<strong>Moral</strong> Foto: deagreez / stock.adobe.com DAS MANAGER-LEBEN IST KEIN 72 Ausgabe 14 | November 2020 | Umweltdialog.de
<strong>Moral</strong> Wenn das Gespräch auf Vorstandsgehälter kommt, geht es schnell hitzig zu. Unmoralisch seien die millionenschweren Bezüge und Boni. Und bei Versagen kommen die Manager mit einem goldenen Handschlag davon. Was ist dran an <strong>der</strong> Kritik? Von Dr. Elmer Lenzen Im Schnitt verdient ein Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong> eines Dax-Konzerns hierzulande nur 5,3 Millionen Euro im Jahr. Nur? Richtig gelesen. Denn in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n geht es um ganz an<strong>der</strong>e Summen. In den USA etwa kommen die CEOs <strong>der</strong> Topkonzerne im Schnitt auf knapp 19,5 Millionen Euro. 15,6 prozentige Gehaltssteigerungen im Jahr sind dort üblich, aber es können im Einzelfall auch mal 881 Prozent sein, wie 2016 im Fall von Expedia-Vorstand Dara Khosrowshahi. Damit verdiente <strong>der</strong> heutige Uber-Chef das 2.564-Fache seiner Mitarbeiter. Kann das noch richtig sein? Das fragen sich längst nicht mehr nur gestrenge <strong>Moral</strong>isten. Viele Menschen empfinden die Gehälter und Boni <strong>der</strong> Vorstände als unfair und ungerecht, weil Erfolge großzügig belohnt werden, aber Fehlverhalten o<strong>der</strong> Missmanagement häufig ungeahndet bleibt. Warum kehren wir also nicht zum reinen Fixgehalt zurück? O<strong>der</strong>, wenn schon Boni, dann doch bitte solche, die an Nachhaltigkeit und Klimaschutz gekoppelt sind. Alles gute Ideen, aber um hier zu Lösungen jenseits von Stammtischparolen zu kommen, muss man einen genaueren Blick auf Gehälter, Gesetze und Gewohnheiten werfen: Wachsende Kluft bei „Manager to Worker Pay Ratio“ „Im Schnitt verdienen Vorstände das 49-Fache ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Vorjahr war es sogar noch das 52-Fache“, sagt Professor Dr. Gunther Friedl von <strong>der</strong> TU München im Tagesschau-Interview. Er ist Autor einer aktuellen Studie zu Vorstandsgehältern. <strong>Die</strong> größte Schere gab es demnach bei Zalando: <strong>Die</strong> drei Vorstände Robert Gentz, David Schnei<strong>der</strong> und Rubin Ritter erhielten 252-mal mehr als ihre Angestellten. Das erregt nicht nur die Gemüter von Angestellten. <strong>Die</strong> gewerkschaftsnahe Böckler Stiftung hat nachgerechnet: Der Volkswagen-Konzern muss alleine Christine Hohmann-Dennhardt, die gerade einmal zwölf Monate Vorstandsmitglied für Integrität und Recht war, fast 12 Mio. Euro Abfindung plus 8.000 Euro Betriebsrente monatlich bezahlen. „Wir wollen Höchstgrenzen und nachhaltige Kriterien für Managergehälter“, sagt deshalb IG Metall-Chef Jörg Hofmann. <strong>Die</strong> Gewerkschaft will die Managergehälter begrenzen und stärker an den nachhaltigen Unternehmenserfolg koppeln. Mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung stoßen sie auch bei vielen in <strong>der</strong> Politik auf offene Ohren: „Freiwillige Empfehlungen wirken nicht“, sagen etwa die Grünen. „Mit den freiwilligen Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex ist es nicht gelungen, überhöhte Managerbezüge wirksam zu begrenzen und am langfristigen Erfolg des Unternehmens auszurichten. Zurzeit steckt <strong>der</strong> Kodex in einer Krise, und seine Relevanz wird selbst von Wirtschaftsvertreter*innen hinterfragt. Wir finden: Ohne Verpflichtung wird es im Bereich Vergütungspolitik keine Bewegung geben.“ Vor allem die fehlenden Sanktionen bei Misserfolg ärgern die Ökopartei: „Dazu sollen Erfolgsbeteiligungen auf ein Viertel des Gesamtgehalts begrenzt, generell langfristig ausgerichtet und immer auch durch Beteiligungen an Verlusten ergänzt werden. Bis hin zu Rückzahlungen von bereits gezahlten Boni, für den Fall, dass Ziele massiv verfehlt werden.“ <strong>Die</strong> Corona-Krise macht die Diskussion beson<strong>der</strong>s heikel: Da nur etwa ein Drittel <strong>der</strong> Vorstandsgehälter an kurzfristige Geschäftszahlen gekoppelt sind, wird man „da oben“ wahrscheinlich kaum etwas von den Verwerfungen <strong>der</strong> Pandemie mitbekommen. DSW-Experte Marc Tüngler plädiert im Handelsblatt deshalb für einen Gehaltsverzicht: „<strong>Die</strong> Enttäuschung wird bei vielen Menschen groß sein, die durch die Coronakrise ihren Job verloren haben o<strong>der</strong> durch Kurzarbeit erhebliche Gehaltseinbußen hatten.“ Einige Topmanager wie Siemens-Chef Joe Kaeser o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vorstandsvorsitzende und CEO <strong>der</strong> Wilo Gruppe, Oliver Hermes, verzichten deshalb bereits auf Teile ihres Gehaltes. <strong>Die</strong> Beträge werden gespendet. Hermes etwa zahlt in einen eigens gegründeten Wilo-Solidaritäts-Fonds ein. „<strong>Die</strong>ser Fonds soll insbeson<strong>der</strong>e den Berufsgruppen in <strong>der</strong> Wilo Mitarbeiterschaft als Prämie zu Gute kommen, die in <strong>der</strong> Corona-Krise beson<strong>der</strong>en Risiken ausgesetzt sind“, erläutert Oliver Hermes. >> Ausgabe 14 | November 2020 | Umweltdialog.de 73