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Die neue Macht der Moral

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

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<strong>Moral</strong><br />

Es ist selten, dass Pecunia-Mitglie<strong>der</strong><br />

überhaupt mit Journalisten reden. Alle<br />

Frauen, die in diesem Text zu Wort kommen,<br />

heißen in Wirklichkeit an<strong>der</strong>s.<br />

In <strong>der</strong> Frühzeit des Vereins hatte eine<br />

Reporterin sich bei einer Jahrestagung<br />

eingeschlichen und hinterher, wie die<br />

Frauen sagen, reißerisch, ja, hämisch<br />

darüber geschrieben.<br />

<strong>Die</strong> Armen müssen überall die Hosen<br />

runterlassen<br />

Seitdem müssen alle <strong>neue</strong>n Mitglie<strong>der</strong><br />

eine Verschwiegenheitsklausel unterzeichnen.<br />

Intern redet man sich nur mit<br />

Vornamen an. Vertrauen und Diskretion<br />

sind die wichtigsten Pfeiler des Vereins.<br />

Doch das ist schwer. Ein Pecunia-<br />

Mitglied hat mal gesagt, sich als Lesbe<br />

zu outen sei leichter für sie gewesen<br />

denn sich als reiche Frau zu outen. Es<br />

gibt Linke im Verein, die damit kämpfen,<br />

plötzlich <strong>der</strong> eigene Klassenfeind<br />

zu sein, wenn sie sich in linken Kreisen<br />

bewegen – und keiner weiß, dass sie vermögend<br />

sind. Das Schweigen, Verheimlichen,<br />

glaubt Sabine Ellwanger, „ist fatal.<br />

Weil man nicht in seiner Ganzheit gesehen<br />

wird.“<br />

Aber wie soll man noch normal leben,<br />

wenn alle wissen, dass man so viel mehr<br />

auf dem Konto hat, als man zum Leben<br />

eigentlich braucht? <strong>Die</strong> Geschichten von<br />

unglücklichen Lottomillionären, die am<br />

Ende womöglich einsam und verarmt<br />

sterben, hat man schon oft gelesen. Vor<br />

zwei Jahren verzichtete eine Amerikanerin<br />

auf ihren Lottogewinn von 560 Millionen<br />

Dollar, weil sie Namen, Wohnort<br />

Hinter dem Schweigen <strong>der</strong> Pecunia-<br />

Erbinnen steckt neben <strong>der</strong> Scham Angst:<br />

Angst vor Neid, davor, ausgenutzt und<br />

angebettelt zu werden, davor, dass<br />

Freundschaften aus <strong>der</strong> Balance geraten.<br />

Auch Angst vor Bedrohung. Als <strong>der</strong><br />

Sohn von Sabine Ellwanger einmal nicht<br />

zur erwarteten Zeit aus <strong>der</strong> Schule kam,<br />

fürchtete sie, er wäre entführt worden.<br />

In <strong>der</strong> „Bild“-Zeitung, erzählt sie, die einen<br />

einstelligen Millionenbetrag geerbt<br />

hat, hatte da gerade gestanden, sie sei<br />

500 Millionen schwer.<br />

Im geschützten Raum von Pecunia geht<br />

es um sehr intime Dinge, um Scheidungen<br />

etwa, „die oft fürchterlich sind“,<br />

wie Sophie Haupt sagt. Partnerschaften<br />

sind ein Dauerthema bei den Treffen.<br />

Einmal, erzählt Haupt, konnte nur eine<br />

einzige Frau von einer positiven Beziehung<br />

erzählen. „Ihr Mann war Wissenschaftler<br />

und hat seine Erfüllung in<br />

Foto: golubovy / stock.adobe.com<br />

Ise Bosch, das bekannteste Pecunia-Mitglied,<br />

ist eine <strong>der</strong> wenigen, die regelmäßig<br />

Interviews gibt, weil sie das als<br />

Verpflichtung betrachtet. „<strong>Die</strong> Armen<br />

müssen überall die Hose runterlassen,<br />

vor dem Amt zum Beispiel“, hat sie <strong>der</strong><br />

Zeit erklärt. „<strong>Die</strong> Reichen behalten im<br />

Normalfall die Hosen fein oben.“<br />

und Summe nicht bekanntgeben wollte.<br />

Das war die gesetzliche Bedingung, gegen<br />

die sie erfolglos klagte. Sie wusste,<br />

dass die Öffentlichkeit ihres Glücks die<br />

Lizenz zum Unglücklichsein war.<br />

Als <strong>der</strong> Sohn nicht nach Hause<br />

kommt, fürchtet sie, er sei entführt<br />

seiner Arbeit gefunden.“ Viele seiner<br />

Geschlechtsgenossen haben offenbar<br />

Schwierigkeiten damit, dass die Partnerin<br />

reicher ist als sie. An<strong>der</strong>e, ebenfalls<br />

ein Dauerthema, machen sich an<br />

Frauen ran, um an ihr Geld zu kommen.<br />

Auch Sophie Haupt hat das erlebt. Der<br />

finanzielle Schaden <strong>der</strong> Affäre hielt<br />

sich in Grenzen, „ich habe es früh genug<br />

bemerkt“. Der seelische war weit<br />

größer.<br />

„Eine schreckliche Erfahrung“, sagt<br />

Haupt, die nicht in die Details ge- >><br />

Ausgabe 14 | November 2020 | Umweltdialog.de<br />

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