund der<br />

guten Platzverhältnisse und Rennsitze kann ich bei<br />

meinem Vater als Co-Pilot mitfahren. Selbst in meinem<br />

14 15


— LEIDENSCHAFT MOTORSPORT —<br />

«Wenn ich vom Rollstuhl<br />

ins Auto<br />

gehoben werde, fühlt<br />

es sich an, als könnte<br />

ich aufstehen und<br />

losgehen.»<br />

Wenn der Puls steigt<br />

Ein tolles Rennen ist die Eggberg Klassik in Bad Säckingen<br />

am Rhein. Es ist eine Bergrennstrecke, auf der die Teilnehmenden<br />

jeden Lauf mit der möglichst gleichen<br />

Zeit absolvieren sollen. Es werden Höchstgeschwindigkeiten<br />

bis zu 200 km/h erreicht. Alle versuchen die<br />

Ideallinie zu fahren, um die schnellste Rundenzeit zu<br />

erreichen. Dabei kommen manche auch ins Driften.<br />

Beim Kurvendriften steigt der Puls, das macht besonders<br />

Spass. Wenn die Aussentemperatur sehr warm ist, wird<br />

Mit den richtigen<br />

Kontakten ist Cla in<br />

der Pole Position.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Rollstuhl benötige ich einen Gurt, damit ich nicht herausfalle.<br />

Nun stellen Sie sich vor, was ohne Anpassungen<br />

in einem Rennauto passieren würde. Damit ich bei einem<br />

Rennen in einem Fahrzeug mitfahren kann, braucht es<br />

einen Schalensitz für den Seitenhalt. Am Helm ist der<br />

sogenannte HANS angebracht. Dieser Kopf- und Nackenschutz<br />

sorgt dafür, dass der Kopf stabil bleibt. Mein Helm<br />

wird mit Klebeband an der Kopfstütze befestigt, auch die<br />

Hände und Füsse werden zusammengeklebt. So mache<br />

ich keinen «Wank» mehr. Ferner brauche ich einen Fünfpunktgurt,<br />

damit ich fest im Sitz bleibe. Trotz alledem<br />

fühle ich mich nicht eingeengt, diese Massnahmen geben<br />

mir ein Gefühl von Sicherheit.<br />

es meinem Fahrer und mir wegen der obligatorischen<br />

feuerfesten Kleider richtig heiss. Da es beim Rennen<br />

mehrere Läufe gibt und ich nicht pausenlos im Auto<br />

sitzen bleiben kann, werde ich sehr oft umgesetzt. In der<br />

Wartezeit zwischen den Rennläufen bleibt viel Zeit für<br />

interessante Gespräche mit den anderen Teilnehmenden.<br />

Heimvorteil<br />

Das Lenzerheide Motor Classics ist mein liebstes Rennen,<br />

weil es direkt in meinem Heimatdorf startet und mein<br />

Vater im Organisationskomitee ist. Dies ermöglicht<br />

mir Dinge, die bei anderen Rennen nicht möglich sind,<br />

wie zum Beispiel am Start neben dem Rennleiter zu<br />

stehen und so eine super Sicht auf das Renngeschehen<br />

zu haben. Bei diesem Rennen geht es nur um Spass, ohne<br />

Zeitmessung, Rangliste, Geschwindigkeitslimit und<br />

Dezibel-Begrenzung. Unsere Rallye Crew veranstaltet<br />

am Rennwochenende immer eine Party. Diese Feier<br />

bedeutet mir sehr viel, da ich dort alle meine Freunde<br />

gleichzeitig treffen und mich so geben kann, wie ich<br />

bin. Letztes Jahr war für mich das tollste Rennen, denn<br />

mein Freund Mael begleitete mich das ganze Rennwochenende.<br />

Wir streiften durch das Lager der Fahrerinnen<br />

und Fahrer, schauten dem Rennbetrieb zu und<br />

machten eine Taxifahrt. An jedem Essensstand machten<br />

wir Halt und haben uns verköstigt. Nie zuvor hatte ich<br />

so viel gegessen wie an diesem Wochenende. Da beim<br />

und Fahrer die Autos anschaute. Ich habe mich ziemlich<br />

erschrocken, aber zum Glück ist nichts passiert. Ein<br />

anderes Mal habe ich mich leicht am Ellenbogen verletzt.<br />

Seither achte ich viel mehr darauf, was um mich<br />

herum läuft und wo ich mich schützen kann. Ich<br />

habe Respekt, aber keine Ängste. Das wäre fatal in<br />

diesem Sport, denn aus Ängsten heraus passieren Fehler<br />

und die wiederum könnten schlimme Folgen haben.<br />

Die meisten Fahrerinnen und Fahrer kennen ihre Grenzen,<br />

trotzdem kann es Unfälle geben. Es gab auch schon<br />

einmal einen Todesfall an einem Rennen mit einem<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Lenzerheide Motor Classics keine Beifahrerinnen und<br />

Motorrad und einmal mit einem Formel Wagen. Das<br />

Beifahrer erlaubt sind, nehme ich jeweils ein Renntaxi,<br />

könnte uns selbstverständlich auch passieren; würde<br />

das von einem lizenzierten Rennfahrer gefahren wird.<br />

ich mir jedoch zu viele Gedanken über Unfälle machen,<br />

Eine Fahrt über vier bis fünf Runden kostet hundert<br />

könnte ich diese Sportart nicht mehr ausführen. Es gibt<br />

Franken. Ein teurer Spass, aber das ist es wert.<br />

aber auch lustige Momente, z. B. als mein Rennkollege<br />

Meine tollsten Rennerlebnisse waren, als ich mit Ferruccio<br />

Riccardo mit seinem Ford T-Racer 1929 auf der kurvigen<br />

Finkbohner in einer Lancia Delta S4 mit 680 PS voll<br />

Passstrasse am Jochberg Memorial 2017 ein Rad verlor.<br />

Karacho mitfahren konnte! Auch die Fahrt mit Tom<br />

Er fuhr auf drei Rädern trotzdem weiter und konnte sein<br />

Alpiger von Motorex mit einem Radical RXC Turbo 500<br />

Rad, das den ganzen Pass selbst heruntergerollt war,<br />

war unvergesslich. Während der Fahrt fragte ich<br />

kurz vor dem Ziel wieder montieren.<br />

ihn: «Wie schnell kannst du mit diesem Auto fahren?»<br />

Mein grösster Traum wäre eine «Taxifahrt» mit Ken<br />

Um den starken Beschleuigungskräften<br />

entgegenzuwirken, ist<br />

an Clas Helm der Kopf- und<br />

Nackenschutz «HANS» angebracht.<br />

So bleibt der Kopf auch<br />

in schnellen Kurven stabil.<br />

Da wusste Tom, dass er mehr Gas geben kann!<br />

Kein Spass ohne Risiko<br />

Ich habe bei Rennen auch schon gefährliche Situationen<br />

erlebt. Bei einem Rennen driftete einer der Wagen inmitten<br />

vieler Leute, als ich im Lager der Fahrerinnen<br />

Block, einem US-amerikanischen Rallye- und Rallyecross-Fahrer.<br />

In Zukunft wünsche ich mir vor allem<br />

viele weitere Rennen mit meinem Vater. Vielleicht klappt<br />

es auch mit einer Teilnahme an der Rallye Monte Carlo<br />

historique oder gar mit einer Mitfahrgelegenheit in der<br />

Rallye Paris-Dakar.<br />

16 17


— INTERVIEW —<br />

«Ich<br />

bin ein<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Alpha-<br />

Mensch»<br />

Schwarzwälder Torte bringt sie auf die Palme. Sie würde<br />

gerne mit Al Di Meola, Bryan Adams, Tracy Chapman und<br />

vielen anderen eine gemeinsame Session machen. Ihre<br />

Ausbildung in Scuola Teatro Dimitri hat sie für ihr Leben<br />

geprägt. Katharina Hildebrand, die neue Geschäftsführerin<br />

der Mathilde Escher Stiftung, hat viele Facetten. Im Interview<br />

berichtet sie von Persönlichem, von ihrer Arbeit als<br />

Geschäftsführerin, von den Herausforderungen und Zielen<br />

für sie und die Mathilde Escher Stiftung.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Von Luca Affolter<br />

19


— INTERVIEW —<br />

— INTERVIEW —<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Luca Affolter: Du bist nun ein Jahr in der<br />

Mathilde Escher Stiftung. Bist du inzwischen<br />

richtig angekommen?<br />

Katharina Hildebrand: Ich bin angekommen, fühle<br />

mich wohl und konnte von Anfang an auf grosse Unterstützung<br />

zählen. Ich bin stolz, Geschäftsführerin der<br />

Mathilde Escher Stiftung zu sein.<br />

Wie war die erste Zeit in der Mathilde Escher<br />

Stiftung für dich?<br />

Am Anfang prasselten viele Informationen in dichter<br />

Ladung auf mich ein. Abends hatte ich oft einen etwas<br />

quadratischen Kopf davon. Geholfen hat, dass ich<br />

sofort feststellen konnte, wie gut die Mathilde Escher<br />

Stiftung aufgestellt ist und funktioniert und wie viele<br />

motivierte, versierte und langjährige Mitarbeitende die<br />

Institution tragen und prägen. Und als ich dann etwas<br />

zur Ruhe kam, tauchte Corona auf …<br />

Was sind die Herausforderungen in der Mathilde<br />

Escher Stiftung?<br />

Herausfordernd sind die komplexen Finanzierungssysteme<br />

der verschiedenen Bereiche mit den unterschiedlichen<br />

Anforderungen. Für die kommende Zeit<br />

werden auch die Veränderungen durch Integrationen,<br />

durch das Assistenzmodell und durch das neue<br />

Finanzierungsmodell für die Sonderschule herausfordernd<br />

sein. Die grosse Herausforderung aktuell ist<br />

das Bewältigen der Corona-Krise.<br />

Langfristig sollen die Angebote den Bedürfnissen der<br />

betroffenen Menschen entsprechen. Ich habe den<br />

Anspruch, dass wir da flexibel genug sind, um Anpassungen<br />

zeitnah vorzunehmen und, wo nötig und<br />

möglich, neue Angebote zu schaffen. Nicht mehr zeitgemässe<br />

Angebote müssen wir loslassen können.<br />

Was sollte sich aus deiner Sicht in der Mathilde<br />

Escher Stiftung auf keinen Fall ändern?<br />

Die Mitarbeitenden der Mathilde Escher Stiftung zeigen<br />

eine grosse Identifikation mit ihrer Aufgabe und dem Be­<br />

«Ich halte gerne<br />

für Zukunftsvisionen<br />

die Nase in den<br />

Wind und versuche,<br />

beruflich am Puls der<br />

Zeit zu sein.»<br />

Lösungsfindung für die Anliegen der Bewohner und Bewohnerinnen<br />

weiterhin möglich sein, ja sogar ausgebaut<br />

werden können.<br />

Du hast in deinem Leben schon viele verschiedene<br />

Dinge gemacht. Was hat dich beruflich besonders<br />

geprägt?<br />

Die Ausbildung an der Scuola Teatro Dimitri hat mich für<br />

das ganze Leben geprägt, beruflich und privat. Ich habe<br />

da gelernt, immer die ganze «Szene» im Auge zu behalten<br />

und aufmerksam auf das Gegenüber zu reagieren. Ich<br />

achte auf die Körpersprache genauso wie auf die Worte.<br />

Ich bin gerne «Regisseurin».<br />

Was sind deine schwierigsten Momente bei der<br />

Arbeit?<br />

Schwierige Momente zeigen sich vor allem in Zeiten<br />

von Krisen. Da spüre ich die Verantwortungen noch<br />

deutlicher und realer – in jedem Moment, bei jeder Entscheidung.<br />

Die Entscheidungen sind nie für alle nachvollziehbar.<br />

Es gilt, bei sich zu sein, Fachargumente<br />

einzuholen, abzuwägen, mutig zu sein im Bewusstsein<br />

für die Risiken. Und auf das Team zählen zu können.<br />

Was sind deine lustigsten Momente bei der Arbeit?<br />

Die gibt es immer wieder, auch in Zeiten von Krisen.<br />

Zum Glück! Ich lache gerne und oft. Es sind die kleinen<br />

Momente, die froh machen.<br />

Auf gegenseitigen Respekt. Auf Sorgfalt im Handeln und<br />

Entscheiden, auf Konstanz und Ehrlichkeit.<br />

Was gefällt dir daran, Geschäftsführerin zu sein?<br />

Ich bin ein Alpha-Mensch und fühle mich wohl so.<br />

Darum führe ich gerne. Ich trage gerne Verantwortung,<br />

bin es gewohnt und mag es, für die Anliegen der Mitarbeitenden<br />

ein offenes Ohr zu haben und individuelle<br />

Lösungen zu finden. Für die Menschen in der Institution<br />

stehe ich mit Herzblut ein und präsentiere die Institution<br />

gerne in der Öffentlichkeit und bei Mitgliedern der Verwaltung,<br />

wenn ich hinter dem Konzept stehen kann. Und<br />

das tue ich voll und ganz in der Mathilde Escher Stiftung.<br />

Ich halte gerne für Zukunftsvisionen die Nase in den<br />

Wind und versuche, beruflich am Puls der Zeit zu sein.<br />

Ich brauche Herausforderung!<br />

Inwieweit darf eine Chefin auch Schwächen<br />

zeigen?<br />

Gibt es denn Schwächen? In meinem Weltbild gibt es<br />

ausgeprägte Stärken und weniger ausgeprägte Stärken.<br />

Was hat dich geprägt?<br />

Geprägt haben mich eine starke Mutter, die mir immer<br />

vertraut hat, eine schöne Kindheit, Fröhlichkeit und<br />

unser offenes Haus. Geprägt haben mich aber auch einige<br />

schwere Verluste, ich habe meinen Vater sehr früh verloren<br />

wie auch meinen Partner. Das prägt.<br />

Wie wäre ein Mensch, der das Gegenteil von<br />

dir ist?<br />

Wir würden uns respektieren, kämen aber schon<br />

nicht immer klar. Wir könnten uns ergänzen, aber es<br />

würde mir mit dieser Person eventuell etwas langweilig<br />

werden …<br />

Welche berühmte Persönlichkeit (lebend oder<br />

tot) würdest du gerne einmal treffen? Wo<br />

würdest du sie treffen? Worüber würdest du<br />

mit ihr sprechen?<br />

Cocker, Janice Joplin, Mahalia Jackson, Al Di Meola,<br />

Bryan Adams, Harrys Alexio, Marianne Faithfull,<br />

Mercedes Sosa, Tracy Chapman, Carlo Bergonzi, Pippo<br />

Pollina. Und immer wieder würden neue auftauchen.<br />

Das kann irgendwo auf der Welt sein. Könnt ihr euch<br />

das vorstellen? Unglaublich, oder?<br />

Welches war das schönste Kompliment, das dir<br />

jemand einmal gemacht hat?<br />

Aus jeder Phase meines Lebens bewahre ich schöne<br />

Erinnerungen in mir drin auf. «Wer dich ins Team geholt<br />

hat, hat seine Prämie wirklich verdient», erhalten von<br />

den Kolleginnen und Kollegen der erweiterten Geschäftsleitung<br />

der Zürcher Kinder und Jugendheime zkj.<br />

Was ist dein persönlich grösster Wunsch für die<br />

Zukunft?<br />

Ich möchte eine zufriedene, aufgestellte, aktive, gesunde,<br />

kluge, stolze, liebenswerte, weise alte Frau werden.<br />

Was bringt dich auf die Palme?<br />

Wenn kein Feuer mehr brennt, im Herzen und in den<br />

Augen. Arroganz, Besserwisserei, abgelöscht sein und<br />

Schwarzwälder Torte.<br />

«Geprägt haben mich<br />

eine starke Mutter,<br />

eine schöne Kindheit,<br />

Fröhlichkeit und unser<br />

offenes Haus.»<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

trieb. Das soll und muss so bleiben. Dafür ist es wichtig<br />

und richtig, dass man gemeinsam Lösungen für die<br />

Zukunft erarbeitet. Im Weiteren muss die individuelle<br />

Worauf legst du besonderen Wert bei deiner<br />

Arbeit?<br />

Ich würde mit einigen Musikerinnen und Musikern<br />

eine Session machen, singen, tanzen, fein essen, lachen<br />

und sprechen. Anwesend wären Leonard Cohen, Joe<br />

20 21


Das Redaktionsteam<br />

Das <strong>Pause</strong>-Magazin ist ein Ausbildungsprojekt der Mathilde<br />

Escher Stiftung. Die Lernenden erarbeiten die Inhalte und<br />

gestalten das <strong>Pause</strong>-Magazin im Rahmen ihrer Praktischen<br />

Ausbildung nach INSOS (Praktiker*in PrA Mediamatik) mit der<br />

Unterstützung ihrer Ausbildner und Ausbildnerinnen.<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

Ausschneiden<br />

und aufstellen!<br />

2<br />

3<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

1<br />

Wir<br />

sind Das<br />

Redaktionsteam<br />

14<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

1 Flipchart Nobo<br />

2 Jonathan Frei<br />

13<br />

3 Stuhl Embru, Modell 4610<br />

4 Steven Deblander<br />

18<br />

5 Cla Capitani<br />

6 Laura Dominguez<br />

15<br />

16<br />

17<br />

7 Drucker, Xerox Phaser 7760<br />

8 Niklas Halder<br />

9 Yucca elephantipes<br />

10 Ben Wadley<br />

11 Michael Groer<br />

12 Pascal Niffeler<br />

13 Walter Schwaninger<br />

14 Aurelia Baumann<br />

15 Papierkorb Karl, grösse L<br />

16 Frank Grüninger<br />

17 Matthias Peter<br />

18 Luca Affolter


— STREET PHOTOGRAPHY —<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Der<br />

richtige<br />

Moment<br />

Niklas Halder<br />

In der Ausbildung der Mathilde Escher<br />

Stiftung fand eine Projektwoche<br />

zum Thema «Street Photography» statt.<br />

Die Bilder der Auszubildenden zeigen,<br />

wie spannende Momente aus der<br />

Rollstuhl perspektive mit der Kamera<br />

eingefangen werden können.<br />

Fotografieren ist ein tolles Hobby, man kann dabei seiner<br />

Kreativität freien Lauf lassen. Leider können viele Menschen<br />

mit Muskeldystrophie Typ Duchenne selbst ein<br />

Handy nicht mehr von Hand bedienen, ganz zu schweigen<br />

also von einer professionellen Fotoausrüstung. Ich bin<br />

in der glücklichen Lage, dass ich die Kamera noch in der<br />

Hand halten kann. Wenn ich fotografiere, ist das dennoch<br />

etwas Spezielles. Ich habe eine andere Perspektive<br />

als ein Fussgänger, da ich meine Kamera tiefer halte.<br />

Viele meiner Kollegen konnten die Kamera jedoch nicht<br />

in der Hand halten. Daher mussten wir die Kameras mit<br />

Stativen an den Rollstühlen befestigen und mit einem<br />

Fernauslöser oder einer App bedienen. So zu fotografieren,<br />

muss kein Nachteil sein. Wir haben rausgefunden,<br />

dass der Rollstuhl ein tolles fahrendes Stativ ist und<br />

man dadurch sehr spezielle Aufnahmen machen kann.<br />

Es gibt aber auch einen sehr grossen Nachteil, wenn<br />

man den Bildausschnitt ändern möchte, muss man den<br />

Rollstuhl bewegen. Johnnys Kamera war sehr weit unten<br />

angebracht, er konnte nicht einmal deren Display sehen.<br />

Er meinte dazu: «Ich stellte mir vor, wie das Bild aussehen<br />

könnte, und schoss dann drauflos. Obwohl ich die<br />

Kamera nicht gesehen habe, finde ich, dass meine Bilder<br />

die besten sind.»<br />

Von Ben Wadley<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Flüchtige Momente<br />

Wir hatten uns für diese Woche verschiedene Themen<br />

vorgenommen, z.B. «Licht», «Schatten», «Farben»,<br />

«Selfie in einem spiegelnden Objekt» und «Emotionen».<br />

24 25


Luca Affolter<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Street Photographie öffnet den Blick für<br />

scheinbar alltägliche Situationen. Neben<br />

einer guten Beobachtungsgabe gehört<br />

auch eine Portion Glück dazu. Während<br />

der Projektwoche haben die Lernenden<br />

insgesamt 11‘000 Bilder geschossen.<br />

Die hier gezeigten Fotografien gehören<br />

zu den rund 30 Bildern, welche sie in einer<br />

Ausstellung präsentiert haben.<br />

Pascal Niffeler<br />

Ben Wadley<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Niklas Halder<br />

Jonathan Frei<br />

Pascal Niffeler<br />

26 27


— STREET PHOTOGRAPHY —<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

«Ich bin in der<br />

glücklichen Lage,<br />

dass ich die Kamera<br />

noch in der Hand<br />

halten kann.»<br />

«Emotionen» war für mich das schwierigste Thema. Man<br />

muss Situationen sehr schnell analysieren und schnell<br />

reagieren. Emotionen werden oft nur ganz kurz sichtbar.<br />

Man muss die Kamera also sehr schnell bereit haben,<br />

wenn sich z. B. zwei Leute am Bahnhof zum Abschied<br />

umarmen. Es ist schwierig vorauszusehen, was passieren<br />

wird. Neben einer guten Beobachtungsgabe gehört sicher<br />

auch eine gute Portion Glück dazu. Pascal erzählte mir,<br />

dass er auf der Suche nach seinem nächsten Fotomotiv<br />

sah, dass eine Gruppe von Tierschützern gerade Unterschriften<br />

sammelte. Als eine ältere Dame sich von einem<br />

Tierschützer verabschiedete, drückte er ab. Als er sich<br />

das Foto später ansah, entdeckte er, dass sich die beiden<br />

gerade ein High Five gaben.<br />

Geduld<br />

Bei der «Street Photography» gibt es verschiedene<br />

Techniken, wie z. B. Fishing . Wie beim Fischen wartet<br />

man an einem Ort, bis das gewünschte Ereignis eintritt.<br />

Wir haben uns vor spannenden Hintergründen wie<br />

vor Graffitis oder Schaufenstern positioniert und warteten,<br />

bis etwas Interessantes passierte. Dabei braucht<br />

es einiges an Geduld. Manchmal muss man sich Zeit<br />

lassen, um das perfekte Foto zu schiessen. Eine andere<br />

Technik ist der Bewegungseffekt. Ich finde es sehr schön,<br />

wenn Teile des Bildes verschwommen sind und es wie<br />

ein Kunstwerk aussieht. Man stellt dafür die Belichtungszeit<br />

länger ein. Wenn sich eine Person im Bildausschnitt<br />

dann während der Aufnahme bewegt, ist diese<br />

verschwommen, der Rest bleibt scharf, wenn man nicht<br />

gewackelt hat.<br />

Bilderberg<br />

Nach dem Fotografieren ging die Arbeit erst richtig los.<br />

Wir mussten die Fotos sortieren und eine Auswahl<br />

erstellen. Ich konnte die Finger leider nie vom Auslöser<br />

lassen, daher habe ich allein am ersten Tag 1‘000 Fotos<br />

gemacht. Vieles war Mist, aber es waren auch ein paar<br />

Treffer dabei. Eine Auswahl von 20 guten Bildern zu<br />

treffen, ist schwierig und dauert lang. Innerhalb der Projektwoche<br />

haben wir insgesamt 11‘000 Fotos geschossen.<br />

Da die Fotos von modernen Kameras extrem gross sind,<br />

entsprachen diese am Ende insgesamt 280 GB. Früher<br />

wären das 80‘000 Disketten gewesen. Eigentlich müsste<br />

ich daraus lernen, mich zurückzuhalten.<br />

Neues Hobby<br />

Auf einem meiner besten Bildern sitzt eine Person zwischen<br />

mehreren Steinsäulen. Mir gefällt am Bild, dass<br />

die Person schön eingerahmt ist und das T-Shirt und der<br />

Stein einen schönen Kontrast bilden. Es fühlt sich richtig<br />

gut an, wenn deine Bilder anderen Leuten gefallen. Ich<br />

habe in dieser Woche festgestellt, dass Fotografie mich<br />

sehr interessiert. Ich habe mir deshalb eine Kamera<br />

gekauft und fotografiere nun häufig auch in meiner Freizeit.<br />

Es wäre schön, Fotograf zu werden und damit Geld<br />

zu verdienen. Ich kenne jemanden, der mit Duchenne<br />

beruflich fotografiert. Das finde ich toll. Ich habe mir<br />

überlegt, ob es auch etwas für mich wäre. Ich suche nicht<br />

aktiv danach, aber wenn ich ein Job-Angebot bekäme,<br />

würde ich wohl nicht nein sagen.<br />

BEN WADLEY<br />

Er hat während der Projektwoche<br />

«Street Photography» die Kunst des<br />

Fotografierens für sich entdeckt.<br />

Seine neue Kamera gibt er seitdem<br />

nicht mehr aus der Hand.<br />

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#mathilde<br />

escher<br />

stiftung<br />

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PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

28 29


— JUGENDFILMTAGE —<br />

Und<br />

Action!<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

David von der Agentur Phirstfilm<br />

stellte uns verschiedene Filmtechniken<br />

vor und half uns später<br />

als Regie- und Kameramann<br />

beim Drehen des Filmes.<br />

Dieses Jahr nahmen die Lernenden der Mathilde Escher<br />

Stiftung zum zweiten Mal an den Jugendfilmtagen<br />

teil. Während einer Woche lernten sie, was es heisst, einen<br />

Film zu produzieren – vom Drehbuch bis zum Schnitt.<br />

Das diesjährige Thema war «Money». Wir<br />

besprachen allerlei Ideen, Handlungen und<br />

Richtungen für unseren Film. Zunächst hatten<br />

wir den Eindruck, wir würden keine Fortschritte<br />

machen und es blieben zu viele Fragen<br />

ungeklärt. Dann kamen einzelne Stücke wie<br />

Teile eines Puzzles zusammen und ergaben<br />

nach und nach eine Geschichte, der wir folgen<br />

konnten. Die folgenden Schritte erwiesen sich<br />

als weitaus aufwändiger. Die Szenen mussten<br />

geplant, Requisiten beschafft und Aufgaben<br />

verteilt werden. Es wurden Orte fotografiert<br />

und Dokumente erstellt, Kostüme gebracht und<br />

Materialien gesammelt, Personal informiert<br />

und vieles mehr. In dieser Zeit lernten wir<br />

auch David, den Leiter der Agentur Phirstfilm,<br />

kennen. Sie erstellt Projekte im Bereich Animationsvideos<br />

und Videoproduktion. Er stellte<br />

uns verschiedene Filmtechniken vor und half<br />

uns später als Regie- und Kameramann beim<br />

Drehen des Filmes. Die gesamten Vorbereitungen<br />

dauerten viele Stunden, im Gegensatz dazu<br />

Von Pascal Niffeler<br />

konnten wir alle Szenen an einem Tag drehen.<br />

Die Dreharbeiten machten uns viel Spass. Sei<br />

es die Inszenierung eines Überfalls in einer<br />

dunklen Unterführung oder die Abfahrt eines<br />

farbenfrohen Ferienbusses, alles wurde mit<br />

viel Enthusiasmus gespielt und gefilmt. Nachdem<br />

wir die Szenen im Kasten hatten, fingen<br />

wir mit dem letzten Schritt der Produktion an:<br />

dem Schneiden des Films.<br />

Operation Schnitt<br />

Was mit dem Lernen eines neuen Programms<br />

begann, stellte sich schnell als Herkules­<br />

Aufgabe heraus: von der Auswahl der Szenen<br />

über den Schnitt des FIlms bis zur Bearbeitung<br />

des Tons. Wir bildeten Arbeitsgruppen und<br />

arbeiteten an mehreren Fronten gleichzeitig.<br />

Als nach etlichem Einfügen, Verschieben<br />

und Löschen endlich die erste Version des<br />

Films vorlag, fing die Nachbearbeitung an. Ob<br />

Effekte, Geschwindigkeit, Titel, Abspann oder<br />

Musik, es gab viel zu tun. Mit viel Schweiss<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

30 31


— JUGENDFILMTAGE —<br />

— IN KÜRZE —<br />

«Szenen auswählen, Film<br />

schneiden und Ton bearbeiten.<br />

Wir arbeiteten an mehreren<br />

Fronten gleichzeitig.»<br />

Wussten Sie, dass …<br />

Von Walter Schwaninger<br />

und Herzblut schafften wir auch dies. Wir<br />

veranstalteten Vorpremieren und holten uns<br />

Das grosse Bangen<br />

Zwei Durchgänge der Nachbearbeitung waren<br />

… es Emojis mit<br />

Handicap gibt?<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

von unserem Publikum Feedback. Bei der<br />

ersten Vorpremiere waren wir sehr gespannt<br />

auf die Reaktion des Publikums. Zu unserem<br />

Schrecken offenbarte sich ein katastrophales<br />

Problem. Da wir mit unserem Film bestens<br />

vertraut waren, empfanden wir die Filmstory<br />

als gut verständlich. Für das Publikum jedoch<br />

war die Handlung zu schnell und teilweise<br />

gänzlich unklar. Wir machten uns also mit<br />

neuen Anhaltspunkten und frischem Elan<br />

nochmals an die Filmbearbeitung.<br />

Schweizer<br />

Jugendfilmtage<br />

Die Schweizer Jugendfilmtage finden<br />

einmal im Jahr in Zürich statt. Es ist<br />

das grösste Filmfestival der Schweiz für<br />

junge Filmemacher innen und Filme­<br />

erforderlich, um die Story klarer zu gestalten.<br />

Wir haben daran gearbeitet, bis wir den Film<br />

schliesslich einreichen mussten. Dann konnten<br />

wir nur gespannt abwarten, ob unser Film<br />

angenommen und an den Jugendfilmtagen<br />

gezeigt würde oder nicht. Nach langem Bangen<br />

kam am 22. Januar dann endlich die Rückmeldung.<br />

Unser Film wurde angenommen und<br />

sollte vor grossem Publikum präsentiert werden.<br />

Leider kamen schon bald die schlechten<br />

Neuigkeiten: Das Live Event wurde wegen des<br />

Corona-Virus abgesagt. Auch wenn wir deswegen<br />

alle betrübt waren, so mussten gerade<br />

wir als gefährdete Gruppe Verständnis zeigen.<br />

Die Jugendfilmtage wurden dann über einen<br />

Livestream abgehalten. So konnten wir uns<br />

die tollen, für das Event erstellten Kurzfilme<br />

trotzdem ansehen. Leider haben wir es nicht<br />

geschafft, mit einem Medaillenplatz aus dem<br />

Wettbewerb hervorzugehen. Wir waren aber<br />

stolz darauf, unseren Film doch noch zeigen zu<br />

können. Die Teilnahme an den Jugendfilm tagen<br />

gab es uns einen interessanten Einblick in die<br />

Welt der Filmproduktion. Es war eine tolle<br />

Die Tanzgruppe «Kinetic Light» zeigt, dass der Rollstuhl nicht im Weg sein muss.<br />

… man mit einem<br />

Rollstuhl tanzen kann?<br />

Tango, Discofox oder Freestyle tanzen<br />

– im Rollstuhl? Klar geht das!<br />

Dies beweisen nicht nur die argentinische<br />

Rollstuhltänzerin Gabriela<br />

Fernanda Torres, welche schon<br />

an der Tango-Weltmeisterschaft<br />

rende miteinander) sowie der Formationstanz<br />

(mehrere Rollstuhlfahrende).<br />

Inzwischen werden auch<br />

Europameisterschaften und seit<br />

1998 Weltmeister schaften im Para<br />

Dance Sport ausgetragen. In der<br />

Pro Infirmis lancierte eine eigene<br />

Emoji-Edition. Menschen mit Handicap<br />

sollen als selbstverständlicher<br />

Teil der Gesellschaft dargestellt<br />

werden. Man kann nicht nur die<br />

Hautfarbe wählen und bestimmen,<br />

ob sein Emoji schwarz, braun oder<br />

weiss sein soll, sondern auch, ob es<br />

mit oder ohne Handicap sein soll.<br />

proinfirmis.ch<br />

… das gesamte<br />

Umfeld mit dem<br />

Smartphone<br />

gesteuert werden<br />

kann?<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

macher bis 30 Jahre. Das Festival bietet<br />

Chance, an diesem Projekt mitzumachen.<br />

teilnahm, sondern auch Tanz- und<br />

Schweiz fristet der Rollstuhltanz<br />

Interessierten die Möglichkeit, eigene<br />

Künstlergruppen wie «Kinetic<br />

hingegen noch ein Mauerblümchen­<br />

«HouseMate» heisst das Gerät,<br />

Filme zu präsentieren und sich mit dem<br />

Neugierig auf unseren Film?<br />

Light» oder «Infinite Flow», die sich<br />

dasein. Nur gerade die beiden Roll­<br />

welches das Steuern verschiedens ­<br />

Publikum und anderen Filmschaffen­<br />

film.mathilde-escher.ch<br />

Inklusion, den Abbau von Barrieren,<br />

stuhlclubs Zürich und Solothurn<br />

ter Geräte per Handy oder Tablet<br />

den auszutauschen. Die Wettbewerbs­<br />

gross auf die Fahne geschrieben<br />

bieten Rollstuhltanz an. Während<br />

ermöglicht. Damit können Fern-<br />

beiträge starten in fünf Kategorien, die<br />

haben.<br />

in Zürich Standard- und latein­<br />

seher, Computer, Licht, Türen,<br />

nach Alter, Rahmen der Produktion und<br />

Im Rollstuhltanz werden vier<br />

amerikanische Tänze sowie For­<br />

Storen, Lift und noch vieles mehr<br />

Thema gegliedert sind.<br />

Kategorien unterschieden: Der<br />

mationen eingeübt werden, widmet<br />

bedient werden – ganz einfach vom<br />

Einzeltanz, der Combi-Tanz (je ein<br />

sich der Rollstuhlclub Solothurn<br />

Sofa, Bett oder Rollstuhl aus.<br />

jugendfilmtage.ch<br />

Partner mit und ohne Rollstuhl),<br />

dem Breitensport-Tanz sowie dem<br />

der Duo-Tanz (zwei Rollstuhlfah­<br />

Ballroom-und Freestyle-Dancing.<br />

activecommunication.ch<br />

32 33


— FOTOSTORY —<br />

Ben hat eine neue App …<br />

STOLPERSTEIN<br />

Von Pascal Niffeler<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Niklas, du wirst es<br />

kaum glauben: Ich<br />

habe eine App, mit<br />

der ich via Bluetooth<br />

jedes beliebige Gerät<br />

steuern kann.<br />

Mit allem Möglichen:<br />

Computern, Lichtschaltern,<br />

Rollstühlen...<br />

Schau!<br />

Sogar mit einem<br />

fremden Rollstuhl?<br />

Ich frage mich,<br />

was die Eject-<br />

Taste macht?<br />

?<br />

Krass!<br />

Klar. Schau!<br />

Wow, das ist ja cool!<br />

Zeig mal her.<br />

Womit lässt sich die<br />

App denn verbinden?<br />

???<br />

«Wenn ich selbstständig<br />

wohne, werde<br />

ich zum Arbeitgeber»<br />

Im Sommer bin ich mit meiner Ausbildung<br />

als Praktiker PrA Media ­<br />

matik fertig. Es wird sich für mich<br />

vieles ändern. Ich mache mir schon<br />

lange Gedanken, wie ich dann leben<br />

will. Ich würde gerne weiterhin in<br />

meinem derzeitigen Praktikumsbetrieb<br />

arbeiten – und ja, gerne auch<br />

eine eigene Wohnung haben. In<br />

den eigenen vier Wänden zu leben<br />

und meine Ruhe zu haben – ausser<br />

hoffentlich vor der Liebe meines<br />

Lebens – wäre für mich ein Traum.<br />

So könnte ich endlich so viel Cordon<br />

Bleu essen, wie ich will, und müsste<br />

mich nicht mehr über die Unordnung<br />

meines Zimmerkollegen aufregen.<br />

Das klingt jetzt eigentlich nach normalen<br />

und realistischen Zukunftsplänen<br />

– und seit der Einführung<br />

des Assistenzbeitrags 2012 ist dies<br />

auch für Menschen wie mich, die auf<br />

Betreuung angewiesen sind, theoretisch<br />

auch möglich. Doch leider gibt<br />

es einige Stolpersteine auf dem Weg<br />

zu diesem «normalen» Leben. Zuerst<br />

muss ich eine geeignete, bezahlbare<br />

Von Jonathan Frei<br />

Wohnung finden. Und dann muss<br />

ich Assistenzpersonen anstellen, die<br />

mir beim Kochen, Wohnung putzen<br />

und Wäsche machen helfen. Eine<br />

tolle Vorstellung: Ich sitze wie ein<br />

«moderner Sklavenhalter» daneben<br />

und darf zusehen. Kling gut, oder?<br />

Glauben Sie mir, Sie möchten nicht<br />

tauschen. Leider fällt gutes Personal<br />

nicht vom Himmel. Im Gegensatz zu<br />

den früheren, rauen Methoden der<br />

Personal beschaffung muss ich heute<br />

auch administrative Auflagen erfüllen<br />

und Lohn auszahlen. Wenn ich<br />

selbstständig wohne, werde ich zum<br />

Arbeitgeber. Ich muss mich in verschiedenste<br />

Bereiche der Personalführung<br />

und Lohnabrechnung<br />

ein ar bei ten: Netto-Personalbedarfsermittlung,<br />

Motivationspsycho-<br />

logie, Kompetenzmanagement, Empowerment,<br />

AHV, ALV, NBUVG, BVG…<br />

Sind Sie noch dabei?<br />

Was mache ich, z. B. bei einem Krankheitsausfall?<br />

Wenn ich im Bett liege<br />

und es erscheint keine Assistenzperson,<br />

dann habe ich ein dickes<br />

Problem. Soll ich erst mal liegen<br />

bleiben, bis mich jemand findet, oder<br />

endlich mal ausschlafen. Sollte es<br />

jucken, ist der Spass vorbei. Ich kann<br />

mich ja nicht kratzen. Ich könnte<br />

mit dem Handy-Sprachassistenten<br />

jemanden anrufen, das hat aber so<br />

seine Tücken. Das letzte Mal hat mich<br />

Google mit Österreich ver bun den.<br />

Eigentlich wollte ich nur auf meiner<br />

Wohngruppe anru fen, damit sie mir<br />

die Türe öffnen.<br />

Ich werde wahrscheinlich nach<br />

der Ausbildung in der Grafikwerkstatt<br />

der Mathilde Escher Stiftung<br />

arbeiten. Ziehe ich aber aus, wird es<br />

schwierig dort weiter zu arbeiten,<br />

weil mir dann der Assistenzbeitrag<br />

gekürzt wird. Ich werde also vor die<br />

Wahl gestellt: entweder arbeiten<br />

oder ausziehen. Auch wenn ich für<br />

meinen Arbeitsweg ein Taxi brauche,<br />

weil ich den ÖV nicht nutzen kann,<br />

zahle ich drauf. Immerhin kann ich<br />

heute dank Assistenzbeitrag Zukunftspläne<br />

schmieden. Ein guter<br />

Anfang ist damit gemacht.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

34 35


— AUSBILDUNGSREISE —<br />

Schiffe,<br />

Kräne und<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

haufenweise<br />

Velos<br />

Holland hat weit mehr zu bieten als Grachten, Tulpen und<br />

Käse: Wir folgten unter anderem den Spuren der Vergangenheit<br />

in Amsterdam, machten eine Hafenrundfahrt in Rotterdam<br />

und besuchten ein Autorennen in Zandvoort. Und wo immer wir<br />

hinkamen, gab es jede Menge Überraschungen!<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Von Walter Schwaninger<br />

37


— AUSBILDUNGSREISE —<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Endlich war es soweit, die Ausbildungsreise<br />

im Juli 2019 konnte beginnen. Für unsere Reise<br />

nach Amsterdam hatten wir einen Car mit<br />

einer Hebebühne. Im Inneren hatte es ein paar<br />

Sitzreihen für die Betreuenden, der Rest war<br />

für uns Rollstuhlfahrende. Während der Fahrt<br />

wünschte ich mir, man könnte Menschen<br />

einfach von einem Ort zum nächsten beamen.<br />

Bei Sonnenuntergang erreichten wir endlich<br />

unser Hotel in De Rijp, einem kleinen Städtchen<br />

in der Nähe von Amsterdam. Unser Hotel<br />

war eine Mischung aus Hogwarts und einem<br />

Brockenhaus, überall standen oder hingen<br />

skurrile Objekte, dort eine Modelleisenbahn,<br />

da ein Flugzeug oder Autoteile. Das Hotel war<br />

ein Glückstreffer, da es alles andere als einfach<br />

ist, ein passendes Hotel für elf Rollstuhlfahrende<br />

und elf Betreuende zu finden. Ich wollte<br />

schon immer mal nach Holland. Für mich ist es<br />

ein vielseitiges Land, das man besucht haben<br />

muss, und das nicht nur wegen der liberalen<br />

Drogengesetzgebung.<br />

Zeitreise in die Vergangenheit<br />

Endlich war der Freitag gekommen, an dem<br />

ich Amsterdam kennenlernen würde. Darauf<br />

hatte ich mich besonders gefreut. Leider mussten<br />

wir früh aufstehen. Es war sehr schwierig,<br />

mit unserem grossen Car einen Parkplatz in<br />

der Innenstadt zu finden. Zum Glück hatten<br />

wir einen selbstbewussten Chauffeur. Am<br />

Ende parkten wir auf dem Veloweg, was durchaus<br />

Mut erfordert, denn schliesslich haben<br />

in Holland die Velofahrer das Sagen. Die Reiseführerin<br />

der Anne-Frank-Tour erwartete uns<br />

im Jüdischen Viertel. Sie erzählte uns die tragische<br />

Geschichte von Anne Frank und zeigte<br />

uns wichtige Orte ihres Lebens. Ich finde das<br />

Schicksal von Anne sehr traurig, wie sie und<br />

ihre Familie von den Nazis verfolgt wurden<br />

und wie sie sich verstecken musste. All dies hat<br />

sie in ihrem Tagebuch festgehalten. Schliesslich<br />

wurde sie verraten und kam mit 15 Jahren<br />

kurz vor Kriegsende in einem KZ ums Leben.<br />

Wenn man sich die fröhlichen Menschen und<br />

das bunte Treiben in Amsterdam heute ansieht,<br />

ist es kaum vorstellbar, welch schreckliche<br />

Zeiten diese Stadt hinter sich hat. Auch<br />

wir konzentrierten uns nach der Tour wieder<br />

auf die Gegenwart. Einige gingen shoppen,<br />

andere etwas trinken. Ben kurvte mit einem<br />

Betreuer auf seinen Rollerblades im Schlepptau<br />

herum. Der Akku meines Rollstuhls war<br />

leer, also musste ich einen Boxenstopp in<br />

einem Restaurant einlegen. Am Abend besuchten<br />

wir das Openluchttheater im Vondelpark.<br />

Was ist mir von diesem Theaterbesuch in<br />

Erinnerung geblieben? Zuerst tanzten sie auf<br />

der Bühne und dann zogen sie sich aus. Ich<br />

fand das sehr komisch, weil das nichts mit<br />

Theater zu tun hat, wie ich es mir vorstelle.<br />

Zurück im Hotel liessen wir einen Tag mit vielen<br />

Eindrücken an der Bar ausklingen.<br />

«Wir parkten auf dem<br />

Veloweg, was durchaus<br />

Mut erfordert,<br />

denn schliesslich haben<br />

in Holland die Velofahrer<br />

das Sagen.»<br />

Das Tor zur Welt<br />

Am Samstag besuchten wir Rotterdam. Auf der<br />

Rundfahrt durch den Hafen sahen wir riesige<br />

Schiffe und Kräne. Einige fanden diese Riesendinger<br />

spektakulär, mich beeindruckten sie<br />

wenig. Ausserdem stank es zwei Stunden lang<br />

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— AUSBILDUNGSREISE —<br />

— IN KÜRZE —<br />

Zehn Fragen an …<br />

Von Pascal Niffeler<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Die Betreuenden<br />

waren am Jammern,<br />

Ben am Fluchen<br />

und der Rest der Reisegruppe<br />

am Lachen.<br />

wie in einem Katzenklo. Als wir endlich wieder<br />

am Steg anlegten, wurden wir als Letzte ausgeladen,<br />

als hätten wir ein Ticket dritter Klasse<br />

gelöst. Danach wollten wir uns in mehrere<br />

Gruppen aufteilen, was fast so lang in Anspruch<br />

nahm wie die Rundfahrt. Einige gingen shoppen<br />

oder fuhren im Regen herum. Ich fuhr mit<br />

ein paar anderen direkt zu den Foodhallen,<br />

wo wir uns später alle zum Essen treffen<br />

wollten. Leider war der Treppenlift dort zu<br />

schwach für unsere Rollstühle, die über 250 kg<br />

wiegen. Das entspricht dem Gewicht von einem<br />

halben Fiat 500. Zum Glück gab es noch einen<br />

Warenlift, sonst wären wir im Regen stehen<br />

geblieben. Die Foodhallen waren das reinste<br />

Qualmende Reifen und Meeresbrise<br />

Am Sonntag fuhren wie nach Zandvoort. Für<br />

mich war das der beste Tag der gesamten<br />

Reise. Zandvoort liegt am Meer und hat einen<br />

langen Sandstrand mit Dünen. Es ist sehr<br />

schön, vor allem wenn die Sonne scheint. Manche<br />

von uns Rollstuhlfahrenden sind schon<br />

auf dem Parkplatz im Sand stecken geblieben<br />

und mussten von Betreuenden rausgezogen<br />

werden. Zunächst besuchten wir den Circuit<br />

Park in Zandvoort, eine Rennstrecke, auf der<br />

früher sogar Formel-1-Rennen stattfanden.<br />

Bei unserem Besuch fanden vor allem Rennen<br />

mit Oldtimern statt, die wir neben der Strecke<br />

bestaunten. Das Mini-Cooper-Rennen war sehr<br />

spannend, unglaublich welche Geschwindigkeit<br />

diese Autos erreichten. Etwas Besonderes<br />

an dieser Rennstrecke sind auch Wetterelemente<br />

wie Wind oder Regen und das Gefühl<br />

der salzigen Brise im Gesicht. Später gingen die<br />

Mutigen im Meer baden. Für Ben war dies das<br />

schönste Erlebnies der Reise. Ich wollte mich<br />

lieber etwas aufwärmen und nicht in der Nähe<br />

von Industrieanlagen baden. Ben blieb einmal<br />

mehr im Sand stecken. Bei seinem Befreiungsversuch<br />

brannte eine Sicherung beim Rollstuhl<br />

durch und er musste fortan geschoben werden.<br />

Die Betreuenden waren am Jammern, Ben<br />

Wie würdest du dich<br />

beschreiben?<br />

Ich bin kollegial und gastfreundlich,<br />

Marc von Arx<br />

Alter: 47 Jahre<br />

In der Mathilde Escher Stiftung seit: April 1990<br />

Hobbies: Sonnenbaden, fernsehen, Musik hören<br />

Besondere Kennzeichen: Zwei Tattoos am rechten Oberarm<br />

Lieblingskleider: Jeans und Levi‘s Jeanshemd<br />

Wie sieht dein Alltag in der<br />

Mathilde Escher Stiftung aus?<br />

Ich stehe spät auf. Nach dem Mittag­<br />

Und was würdest du gerne<br />

ändern?<br />

Manchmal wäre etwas weniger<br />

Stress auf der Wohngruppe schön.<br />

Ich finde es schade, dass die Betreuungspersonen<br />

weniger Zeit haben<br />

für jeden Einzelnen.<br />

Welches Erlebnis in deinem<br />

Leben ist dir besonders in<br />

Erinnerung geblieben?<br />

Das Grösste war, als ich vor 29<br />

Jahren an ein Hockeytournier nach<br />

Australien gehen konnte. Es war<br />

eine Weltmeisterschaft mit nur<br />

sechs Mannschaften. Wir belegten<br />

den vierten Platz.<br />

Was würdest du tun, wenn<br />

du unbegrenzt viel Geld zur<br />

Ver fügung hättest?<br />

Dann würde ich ein Haus bauen<br />

und mit meinen eigenen Betreuungspersonen<br />

dort richtig eigenständig<br />

leben.<br />

Was möchtest du in der<br />

Zukunft gerne noch erleben?<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Schlaraffenland. Es gab alles von griechischen<br />

am Fluchen und der Rest der Reisegruppe am<br />

das schätzen meine Freunde sehr.<br />

essen gehe ich gerne nach draussen,<br />

In zwei Jahren den 50. Geburtstag<br />

Pita über mexikanische Tacos und holländi­<br />

Lachen. Leider hat jede Reise auch ein Ende,<br />

Manchmal mache ich eine Party.<br />

um nach den Pflanzen zu schauen.<br />

feiern.<br />

sche Bitterballs bis zu Caribbean Surinam.<br />

Man musste dafür keine Weltreise unternehmen,<br />

sondern nur ein paar Meter zurücklegen,<br />

was für uns Rollstuhlfahrende ideal war.<br />

und das kam am Montag. Wir mussten früh<br />

aufstehen, da eine lange Rückreise vor uns lag.<br />

Jene, die bis vier Uhr wach gewesen waren,<br />

sahen aus, als ob Albert Einstein persönlich<br />

Dann gibt es eine kalte Platte mit<br />

Snacks und alkoholische oder alkoholfreie<br />

Getränke. Ausserdem mache<br />

ich jedes Jahr eine Geburtstagsparty<br />

Ich habe Erdbeeren, Chili, Curry,<br />

Rosmarin, Thymian, Schnittlauch,<br />

Petersilie, Dill und Lavendel angesät.<br />

Am Nachmittag und nach dem<br />

Wenn es eine Heilung für deine<br />

Krankheit gäbe, was würdest<br />

du tun?<br />

Meine Menüwahl war dann allerdings nicht<br />

sie frisiert hätte. Nach einer beinahe end­<br />

und meine Kolleginnen und Kollegen<br />

Nachtessen schaue ich die Tages­<br />

Ich würde mir eine Lehrstelle als<br />

allzu exotisch. Ich bestellte mir einen Burger.<br />

losen Rückfahrt kamen wir gegen Abend alle<br />

freuen sich immer darauf.<br />

schau, höre Musik oder schaue sonst<br />

Automechaniker suchen. Dann würde<br />

Die Betreuenden hingegen machten sich über<br />

undefinierbare vegane Sachen her.<br />

wohlbehalten in der Mathilde Escher Stiftung<br />

an. Holland war meiner Meinung nach das<br />

perfekte Reiseziel gewesen. Was bleibt, sind<br />

der Stolz, Hürden gemeistert zu haben, und<br />

tolle Erinnerungen.<br />

Was kannst du besonders gut?<br />

Was fällt dir schwer?<br />

Ich koche sehr gerne. Ich kann<br />

nicht mehr so gut essen wie früher.<br />

fern.<br />

Was gefällt dir an der Mathilde<br />

Escher Stiftung besonders gut?<br />

Hier hat man viel mehr Freiheiten<br />

ich mein Traumauto, einen Porsche<br />

911 Turbo in Schwarz, kaufen.<br />

Woran kannst du dich immer<br />

wieder erfreuen?<br />

Aufgrund meiner Krankheit fällt mir<br />

als in anderen Institutionen, wie<br />

An der Sonne. Nach dem Mittagessen<br />

das Schlucken schwer, das ist ein<br />

zum Beispiel spät ins Bett zu gehen,<br />

ruhe ich mich gerne aus. Wenn es<br />

Problem für mich.<br />

ein Gläschen Wein zu trinken.<br />

schön ist, gerne draussen.<br />

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— VORGESTELLT —<br />

«Ich bewarb mich<br />

aus den Ferien»<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Er nimmt kein Blatt vor den<br />

Mund, ist immer für einen Spass<br />

zu haben und kocht auch gut<br />

und gerne mal für 4‘000 Leute.<br />

Markus Thomet ist verantwortlich<br />

für das leibliche Wohl in<br />

der Mathilde Escher Stiftung.<br />

Gastbeitrag von Rosella Maiullari<br />

Markus träumte davon, als Kapitän eines<br />

Hoch seeschiffes die Weltmeere zu erkunden.<br />

Eine Lehrstelle als Matrose hatte er sich bereits<br />

organisiert. Allerdings befürchtete sein<br />

Vater, dieser Beruf mit dem unsteten Lebenswandel<br />

würde den Buben ins Verderben<br />

stürzen. So machte Markus sein Hobby zum<br />

Beruf und wurde Koch.<br />

«Koch ist kein normaler Beruf», sagt Markus,<br />

«wer nicht mit Herzblut dabei ist, nimmt die<br />

langen, unregelmässigen Arbeitszeiten und<br />

den anfangs tiefen Lohn nicht in Kauf». Er<br />

machte seinen Weg durch die Schweizer und<br />

Zürcher Gastroszene, wurde bereits mit 25<br />

Küchenchef im Johanniter im Niederdorf und<br />

war danach lange als Küchenchef im Volkshaus.<br />

«Zusammen mit dem Catering musste<br />

ich bis zu 4‘000 Mahlzeiten managen und hatte<br />

16 Köche unter mir», erzählt er. «Natürlich<br />

kochte ich im Volkshaus auch für die Stars, die<br />

dort an Konzerten auftraten: Ten Years after,<br />

Vaya con dios, Gotthard, Patent Ochsner und<br />

wie sie alle hiessen.»<br />

Arbeitstage mit 18 Stunden waren normal. Das<br />

vertrug sich nicht mit dem Privatleben. Nach<br />

der Trennung von seiner ersten Frau trat er<br />

eine Stelle im Werkheim Uster an. Sein Team<br />

bestand aus vier gelernten Köchen und zehn<br />

Mitarbeitenden mit geistigen Behinderungen.<br />

«Für die Stelle in der Mathilde Escher Stiftung<br />

bewarb ich mich aus den Ferien in Mallorca.»<br />

Geklappt hat es trotzdem und Markus ist<br />

seit zehn Jahren für unser leibliches Wohl zu ­<br />

ständig. Immer öfter werden Gäste in der<br />

Mathilde Escher Stiftung verpflegt. «Mit dem<br />

Catering für Anlässe haben wir im vergangenen<br />

Jahr rund 20‘000 Franken eingenommen.»<br />

Wenn Markus nach der Arbeit nach Hause<br />

kommt, dann kocht er. «Ich koche das Mittagessen<br />

für meine Frau und das Nachtessen für<br />

uns», sagt er. Von seinen beiden Kindern hat<br />

Markus vier Enkelkinder im Alter von vier<br />

Monaten bis zu vier Jahren. «Nach der Pensionierung<br />

will ich mit meiner Frau im Camper<br />

einige Monate durch Europa reisen. Danach<br />

ge hört meine Zeit den Enkelkindern.» Und<br />

natürlich wird er auch für die Kleinen kochen.<br />

Mobil sein bedeutet Lebensqualität.<br />

Unsere Reha-Spezialisten nehmen sich gerne Zeit für Sie.<br />

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