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Die neue Macht der Moral

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

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<strong>Moral</strong><br />

Drittel als Fixgehalt (33,5 Prozent), ein<br />

weiteres Drittel als Bonus (35,6 Prozent)<br />

und ein Drittel (30,9 Prozent) als<br />

aktienkursorientierte Vergütung ausbezahlt<br />

werden. <strong>Die</strong>ser Mix führt zu skurrilen<br />

Blüten, wie Friedl in seiner Studie<br />

aufzeigte: So sanken nämlich im letzten<br />

Jahr die Gewinne <strong>der</strong> Dax-Konzern, was<br />

sich sofort auf die Boni auswirkte. <strong>Die</strong>se<br />

sanken ebenfalls um 3,5 Prozent. Zugleich<br />

wurden die Fixgehälter um 1,9<br />

Prozent und die aktienkursorientierte<br />

Vergütung um 1,2 Prozent erhöht. Wer<br />

jetzt mitrechnet, merkt: Hier wurde<br />

Geld von <strong>der</strong> einen in die an<strong>der</strong>e Tasche<br />

verschoben.<br />

Was sind die Alternativen? <strong>Die</strong> Bilanzexpertin<br />

Dr. Carola Rinker schlägt die<br />

sogenannte „Claw-back-Klausel“ als<br />

eine sinnvolle Alternative vor. Im Gegensatz<br />

zu Boni, die im Falle von Misserfolg<br />

nur entfallen, handelt es sich bei<br />

Claw-back-Klauseln um Regelungen<br />

zur Rückzahlung bereits ausgezahlter<br />

Beträge. Rinker ist überzeugt, dass die<br />

drohende Gefahr einer Rückzahlung die<br />

Manager diszipliniere. „Im Gegensatz zu<br />

Schadensersatzansprüchen erfor<strong>der</strong>n<br />

Claw-back-Klauseln keinen Nachweis<br />

des Schadens, um den Anspruch geltend<br />

machen zu können. Sie können auch<br />

beim Auftreten negativer Ereignisse anknüpfen,<br />

ohne dass dies eines persönlichen<br />

Fehlverhaltens bedarf.”<br />

Nachhaltigkeit als Erfolgsindikator<br />

Neben <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Haftung wird immer<br />

öfter auch Nachhaltigkeit zur Bemessung<br />

von Vorstandsvergütungen<br />

eingeführt. <strong>Die</strong> Idee dahinter: Anreizsysteme<br />

sollen weg vom kurzfristigen<br />

Erfolg hin zu einer langfristigeren Perspektive<br />

gesetzt werden. Vor allem Klimaschutz<br />

ist hier ein wichtiger Faktor.<br />

Zum einen, weil das über den CO 2<br />

-Ausstoß<br />

konkret messbar und damit auch<br />

nachvollziehbar ist und zum an<strong>der</strong>en<br />

natürlich, weil Klimaschutz zu den Jahrhun<strong>der</strong>taufgaben<br />

gehört.<br />

„Uns war es dabei<br />

wichtig, dass wir<br />

das Erreichen von<br />

Nachhaltigkeitszielen<br />

mit <strong>der</strong> variablen<br />

Vergütung<br />

koppeln.“<br />

Klaus Rosenfeld,<br />

Vorstandschef Schaeffler<br />

Zahlreiche Konzerne haben das Thema<br />

deshalb für sich entdeckt. „Derzeit arbeiten<br />

wir an den detaillierten Konzepten<br />

dafür und planen, die CO 2<br />

-Reduktion ab<br />

2021 in <strong>der</strong> Vergütung zu berücksichtigen“,<br />

teilte etwa <strong>der</strong> Kölner Chemie-Konzern<br />

Lanxess auf Anfrage von Business<br />

Insi<strong>der</strong> mit. Ähnliches kommt auch aus<br />

Ludiwgshafen von <strong>der</strong> BASF. Der Bayer-Konzern<br />

schreibt: „In die Entscheidungsprozesse<br />

des Unternehmens werden<br />

die Nachhaltigkeitsziele genauso<br />

integriert wie in die Vergütungssysteme<br />

des Vorstands und des Managements.“<br />

Bekanntestes Gesicht ist hier Joe Kaeser<br />

von Siemens, <strong>der</strong> ja unlängst auch Luisa<br />

Neubauer von Fridays for Future einen<br />

Sitz im Vorstand angeboten hatte. Auf<br />

<strong>der</strong> diesjährigen Hauptversammlung<br />

regte Kaeser an, Teile <strong>der</strong> Vorständsgehälter<br />

an den CO 2<br />

-Ausstoß zu binden.<br />

Und selbst <strong>der</strong> Autozulieferer Schaeffler<br />

verknüpft trotz schwerem Geschäftsumfeld<br />

die Vergütung an Nachhaltigkeitsziele.<br />

Vorstandschef Klaus Rosenfeld<br />

sagte <strong>der</strong> Deutschen Presse-Agentur am<br />

Rande <strong>der</strong> Schaeffler-Hauptversammlung:<br />

„Uns war es dabei wichtig, dass<br />

wir das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen<br />

mit <strong>der</strong> variablen Vergütung koppeln.“<br />

Dem schließt sich auch BMW-Vorstand<br />

Oliver Zipse an. Gegenüber dem<br />

BR sagte er jetzt: „Das ist wie beim Autofahren,<br />

wo Sie hinschauen, da fahren<br />

Sie auch hin, und so ähnlich wird es<br />

bei den Vergütungssystemen zumindest<br />

für alle Führungskräfte sein, dass dort<br />

die entsprechenden Nachhaltigkeitselemente<br />

drin sind. Das ist die CO 2<br />

-Zielerreichung,<br />

ob wir mit unserem Produktportfolio<br />

die Regulation schaffen, ohne<br />

Strafen zu zahlen. Wir haben einen eigenen<br />

Nachhaltigkeitsindex geschaffen,<br />

wo verschiedene dieser Kriterien, über<br />

die wir heute gesprochen haben, zusammen<br />

gefasst sind.“<br />

Aber auch Aufsichtsräte sind hier gefragt<br />

und tun klug daran, ihre eigene<br />

Nachhaltigkeitsexpertise auszubauen.<br />

Denn immer konkretere Auflagen <strong>der</strong><br />

Regulierer (EU-Kommission, EZB und<br />

BaFin) sowie die Erwartungen <strong>der</strong> Kunden,<br />

Mitarbeiter und Investoren lösen<br />

deutlichen Handlungsdruck aus. <strong>Die</strong><br />

österreichische Arbeiterkammer (AK)<br />

schlägt deshalb vor, dass in jedem Aufsichtsrat<br />

künftig ein Nachhaltigkeitsexperte<br />

sitzen sollte. <strong>Die</strong> AK ist die<br />

gesetzliche Interessenvertretung <strong>der</strong> Arbeitnehmer<br />

in Österreich. Für die meisten<br />

Arbeitnehmer besteht eine Pflichtmitgliedschaft<br />

in <strong>der</strong> Kammer.<br />

Doch wie groß ist eigentlich <strong>der</strong> Hebel<br />

von solchen CO 2<br />

-Auflagen für das Managergehalt?<br />

Der Journalist Josh Groeneveld<br />

hat am Beispiel von Joe Kaesers<br />

Gehalt das <strong>neue</strong> Siemens-Vergütungsmodell<br />

nachgerechnet: Sollte Kaeser<br />

die CO 2<br />

-Ziele des Konzerns komplett<br />

erreichen, winken ihm 540.000 Euro<br />

Prämie. Das ist aber nur ein Bruchteil<br />

seiner jährlichen Gesamtvergütung von<br />

ca. sieben Millionen Euro. Sollte er das<br />

Ziel nur in Teilen erreichen – sagen wir<br />

zu 60 Prozent – dann bedeuten das für<br />

ihn „nur“ 216.000 Euro Einbußen. Damit<br />

kann Kaeser sicher leben. Ob es das<br />

Weltklima auch kann, steht auf einem<br />

an<strong>der</strong>en Blatt Papier. Übrigens ist selbst<br />

die Frage <strong>der</strong> Zielerreichung gar nicht so<br />

einfach zu bestimmen: <strong>Die</strong> drei Nachhaltigkeitskriterien<br />

bei Siemens sind die<br />

geleisteten Lernstunden pro Mitarbeiter,<br />

Umfrageergebnissen bei <strong>der</strong> Kundenzufriedenheit<br />

und nur als dritter Punkt die<br />

tatsächliche Reduktion <strong>der</strong> Treibhausgasemissionen.<br />

f<br />

Ausgabe 14 | November 2020 | Umweltdialog.de<br />

75

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