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Die neue Macht der Moral

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

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<strong>Moral</strong><br />

Den eigenen Weg finden, ist nicht<br />

leicht<br />

Pecunia-Frauen fühlen sich oft überwältigt<br />

von ihrem Erbe, auf das sie nicht<br />

vorbereitet wurden, über das sie mit niemandem<br />

reden können. Nicht mit Freunden,<br />

nicht mal mit <strong>der</strong> Familie, gerade<br />

nicht mit <strong>der</strong>, nicht mit dem Partner.<br />

An<strong>der</strong>swo, in den USA beispielsweise,<br />

zeigt man, was man hat, tut Gutes und<br />

redet darüber. <strong>Die</strong> rund 140 Mitglie<strong>der</strong><br />

von Pecunia sind Lehrerinnen, Anwältinnen,<br />

Künstlerinnen, Unternehmerinnen,<br />

Sozialarbeiterinnen, hauptamtliche<br />

Philantropinnen von unterschiedlicher<br />

politischer Couleur. Bürgerlich, gebildet<br />

trifft es vielleicht am ehesten. „Unscheinbar“,<br />

sagt eine von ihnen.<br />

Bei den Jahrestagungen von Pecunia fahren<br />

die wenigsten im Porsche vor. Und<br />

wenn, so die Botschaft – ist auch das<br />

okay. „Bei Pecunia geht es um Selbstermächtigung“,<br />

hat Gründungsmitglied<br />

Ise Bosch, Enkelin des Boschgrün<strong>der</strong>s,<br />

erklärt. „Den eigenen Weg zu finden“,<br />

so beschreibt Jessica Mutter, die <strong>der</strong>zeit<br />

im regelmäßig rotierenden Vereins-Vorstand<br />

sitzt, das Ziel.<br />

Nach Angaben von Oxfam besitzen Männer<br />

weltweit 50 Prozent mehr Vermögen<br />

als Frauen. <strong>Die</strong> wie<strong>der</strong>um leisten nach<br />

Angaben <strong>der</strong> Organisation jeden Tag<br />

über zwölf Milliarden Stunden unbezahlter<br />

Arbeit im häuslichen Bereich.<br />

Frauen sind noch immer die Kümmerinnen,<br />

so das Rollenklischee. Das Bild<br />

einer reichen Frau passt da nicht rein,<br />

ja, hat fast etwas Anrüchiges. Für sich<br />

selbst und für an<strong>der</strong>e.<br />

Oft machen sie die Erfahrung, nicht<br />

ernst genommen zu werden<br />

Wie es um die Quote in Führungsetagen<br />

bestellt ist und die Gleichberechtigung<br />

bei <strong>der</strong> Bezahlung, kann man jeden Tag<br />

in <strong>der</strong> Zeitung lesen. Vielen Frauen fehlen<br />

immer noch die Möglichkeiten, ein<br />

Vermögen aufzubauen, <strong>der</strong> Umgang damit.<br />

Der Erfolg einer Finanz-Bloggerin<br />

wie Miss Moneypenny zeigt, wie groß<br />

<strong>der</strong> Nachholbedarf ist. Oft machen Pecunia-Erbinnen<br />

die Erfahrung, in <strong>der</strong><br />

männerdominierten Finanz- und Wirtschaftswelt<br />

nicht ernst genommen zu<br />

werden.<br />

Und so einfach wie auf dem Bild von<br />

Sterntaler, das sein Hemdchen aufhält<br />

und es regnet Bares rein, ist es beim<br />

Erben selten. Oft geht es um Häuser,<br />

die womöglich verschuldet und renovierungsbedürftig<br />

sind, Firmenanteile,<br />

die gebunden sind und um die gestritten<br />

wird, um verstecktes Vermögen. Erben<br />

ist ein langwieriger, komplizierter,<br />

hochemotionaler und häufig mit Streit<br />

verbundener Prozess. An dessen Anfang<br />

<strong>der</strong> Tod eines Menschen steht.<br />

<strong>Die</strong> schwäbische Unternehmerstochter<br />

Sabine Ellwanger hat das schmerzhaft<br />

erlebt. Sie war eine junge Frau, als bei<br />

ihrem Vater, zu dem sie ein enges Verhältnis<br />

hatte, ein aggressiver Tumor<br />

festgestellt wurde. Eine Woche verging<br />

zwischen Diagnose und möglicherweise<br />

tödlicher Operation, in <strong>der</strong> die Familie<br />

kaum Zeit hatte, den Schock zu verarbeiten,<br />

weil so viele Entscheidungen getroffen<br />

werden mussten. Ein paar Monate<br />

später war er tot und die 29-Jährige Betriebswirtin<br />

Mehrheitsgesellschafterin.<br />

Jetzt musste sie die Firma ihres Vaters<br />

leiten. „Anfangs hatte ich gar nicht das<br />

Gefühl, ein Vermögen geerbt zu haben,<br />

son<strong>der</strong>n nur Verantwortung“, sagt sie<br />

am Telefon.<br />

„Das steht mir doch gar nicht zu!“<br />

Sabine Ellwanger war verzweifelt. <strong>Die</strong><br />

Millionen empfand sie als Bürde. Sie<br />

war sparsam aufgewachsen, alle Erträge<br />

wurden wie<strong>der</strong> in die Firma gesteckt,<br />

die auch schwierige Zeiten erlebt hatte.<br />

Sie ha<strong>der</strong>te mit <strong>der</strong> Vorstellung, dass ihr<br />

<strong>der</strong> Reichtum in den Schoß gefallen war,<br />

wie sie erzählt. „Dafür habe ich doch<br />

nichts getan, das steht mir gar nicht zu!“<br />

Und was sollte sie damit machen? Hätte<br />

sie ihren Mann gefragt, <strong>der</strong> Landwirt ist,<br />

hätte er wohl gesagt: Kaufen wir noch<br />

ein paar Äckerle. Aber die Betriebswirtin<br />

wollte ihren eigenen Weg suchen.<br />

Erben ist ein<br />

langwieriger,<br />

komplizierter,<br />

hochemotionaler<br />

und häufig mit<br />

Streit verbundener<br />

Prozess.<br />

Dass sie ihn gefunden hat, das hat ihrer<br />

Überzeugung nach viel mit Pecunia zu<br />

tun.<br />

Das Netzwerk war für sie gerade in <strong>der</strong><br />

Frühzeit des Erbes „<strong>der</strong> einzige Raum,<br />

wo ich mich offen mit meinen Fragen<br />

zum Vermögen besprechen konnte. <strong>Die</strong><br />

Dramen, die persönliche Not. Ich merkte:<br />

Ich bin nicht allein.“ Sie schwärmt<br />

vom Respekt, <strong>der</strong> Empathie in den Gruppen,<br />

die sich mehrmals im Jahr regional<br />

und einmal bundesweit treffen und über<br />

einen Newsletter verbunden sind.<br />

68 Ausgabe 14 | November 2020 | Umweltdialog.de

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