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Die neue Macht der Moral

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

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<strong>Moral</strong><br />

Markt und <strong>Moral</strong> –<br />

ein Dilemma?<br />

Spätestens seit <strong>der</strong> Finanzkrise ist<br />

verantwortungsvolles Handeln in<br />

Wirtschaftskreisen aktuell und eine<br />

Wirtschaftsethik unverzichtbar.<br />

Bedürfnisse und Wünsche sind <strong>der</strong><br />

Motor menschlichen Handelns,<br />

stellte <strong>der</strong> schottische <strong>Moral</strong>philosoph<br />

Adam Smith (1723-1790)<br />

fest. Er gilt als ein genialer lllustrator<br />

menschlicher Gefühle, ihrer<br />

Stärken und ihrer Schwächen.<br />

Wie wirklichkeitsnah, nützlich und<br />

menschlich ist Adam Smiths Ethik<br />

<strong>der</strong> moralischen Gefühle? Fundiert<br />

und unterhaltsam beleuchtet<br />

Otto-Peter Obermeier diese Aspekte<br />

in <strong>Moral</strong>isch fühlen, gierig handeln?<br />

Zur Aktualität von Adam Smiths<br />

„Theorie <strong>der</strong> moralischen Gefühle“.<br />

Darin stellt er Adam Smiths Ethik<br />

umfassend und kritisch auch im<br />

Kontext seiner Zeit und <strong>der</strong> dazugehörigen<br />

Kritik vor, knüpft Bezüge zu<br />

aktuellen Fragen und überrascht mit<br />

<strong>neue</strong>n Aspekten <strong>der</strong> Smith'schen<br />

Ethik. So diskutiert <strong>der</strong> ausgewiesene<br />

Smith-Kenner die vielen<br />

individuellen und gesellschaftlichen<br />

Paradoxa in dessen Werk, zum<br />

Beispiel die Unvereinbarkeit von<br />

menschlichem Unendlichkeitswahn<br />

und Wachstumsstreben mit unserer<br />

Sterblichkeit und beschränkten<br />

Ressourcen.<br />

Adam Smiths Theorie <strong>der</strong> ethischen<br />

Gefühle ist eine Fundgrube nicht<br />

nur für individualpsychologische,<br />

son<strong>der</strong>n auch sozialpsychologische<br />

und politische Einsichten. Klar<br />

formuliert und aufgebaut, führt das<br />

Buch erklärend in das Denken des<br />

im deutschen Sprachraum vernachlässigten<br />

Philosophen ein. Eine<br />

Pflichtlektüre für alle, die sich für die<br />

Rolle von Ethik in <strong>der</strong> Ökonomie und<br />

für die Theorie des menschlichen<br />

Zusammenlebens interessieren.<br />

ein bedeutsamer Gefühlskomplex im Menschen auf seine eigenen<br />

Belange und Interessen fokussiert. <strong>Die</strong>ser „konstitutionelle<br />

Egoismus des Menschen“, dieser im Wesen des Menschen<br />

verankerte Egoismus, wird jedoch ergänzt durch altruistische,<br />

soziale Gefühle: „Wie egoistisch wir die Natur des Menschen<br />

auch immer annehmen, es gibt Grundzüge in seinem Wesen,<br />

welche ihn am Schicksal an<strong>der</strong>er teilnehmen lassen. <strong>Die</strong>se Gefühle<br />

legen uns das Glück an<strong>der</strong>er Menschen zwingend ans<br />

Herz, obgleich wir davon nicht mehr haben, als uns am Glück<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zu freuen“ (TMS, p. 9).<br />

Der Mensch ist daher schlicht und ergreifend sehr wohl egoistisch,<br />

sprich „selfish“, daran ist nicht zu rütteln. Er ist aber<br />

auch, und daran gibt es ebenfalls nichts zu deuteln, altruistisch,<br />

sprich am Wohl an<strong>der</strong>er Menschen interessiert. Denken<br />

wir nur an unsere Kin<strong>der</strong>, Freunde, Bekannten. Wie weit<br />

dieses Interesse an an<strong>der</strong>en reicht o<strong>der</strong> reichen sollte, ob es<br />

über die eigene Nation hinausgeht, ob es sich auf die ganze<br />

Menschheit o<strong>der</strong> gar auf alle Lebewesen erstrecken soll, bleibt<br />

wohl immer eine Frage <strong>der</strong> Einsicht und unserer Möglichkeiten.<br />

Der Mensch ist also ein emotionaler Mischling mit zwei<br />

bedeutsamen Gefühlskomplexen. Zum einen wird er von seinen<br />

Egoismen beherrscht, etwa Ehrgeiz, Hab-, Erfolgs- und<br />

Reputationssucht und zum an<strong>der</strong>en von einer Vielzahl an sozialen<br />

Gefühlen, etwa <strong>der</strong> Liebe zu an<strong>der</strong>en Menschen, die man<br />

antiquiert mit Wohlwollen und Wohltun o<strong>der</strong> Nächstenliebe<br />

umschreiben kann. Mischlinge sind lei<strong>der</strong> we<strong>der</strong> bei den Philosophen<br />

noch in <strong>der</strong> realen Welt allzu beliebt. Wir lieben das<br />

Reine, die Philosophen die reine <strong>Moral</strong>, die Theologen den reinen<br />

Glauben und, trotz alledem: In uns herrscht die „unreine“<br />

Wirklichkeit unserer Bedürfnisse, Neigungen und Gefühle.<br />

3. <strong>Moral</strong> o<strong>der</strong> Unmoral? Smiths Akzeptanz und<br />

Verwerfungsschema <strong>der</strong> <strong>Moral</strong><br />

Smith glaubt auch ein „feeling“ nennen zu können, das für unsere<br />

Anteilnahme an an<strong>der</strong>en Menschen steht, nämlich Sympathie.<br />

Sympathie bedeutet Mitfühlen, Mitfreuen, Mitleiden,<br />

schlicht: <strong>der</strong> Versuch die Gefühlswelt des Mitmenschen zu<br />

„erfühlen und zu verstehen“. Denn, dass die Welt von Egoisten<br />

bevölkert wurde und wird, die rücksichtslos ihren Interessen<br />

nachjagen, war für Smith und die nicht an Realitätsverlust leidenden<br />

Zeitgenossen eine ausgemachte Sache. <strong>Die</strong> Smith'sche<br />

Sympathie spielt daher eine zentrale Rolle bei unseren ethischen<br />

Urteilen.<br />

Wenn wir das Verhalten o<strong>der</strong> Handeln von Mitmenschen als angemessen<br />

o<strong>der</strong> unangemessen, in klassischer Ausdrucksweise<br />

als gut o<strong>der</strong> böse, beurteilen, ist, erstens, die Situation, also <strong>der</strong><br />

Rahmen, in dem die Handlung stattfand, zu beschreiben und<br />

festzulegen. Dazu bedarf es, zweitens, <strong>der</strong> situativ-imaginativen<br />

Sympathie und <strong>der</strong> Vernunft. Der Beurteilende fühlt sich in<br />

80 Ausgabe 14 | November 2020 | Umweltdialog.de

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