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Die neue Macht der Moral

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

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Foto: psychoshadow / stock.adobe.com<br />

<strong>Moral</strong><br />

„Für manche <strong>Moral</strong>apostel beginnt die<br />

Gürtellinie bereits am Hals.“ An diesen<br />

Satz des österreichischen Dichters Ernst<br />

Ferstl mag sicher mancher denken, <strong>der</strong><br />

dieser Tage in den Strudel <strong>der</strong> ewig Empörten<br />

gerät. Dabei ist es völlig egal, ob<br />

man jetzt Christian Drosten heißt und<br />

eigentlich nur sachlich über eine Pandemie<br />

informieren will o<strong>der</strong> ob man als<br />

Unternehmen mit voller Absicht seine<br />

Kunden schädigt. Wenn sich daraufhin<br />

in den Sozialen Medien eine entsprechende<br />

Welle des Wi<strong>der</strong>stands aufbaut,<br />

spricht man von einem sogenannten<br />

„Shitstorm“. Der Begriff klingt zwar etwas<br />

fäkal, hat es aber mittlerweile offiziell<br />

in den Duden geschafft und wurde<br />

2011 zum Anglizismus des Jahres gekürt.<br />

Als Urheber des Begriffes bezeichnet<br />

sich <strong>der</strong> Blogger Sascha Lobo.<br />

2010 berichtete er in einem Vortrag<br />

mit dem Titel „How to survive a shitstorm“<br />

auf <strong>der</strong> Internetkonferenz re:-<br />

publica über seine eigenen leidvollen<br />

Erfahrungen. Im Jahr zuvor hatte<br />

Lobo nämlich Werbung für Vodafone<br />

gemacht. Zeitgleich erklärte <strong>der</strong> Telekommunikationskonzern,<br />

dass man das<br />

geplante Gesetz zu Netzsperren unterstütze.<br />

Lobo ist hier bekanntlich an<strong>der</strong>er<br />

Meinung. Doch Werbung auf <strong>der</strong> einen<br />

und Haltung auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite war<br />

dann ein Spannungsbogen, <strong>der</strong> vielen zu<br />

viel war. Über Lobo zog ein Sturm <strong>der</strong><br />

Empörung hinweg.<br />

Allerdings sollte man nicht den Fehler<br />

machen, bei einem Shitstorm die Opfer<br />

und Täterrollen pauschal zu verteilen.<br />

Sascha Lobo hat in einem guten Beitrag<br />

in „Spiegel Online“ ganz zu Recht darauf<br />

hingewiesen, dass viele in einer solche<br />

Situation erst mal denken: Wer mit<br />

Schmutz wirft, muss unrecht haben. Der<br />

Beworfene ist also das Opfer und die Ankläger<br />

sind eine Art digitaler Mob. Das<br />

ist auch oft so. Aber eben nicht immer.<br />

Und nicht jede Ansammlung von Kritik<br />

eignet sich, auch gleich als Shitstorm<br />

bezeichnet zu werden. Manchmal ist es<br />

schlichtweg aufgestaute Wut.<br />

<strong>Die</strong> Schweizer Social-Media-Experten<br />

Barbara Schwede und Daniel Graf definieren<br />

einen Shitstorm so: „Ungebremster<br />

Schnellball-Effekt mit aufgepeitschtem<br />

Publikum. Der Tonfall ist<br />

mehrheitlich aggressiv, beleidigend,<br />

bedrohend.“ Medien – print wie online<br />

– greifen das gern und intensiv auf.<br />

Letzteres gießt sicher weiteres Öl ins<br />

Feuer. Ein Medienereignis mit intensiver<br />

Berichterstattung. Dabei gilt die Erfahrung:<br />

Je länger <strong>der</strong> Shitstorm unwi<strong>der</strong>sprochen<br />

tobt, desto schlimmer wird<br />

er. Klug ist, wer frühzeitig einschreitet.<br />

Aber auch dabei gilt es, einiges zu beachten,<br />

denn sonst wird alles nur noch<br />

schlimmer.<br />

Warum Unternehmen oft<br />

überfor<strong>der</strong>t sind<br />

Kritik ist ja eigentlich nichts Schlechtes.<br />

Im Gegenteil. Bei einem Shitstorm<br />

kommen allerdings ein paar Dinge zusammen,<br />

die schnell zu Überfor<strong>der</strong>ung<br />

führen. Das weiß auch die Gegenseite.<br />

Wenn es also eine Kampagne ist, dann<br />

wird genau an diesen Bruchstellen angesetzt:<br />

Da ist zunächst und vor allem die schiere<br />

Masse an Posts, Tweeds und Kommentaren,<br />

die in sehr kurzer Zeit eintreffen<br />

und – seien wir ehrlich – jede Organisation<br />

von den personellen Kapazitäten<br />

her überfor<strong>der</strong>t.<br />

<strong>Die</strong> Akteure setzen dabei meist auf eine<br />

extrem aggressive und for<strong>der</strong>nde Sprache.<br />

Manchmal ist es die Art, manchmal<br />

aber auch nur ein Test, um die Kommunikationsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Betroffenen auf<br />

die Probe zu stellen.<br />

Manche Kampagnen stellen sich übrigens<br />

als Computer-Programme her- >><br />

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