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Die neue Macht der Moral

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

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<strong>Moral</strong><br />

Wenn das Gespräch auf<br />

Vorstandsgehälter kommt,<br />

geht es schnell hitzig zu.<br />

Unmoralisch seien die<br />

millionenschweren Bezüge<br />

und Boni. Und bei Versagen<br />

kommen die Manager mit<br />

einem goldenen<br />

Handschlag davon.<br />

Was ist dran an <strong>der</strong> Kritik?<br />

Von Dr. Elmer Lenzen<br />

Im Schnitt verdient ein Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong><br />

eines Dax-Konzerns<br />

hierzulande nur 5,3 Millionen Euro<br />

im Jahr. Nur? Richtig gelesen. Denn in<br />

an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n geht es um ganz an<strong>der</strong>e<br />

Summen. In den USA etwa kommen<br />

die CEOs <strong>der</strong> Topkonzerne im Schnitt<br />

auf knapp 19,5 Millionen Euro. 15,6<br />

prozentige Gehaltssteigerungen im Jahr<br />

sind dort üblich, aber es können im Einzelfall<br />

auch mal 881 Prozent sein, wie<br />

2016 im Fall von Expedia-Vorstand Dara<br />

Khosrowshahi. Damit verdiente <strong>der</strong> heutige<br />

Uber-Chef das 2.564-Fache seiner<br />

Mitarbeiter.<br />

Kann das noch richtig sein? Das fragen<br />

sich längst nicht mehr nur gestrenge<br />

<strong>Moral</strong>isten. Viele Menschen empfinden<br />

die Gehälter und Boni <strong>der</strong> Vorstände<br />

als unfair und ungerecht, weil Erfolge<br />

großzügig belohnt werden, aber Fehlverhalten<br />

o<strong>der</strong> Missmanagement häufig<br />

ungeahndet bleibt. Warum kehren wir<br />

also nicht zum reinen Fixgehalt zurück?<br />

O<strong>der</strong>, wenn schon Boni, dann doch bitte<br />

solche, die an Nachhaltigkeit und Klimaschutz<br />

gekoppelt sind.<br />

Alles gute Ideen, aber um hier zu Lösungen<br />

jenseits von Stammtischparolen zu<br />

kommen, muss man einen genaueren<br />

Blick auf Gehälter, Gesetze und Gewohnheiten<br />

werfen:<br />

Wachsende Kluft bei „Manager to<br />

Worker Pay Ratio“<br />

„Im Schnitt verdienen Vorstände das<br />

49-Fache ihrer Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter, im Vorjahr war es sogar<br />

noch das 52-Fache“, sagt Professor Dr.<br />

Gunther Friedl von <strong>der</strong> TU München im<br />

Tagesschau-Interview. Er ist Autor einer<br />

aktuellen Studie zu Vorstandsgehältern.<br />

<strong>Die</strong> größte Schere gab es demnach<br />

bei Zalando: <strong>Die</strong> drei Vorstände Robert<br />

Gentz, David Schnei<strong>der</strong> und Rubin Ritter<br />

erhielten 252-mal mehr als ihre Angestellten.<br />

Das erregt nicht nur die Gemüter von<br />

Angestellten. <strong>Die</strong> gewerkschaftsnahe<br />

Böckler Stiftung hat nachgerechnet:<br />

Der Volkswagen-Konzern muss alleine<br />

Christine Hohmann-Dennhardt, die gerade<br />

einmal zwölf Monate Vorstandsmitglied<br />

für Integrität und Recht war, fast<br />

12 Mio. Euro Abfindung plus 8.000 Euro<br />

Betriebsrente monatlich bezahlen.<br />

„Wir wollen Höchstgrenzen und nachhaltige<br />

Kriterien für Managergehälter“,<br />

sagt deshalb IG Metall-Chef Jörg Hofmann.<br />

<strong>Die</strong> Gewerkschaft will die Managergehälter<br />

begrenzen und stärker an<br />

den nachhaltigen Unternehmenserfolg<br />

koppeln. Mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung stoßen sie<br />

auch bei vielen in <strong>der</strong> Politik auf offene<br />

Ohren: „Freiwillige Empfehlungen<br />

wirken nicht“, sagen etwa die Grünen.<br />

„Mit den freiwilligen Empfehlungen<br />

des Deutschen Corporate Governance<br />

Kodex ist es nicht gelungen, überhöhte<br />

Managerbezüge wirksam zu begrenzen<br />

und am langfristigen Erfolg des Unternehmens<br />

auszurichten. Zurzeit steckt<br />

<strong>der</strong> Kodex in einer Krise, und seine<br />

Relevanz wird selbst von Wirtschaftsvertreter*innen<br />

hinterfragt. Wir finden:<br />

Ohne Verpflichtung wird es im Bereich<br />

Vergütungspolitik keine Bewegung geben.“<br />

Vor allem die fehlenden Sanktionen<br />

bei Misserfolg ärgern die Ökopartei:<br />

„Dazu sollen Erfolgsbeteiligungen<br />

auf ein Viertel des Gesamtgehalts begrenzt,<br />

generell langfristig ausgerichtet<br />

und immer auch durch Beteiligungen<br />

an Verlusten ergänzt werden. Bis hin<br />

zu Rückzahlungen von bereits gezahlten<br />

Boni, für den Fall, dass Ziele massiv<br />

verfehlt werden.“<br />

<strong>Die</strong> Corona-Krise macht die Diskussion<br />

beson<strong>der</strong>s heikel: Da nur etwa ein<br />

Drittel <strong>der</strong> Vorstandsgehälter an kurzfristige<br />

Geschäftszahlen gekoppelt sind,<br />

wird man „da oben“ wahrscheinlich<br />

kaum etwas von den Verwerfungen <strong>der</strong><br />

Pandemie mitbekommen. DSW-Experte<br />

Marc Tüngler plädiert im Handelsblatt<br />

deshalb für einen Gehaltsverzicht: „<strong>Die</strong><br />

Enttäuschung wird bei vielen Menschen<br />

groß sein, die durch die Coronakrise<br />

ihren Job verloren haben o<strong>der</strong> durch<br />

Kurzarbeit erhebliche Gehaltseinbußen<br />

hatten.“<br />

Einige Topmanager wie Siemens-Chef<br />

Joe Kaeser o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vorstandsvorsitzende<br />

und CEO <strong>der</strong> Wilo Gruppe, Oliver<br />

Hermes, verzichten deshalb bereits auf<br />

Teile ihres Gehaltes. <strong>Die</strong> Beträge werden<br />

gespendet. Hermes etwa zahlt in<br />

einen eigens gegründeten Wilo-Solidaritäts-Fonds<br />

ein. „<strong>Die</strong>ser Fonds soll insbeson<strong>der</strong>e<br />

den Berufsgruppen in <strong>der</strong> Wilo<br />

Mitarbeiterschaft als Prämie zu Gute<br />

kommen, die in <strong>der</strong> Corona-Krise beson<strong>der</strong>en<br />

Risiken ausgesetzt sind“, erläutert<br />

Oliver Hermes.<br />

>><br />

Ausgabe 14 | November 2020 | Umweltdialog.de<br />

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