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Die neue Macht der Moral

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

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Foto: Laurin Schmid<br />

<strong>Moral</strong><br />

<strong>Die</strong> Lobbyarbeit <strong>der</strong> Wirtschaft wird gerne<br />

öffentlich als <strong>Macht</strong>missbrauch kritisiert.<br />

Aber Greenpeace und Co. versuchen auch,<br />

die Politik für ihre Zwecke zu beeinflussen;<br />

das Prinzip ist gleich. Warum wird hier<br />

moralisch mit zweierlei Maß gemessen?<br />

Interessenvertretern und Politikerinnen<br />

und Politikern reduziert wird. <strong>Die</strong> Vorarbeit<br />

– Wie erklärt die Politik die Motive<br />

hinter einem Vorhaben? Wie entwickelt<br />

man als Branche Positionen dazu? Welche<br />

wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />

können die Argumente aus <strong>der</strong> Wirtschaftsperspektive<br />

stützen? Welche<br />

gesellschaftlichen Kontexte sind zu berücksichtigen?<br />

– wird ausgeblendet.<br />

Was auch viele vergessen: Am Ende<br />

sitzen nicht wir im Plenum und treffen<br />

eine politische Entscheidung, son<strong>der</strong>n<br />

gewählte Politikerinnen und Politiker.<br />

<strong>Die</strong>se müssen alle Interessen im Blick<br />

haben und daraus die bestmögliche Entscheidung<br />

treffen. Zudem sind die einzelnen<br />

Politikerinnen und Politiker Teil<br />

eines komplexen Abwägungsprozesses<br />

in ihren Parteien, Fraktionen und Koalitionen.<br />

Einsame o<strong>der</strong> einseitige Entscheidungen<br />

gibt es da nicht.<br />

Kritiker merken an, dass Wirtschaftslobbyisten<br />

sich leichter Zugang zu Politikern<br />

verschaffen können als an<strong>der</strong>e Interessenvertreter,<br />

weswegen die Anliegen ungleich<br />

gewichtet sind.<br />

Dem möchte ich wi<strong>der</strong>sprechen, denn<br />

Kapital und Ressourcen sind heute<br />

längst nicht mehr die entscheidenden<br />

Faktoren für Aufmerksamkeit und politische<br />

Wirkmächtigkeit – gerade in Zeiten<br />

von Social Media und Chat-Gruppen.<br />

Egal, ob es sich um Interessenvertretung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft, <strong>der</strong> Kirchen o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

NGOs handelt – je<strong>der</strong> hat sein spezifisches<br />

Geschäfts- und Existenzmodell,<br />

mit dem er sich auf die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

dieser Zeit einstellen muss. Darüber<br />

hinaus geht es nicht selten um kommunikative<br />

Kompetenz und Kampagnenfähigkeit.<br />

Und ich behaupte: Hier kann<br />

so manch ein Dax 30-Konzern noch viel<br />

von einigen NGOs lernen.<br />

Es geht ja am Ende um Inhalte, relevante<br />

Argumente, Dialogbereitschaft,<br />

den Willen aufeinan<strong>der</strong> zuzugehen,<br />

Gesellschaftsfähigkeit und Verantwortung.<br />

Daran müssen sich die Interessen<br />

aller Lobbygruppen messen lassen. Das<br />

ist, meiner Meinung nach, eine sehr<br />

gute Entwicklung und eine ebensolche<br />

Grundlage, um darauf basierend<br />

politische Entscheidungen treffen zu<br />

können.<br />

Weil ein Fehler gemacht wird, indem<br />

man von „guten“ und „schlechten“ Interessen<br />

ausgeht. Jedes Interesse ist aber<br />

gleichermaßen legitim, sofern es keine<br />

rechtsstaatlichen Grundsätze verletzt.<br />

Deswegen kann es auch keine guten<br />

o<strong>der</strong> schlechten Interessen geben und<br />

kein gutes o<strong>der</strong> böses Lobbying. Nur<br />

handwerklich richtig o<strong>der</strong> falsch ausgeführte<br />

Interessenvertretung.<br />

Das richtige Vorgehen ist so reflektiert<br />

wie möglich und hat den gesellschaftlichen<br />

Nutzen immer im Blick – bei<br />

gleichzeitigem Bewusstsein, dass man<br />

ein Partikularinteresse vertritt, das neben<br />

an<strong>der</strong>en Partikularinteressen steht.<br />

Es geht nicht um das stumpfe Vortragen<br />

von immer demselben Interesse,<br />

bis es sich irgendwann durchsetzt. <strong>Die</strong><br />

Politikerinnen und Politiker sind eingebunden<br />

in ein komplexes System<br />

gesellschaftlicher Gruppen, in parlamentarische<br />

und politische Abläufe, in<br />

öffentliche Debatten, und müssen alle<br />

unterschiedlichen Perspektiven berücksichtigen,<br />

bevor sie entscheiden, was<br />

gesellschaftlich am durchsetzungsfähigsten<br />

ist. Dabei ist <strong>der</strong> Absen<strong>der</strong> des<br />

Interesses zweitrangig.<br />

Da Lobbying oft moralisch negativ besetzt<br />

ist, versuchen Gruppen, die sich<br />

bewusst aus dem Feld <strong>der</strong> Interessenvertretung<br />

ausklammern wollen, nicht<br />

mit dem Begriff in Verbindung gebracht<br />

zu werden. Aber: Jede NGO, jede Kirchenorganisation,<br />

jede Gewerkschaft<br />

o<strong>der</strong> je<strong>der</strong> Sportverein ist ein Teil von<br />

Interessenvertretung, wenn es darauf<br />

ankommt.<br />

Vielen Dank für das Gespräch! f<br />

Ausgabe 14 | November 2020 | Umweltdialog.de<br />

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