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Die neue Macht der Moral

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

Wie vielfältig ist unsere Gesellschaft? Und wie halten wir es mit Ansichten, die uns nicht passen? Und wie steht es um das Verhältnis von Marken und Moral? Moral ist eine der wenigen Dinge, die jeder nur für sich selbst entwickeln kann. Zugleich ist Moral etwas, was wir vor allen Menschen, quer durch alle Kulturkreise erwarten. Galt früher der Grundsatz: Alle Menschen sind gleich, so betonen wir heute das Recht auf Anders-sein und den Schutz fragmentierter Lebensentwürfe. Das sorgt regelmäßig für Streit. Medien und Marketing tragen dabei erheblich zur Polarisierung bei: Extreme Positionen sind einfach oft spannender und damit berichtenswerter. In der aktuellen Ausgabe des UmweltDialog-Magazins beleuchten wir auf 80 Seiten zahlreiche Aspekte rund um die Frage, warum gerade heute von uns Moral und Glaubwürdigkeit eingefordert wird.

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<strong>Moral</strong><br />

und deshalb werden die Richterposten<br />

hart verteidigt. Mancher nutzt ihre<br />

<strong>Macht</strong> konstruktiv, mancher eher wie<br />

eine Abrissbirne.<br />

In den USA wird das Konzept des „Gerichtshofs<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Vernunft“<br />

(court of public opinion) schon länger<br />

angewandt, aber erst <strong>neue</strong>rdings unter<br />

dem Schlagwort „Cancel Culture“ in<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft breit diskutiert. Vorbei<br />

scheinen die Zeiten, als Dissens ertragen<br />

und von manchen sogar als bereichernd<br />

empfunden wurde und als Satire, Ironie<br />

o<strong>der</strong> Polemik noch als stilistische Instrumente<br />

gefeiert und von <strong>der</strong> Redefreiheit<br />

gedeckt wurden. Kontinuierlich wird<br />

<strong>der</strong> gesellschaftliche Diskussionsraum<br />

verkleinert, findet Malte Lehming im<br />

Tagesspiegel. In einer Welt, in <strong>der</strong> einzelne<br />

ihre „Wahrheiten“ als Glaubensartikel<br />

vor sich hertragen, sucht er nach<br />

einem Ort, an dem <strong>der</strong> Zweifel noch einen<br />

Platz hat. Der ehemalige US-Präsident<br />

Barack Obama rät allen Beteiligten<br />

zu mehr Gelassenheit: „<strong>Die</strong>se Idee <strong>der</strong><br />

Unbeflecktheit, dass ihr stets rein bleibt<br />

– lasst das schnell sein. <strong>Die</strong> Welt ist vertrackt<br />

und zweideutig. Leute, die wahrlich<br />

Gutes tun, sind nie ohne Makel.“<br />

Ich mach mir die Welt, wie sie mir<br />

gefällt<br />

<strong>Die</strong> Welt ist in <strong>der</strong> Tat vertrackt. Vernunft<br />

und Wissenschaft gelten seit<br />

alters her als probate Mittel, um hier<br />

Strukturen hineinzubekommen. Fast<br />

möchte man sagen, Vernunft dient dazu,<br />

Dingen einen Sinn zu geben, aber den<br />

finden manche Zeitgenossen heute auch<br />

in Verschwörungstheorien, Irrglauben<br />

und vor allem in <strong>der</strong> eigenen Meinung<br />

als <strong>neue</strong>m Absolutum. „Credo quia absurdum<br />

est“ (Ich glaube es, weil es absurd<br />

ist), lautete eine mittelalterliche<br />

Bekreuzigungsformel gegen die damals<br />

entstehenden Wissenschaften. Wenn<br />

heute die eine Seite ruft „Hört auf die<br />

Wissenschaften“, dann schallt es wie<br />

ein Echo von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite zurück<br />

„Credo quia absurdum est.“ <strong>Die</strong> Reihen<br />

sind fest geschlossen, die Lager klar abgegrenzt.<br />

Manche sehen als Ursache <strong>der</strong> Dauerempörung<br />

zwei gegenläufige Trends, die<br />

eben aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit<br />

den gesellschaftlichen Druck erst recht<br />

anheizen: Da ist auf <strong>der</strong> einen Seite die<br />

autoritäre Revolte <strong>der</strong> Rechten gegen die<br />

offene, liberale Gesellschaft und auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite eine Abkehr von Teilen<br />

<strong>der</strong> Linken von universalistischen Werten<br />

hin zu individuellen Identitätsmodellen.<br />

Ralf Fücks, langjähriger Leiter <strong>der</strong> Grünen-nahen<br />

Heinrich-Böll-Stiftung, zeichnet<br />

in einer lesenswerten Publikation<br />

die langen Linien <strong>der</strong> anti-liberalen Revolte<br />

von rechts nach: „<strong>Die</strong> anti-liberalen<br />

Gegenbewegungen sind ein Reflex auf<br />

die Verunsicherung durch fundamentale<br />

Verän<strong>der</strong>ungen: Globalisierung, >><br />

>><br />

Foto: REDPIXEL / stock.adobe.com<br />

Ausgabe 14 | November 2020 | Umweltdialog.de<br />

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