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Die neue Macht der Moral

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

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<strong>Moral</strong><br />

Verantwortung,<br />

erzählt Jessica<br />

Mutter aus dem<br />

Vorstand, ist ein<br />

zentrales Thema<br />

bei Pecunia.<br />

hen mag. Das Erlebnis hat sie nicht nur<br />

krank gemacht hat, son<strong>der</strong>n misstrauisch.<br />

„Das Geld, das ich habe, übersteigt<br />

das Maß dessen, was ich für gesund<br />

halte“<br />

<strong>Die</strong> Ellwangers mussten ihr Unternehmen<br />

verkaufen, weil es angesichts von<br />

Globalisierung und Konzentration auf<br />

dem Markt keine Chance mehr hatte.<br />

Eine schreckliche Entscheidung, wie Sabine<br />

Ellwanger erzählt. Das Lebenswerk<br />

ihres Vaters! Viele Jahre fühlte sie sich<br />

schuldig, das Erbe nicht würdig vertreten<br />

zu haben, auch wenn sie heute sagt:<br />

„Im Rückblick war das die einzig richtige<br />

Entscheidung.“<br />

Ihr Vermögen war für sie lange Zeit<br />

abstrakt. Selbst nach dem Verkauf <strong>der</strong><br />

Firma, weil die Käufer klagten, das Geld<br />

drei Jahre lang auf einem Treuhän<strong>der</strong>konto<br />

festlag. „Als es dann konkret wurde,<br />

wusste ich gar nicht, was ich damit<br />

machen sollte.“ Auf jeden Fall nicht horten.<br />

„Das Geld, das ich habe, übersteigt<br />

das Maß dessen, was ich für gesund halte“,<br />

sagt sie. Sie merkte auch, dass sie<br />

das Geld nicht bei <strong>der</strong> Deutschen Bank<br />

lassen wollte. „Ich konnte das doch nicht<br />

in das Wirtschaftssystem geben, das das<br />

Unternehmen kaputt gemacht hatte!“<br />

Im Waldorfkin<strong>der</strong>garten ihrer Kin<strong>der</strong><br />

stieß sie auf einen Flyer <strong>der</strong> GLS, <strong>der</strong> Gemeinschaftsbank<br />

für Leihen und Schenken,<br />

die nach sozialen und ökologischen<br />

Kriterien arbeitet. „Gegen den Rat aller<br />

männlichen Berater und Besserwisser<br />

habe ich mein Geld da angelegt.“<br />

Sie bucht jetzt Business Class<br />

Verantwortung, erzählt Jessica Mutter<br />

aus dem Vorstand, ist ein zentrales<br />

Thema bei Pecunia. „<strong>Die</strong> Frage: Was ist<br />

meine Aufgabe in dieser Welt? Wie will<br />

ich sie verlassen?“ Oft geht es um die Erkenntnis,<br />

das unverdiente Vermögen als<br />

Chance zu begreifen: etwas nach eigenen<br />

Vorstellungen bewegen und gestalten<br />

zu können.<br />

Einige haben ihren Beruf aufgegeben,<br />

um sich, wie Ise Bosch, ganz <strong>der</strong> Stiftungsarbeit<br />

zu widmen. Auch Sabine Ellwanger<br />

gründete eine – anonyme – Stiftung,<br />

mit <strong>der</strong> sie för<strong>der</strong>t, was ihr gefällt.<br />

„Ich will Menschen unterstützen, <strong>der</strong>en<br />

Herz für eine Sache brennt.“<br />

Sophie Haupt wie<strong>der</strong>um spendet regelmäßig<br />

für drei Organisationen, die sich<br />

um Frauen und Gewaltopfer kümmern.<br />

<strong>Die</strong> Nähe und eine übersichtliche Zahl<br />

<strong>der</strong> Empfänger sind ihr wichtig. „Da<br />

kann ich noch lesen, was die mir schicken,<br />

und reagieren.“ Gerade jetzt, in<br />

Zeiten von Corona.<br />

Statt einer Villa hat Sophie Haupt sich<br />

mit ihrem Erbe Freiheit gekauft: Teilzeit<br />

zu arbeiten und sich ehrenamtlich zu<br />

engagieren, eine altersgerechte Wohnung<br />

zu kaufen – und auf dem Flug<br />

nach Südamerika für sich und ihren<br />

Partner Business Class zu buchen.<br />

<strong>Die</strong> Berliner Gruppe ist stark<br />

gewachsen<br />

Haupt gehört zu denen, die Vorgespräche<br />

mit jenen führen, die sich für Pecunia<br />

interessieren. <strong>Die</strong> Berliner Gruppe,<br />

die sich fünf, sechs Mal im Jahr trifft, ist<br />

gewachsen, von vier auf 30 Mitglie<strong>der</strong>.<br />

Inzwischen sind auch Jüngere darunter.<br />

Manche haben von den Eltern schon zu<br />

<strong>der</strong>en Lebzeiten größere Summen übertragen<br />

bekommen. Aber wenn <strong>der</strong> Vater<br />

dann sagt, das leg ich für Dich an, sagen<br />

sie oft: Nein! „Das find’ ich gut“, sagt<br />

Haupt.<br />

Eine Teilnehmerin hat bei einem Treffen<br />

von ihrer Klimastiftung erzählt, eine<br />

Anwältin über Gen<strong>der</strong>aspekte international<br />

geredet. <strong>Die</strong> nächste Generation,<br />

sagt Haupt, ist selbstbewusster in punkto<br />

Geld, legt auch an<strong>der</strong>e Kriterien an<br />

die Anlagen an. Ökologisch und sozial<br />

sollen diese sein. Keine Waffen, keine<br />

Kin<strong>der</strong>arbeit.<br />

Noch etwas än<strong>der</strong>t sich, sagt die Pensionärin:<br />

„<strong>Die</strong> jungen Leute wollen<br />

mehr Struktur.“ Früher erzählte am<br />

Anfang eines Treffen jede, was sie gerade<br />

bewegt, und oft ergab sich daraus<br />

ein Thema. „Das ist jetzt an<strong>der</strong>s.“ <strong>Die</strong><br />

Nachwachsenden wünschen sich eine<br />

straffere Organisation, auch weniger<br />

Aufwand bei <strong>der</strong> Verköstigung. Um die<br />

Vertraulichkeit zu wahren, fanden die<br />

Begegnungen bisher immer reihum zu<br />

Hause statt.<br />

„Sie sind aber großzügig“<br />

Nicht nur das Erben, auch das Vererben<br />

ist ein großes Thema bei Pecunia. <strong>Die</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> wollen es an<strong>der</strong>s machen als<br />

ihre Eltern, die nächste Generation besser<br />

vorbereiten. Sophie Haupt, die schon<br />

immer mal wie<strong>der</strong> Freunde unterstützt<br />

hat, ist gerade dabei, ihr Testament zu<br />

machen. Nicht-Verwandten kann sie<br />

20.000 Euro steuerfrei vermachen,<br />

also hat sie eine entsprechende Liste<br />

von Menschen zusammengestellt. „Da<br />

freuen sich ein paar Leute, das ist doch<br />

schön.“<br />

„Sie sind aber großzügig“, hat <strong>der</strong> Anwalt<br />

zu ihr gesagt. „Ja“, hat Sophie<br />

Haupt geantwortet. „Ich bin ja auch eine<br />

vermögende Frau.“ f<br />

70 Ausgabe 14 | November 2020 | Umweltdialog.de

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