Grenzenlos Winter 2020

12.11.2020 Aufrufe

42Wo Geschichten zu Gast sindDas Ehrwalder Heimatmuseum im frisch renovierten Spinnhofwill nicht nur Schau-, sondern auch Denkstücke bieten.Wer waren wohl die Menschen,die einst dieses schmuckeAnwesen mit Leben erfüllthaben, den Spinnhof? In Ehrwald,mitten im Ort gelegen, beherbergt erseit Kurzem das Heimatmuseum – und obwohlzwischen den letzten Bewohnern unddem heutigen Besuch viele Jahre Abstandliegen, ist die Entfernung zwischen demGestern und dem Heute nur kurz. Was in denfrisch hergerichteten Räumen zu sehen ist,regt die Fantasie an und lässt die Gedankendurch die Zeit schweifen: Wessen Händehaben wohl diese Schranktüren schon geöffnet?Worüber haben sich die Menschenunterhalten, die auf diesen Stühlen saßen?Dazu passt die Philosophie des Museumsvereins,von der Obmann Dr. Peter L. Stegerberichtet. „Es geht uns darum, Geschichtenerlebbar und begreifbar zu machen, die unserenOrt und das Leben der früheren Generationengeprägt haben“, sagt er. Besucherdes Spinnhofs sollen leichten Schrittes eineZeitreise antreten können, die sie mit jenenzusammenbringt, die ihre Spuren hinterlassenhaben. „Es geht nicht darum, dass jemandsagt: Schau, der schöne Spiegel! Oder:Ist das eine prächtige Schnitzarbeit! Sondern,dass man sich Gedanken macht: Werhat sich wohl zuletzt diesen Kamm ins Haar

SPINNHOF EHRWALD / 43gesteckt – und vielleicht gar nicht im Sinngehabt, dass der mal in einem Museum landet.Wer war es wohl, der das Schnitzmessergeführt hat? War seine Arbeit Zeitvertreiboder hart zu verdienender Broterwerb? Washat ihn zu diesem Motiv angeregt?“Jedes Exponat wird zum ErzählstückEs ist kein Wunschdenken, dem Stegernachhängt. Da von den insgesamt rund850 Gegenständen, die das Museum besitzt,immer nur ein Teil auch ausgestellt ist, fälltdie Konzentration leicht. Fast automatischbewegen sich die Gedanken von der Oberflächein die Seele der Ausstellungsstückeund lassen den Wunsch reifen: Wenn dieerzählen könnten! „Sie können“, ist sich Stegersicher. Das ist nicht nur live im Museummöglich, sondern auch beim virtuellenRundgang im Internet, der einen Besuchauch aus der Ferne erlaubt.Ein Künstler steht im MittelpunktEine prägende Persönlichkeit im Spinnhofist ein Künstler. Clemens Krauss war derGründungsdirigent der Neujahrskonzerteder Wiener Philharmoniker, der seine letztenLebensjahre in Ehrwald verbrachteund dort auch begraben ist. Sein Nachlassberge reichlich Material für immer wiederneue Ausstellungen, so der Obmann – undmacht sich gleichzeitig schon Gedankendazu, an welche bekannten und für dieRegion bedeutenden Zeitgenossen noch imMuseum gedacht werden könne.Immer wieder neue ThemenZwei Redewendungen, miteinander kombiniert,sollen nach Stegers Überzeugung denSpinnhof und sein Museum zu einem Ortmachen, an den man immer wieder neugierigzurückkehrt: „Öfter mal was Neues“ und„Weniger ist mehr“. So wie die gezeigtenAusstellungsstücke einmal mitten im Lebenstanden, soll auch das Museum leben: „Wirwollen, dass sich regelmäßig etwas drehtin unserem Museum. Darum werden wirungefähr alle sechs Monate eine neue Sonderausstellungzeigen, die sich auf wenige,dafür aber sehr aussagekräftige Exponatekonzentriert“, sagt der Obmann. „Das bringtdie Besucher viel näher an die GeschichtenIn neuemem Glanz:der Spinnhofaus der Geschichte unserer Heimat heran,weil sich nur wenige Schaustücke die Bühneder Aufmerksamkeit teilen müssen.“ WeshalbSteger davon ausgeht, dass das Heimatmuseumsich als Anziehungspunkt fürGäste wie Einheimische entwickeln wird.Eine Mischung, von der er sich viel verspricht.Besteht dadurch doch die Chance,dass beide miteinander ins Gespräch kommenund sich Erzählungen, wie es einmalwar, zu einem sehr individuellen Erlebnis fürdie Menschen heute verbinden.Entdecker brauchen nicht in die große Weltaufzubrechen, um ihre Neugier zu stillen, sodie Botschaft des Heimatmuseums. AuchEnglish SummaryThe Ehrwald Museum of Local History,housed in the newly renovated “Spinnhof”buildings, has more to offer thansimply its exhibits: our aim is to bringto life the stories that have shaped ourhome and the lives of many formergenerations. Of the total of around850 objects in the museum’s holdings,only a fraction are ever on show at anyone time. The museum is thereforenow planning to rotate its holdingswith new special exhibitions every sixmonths, each one focussing on just afew but very important and meaningfulexhibits. The Museum of Local Historysees itself as an attraction for guestsand locals alike, and can also be visitedder Ehrwalder Mikrokosmos birgt unendlicheSchätze. Den Ehrwaldit zum Beispiel. Wiebitte? Eine sehr rare Gesteinsart ist das, vorMillionen von Jahren als geschmolzener Basaltaus dem Erdinnern nach oben gedrückt.Ein Kapitel Erd- und Ortsgeschichte, genausowie die urgeschichtlichen Funde der erstenSonderausstellung. Man möchte ans Fenstertreten und den Bergen als ewigen Zeugendes Geschehens laut zurufen: „Erzählt mirdavon!“ Gleichzeitig aber beginnt man ganzbehutsam zu überlegen, was wohl die Besucherdes Heimatmuseums anno 2520 vonuns zu sehen bekommen ...Ulrich Pfaffenbergeron a virtual online tour. One outstandingpersonality at the Spinnhof is ClemensKrauss, the founding conductor of theVienna Philharmonic New Year’s Dayconcerts, who spent the last years of hislife in Ehrwald and is also buried there.His estate contains a wealth of materialfor new exhibitions. The Ehrwald microcosm,however, itself also holds infinitetreasures. “Ehrwaldit”, for example:millions of years ago, this rare type ofrock was pushed up from the earth’sinterior as molten basalt. The museum,then, is testament not only to thepeople who have lived here, but also tothe incredible natural surroundings theyfound themselves in.

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gesteckt – und vielleicht gar nicht im Sinn

gehabt, dass der mal in einem Museum landet.

Wer war es wohl, der das Schnitzmesser

geführt hat? War seine Arbeit Zeitvertreib

oder hart zu verdienender Broterwerb? Was

hat ihn zu diesem Motiv angeregt?“

Jedes Exponat wird zum Erzählstück

Es ist kein Wunschdenken, dem Steger

nachhängt. Da von den insgesamt rund

850 Gegenständen, die das Museum besitzt,

immer nur ein Teil auch ausgestellt ist, fällt

die Konzentration leicht. Fast automatisch

bewegen sich die Gedanken von der Oberfläche

in die Seele der Ausstellungsstücke

und lassen den Wunsch reifen: Wenn die

erzählen könnten! „Sie können“, ist sich Steger

sicher. Das ist nicht nur live im Museum

möglich, sondern auch beim virtuellen

Rundgang im Internet, der einen Besuch

auch aus der Ferne erlaubt.

Ein Künstler steht im Mittelpunkt

Eine prägende Persönlichkeit im Spinnhof

ist ein Künstler. Clemens Krauss war der

Gründungsdirigent der Neujahrskonzerte

der Wiener Philharmoniker, der seine letzten

Lebensjahre in Ehrwald verbrachte

und dort auch begraben ist. Sein Nachlass

berge reichlich Material für immer wieder

neue Ausstellungen, so der Obmann – und

macht sich gleichzeitig schon Gedanken

dazu, an welche bekannten und für die

Region bedeutenden Zeitgenossen noch im

Museum gedacht werden könne.

Immer wieder neue Themen

Zwei Redewendungen, miteinander kombiniert,

sollen nach Stegers Überzeugung den

Spinnhof und sein Museum zu einem Ort

machen, an den man immer wieder neugierig

zurückkehrt: „Öfter mal was Neues“ und

„Weniger ist mehr“. So wie die gezeigten

Ausstellungsstücke einmal mitten im Leben

standen, soll auch das Museum leben: „Wir

wollen, dass sich regelmäßig etwas dreht

in unserem Museum. Darum werden wir

ungefähr alle sechs Monate eine neue Sonderausstellung

zeigen, die sich auf wenige,

dafür aber sehr aussagekräftige Exponate

konzentriert“, sagt der Obmann. „Das bringt

die Besucher viel näher an die Geschichten

In neuem

em Gla

nz:

der Spinnhof

aus der Geschichte unserer Heimat heran,

weil sich nur wenige Schaustücke die Bühne

der Aufmerksamkeit teilen müssen.“ Weshalb

Steger davon ausgeht, dass das Heimatmuseum

sich als Anziehungspunkt für

Gäste wie Einheimische entwickeln wird.

Eine Mischung, von der er sich viel verspricht.

Besteht dadurch doch die Chance,

dass beide miteinander ins Gespräch kommen

und sich Erzählungen, wie es einmal

war, zu einem sehr individuellen Erlebnis für

die Menschen heute verbinden.

Entdecker brauchen nicht in die große Welt

aufzubrechen, um ihre Neugier zu stillen, so

die Botschaft des Heimatmuseums. Auch

English Summary

The Ehrwald Museum of Local History,

housed in the newly renovated “Spinnhof”

buildings, has more to offer than

simply its exhibits: our aim is to bring

to life the stories that have shaped our

home and the lives of many former

generations. Of the total of around

850 objects in the museum’s holdings,

only a fraction are ever on show at any

one time. The museum is therefore

now planning to rotate its holdings

with new special exhibitions every six

months, each one focussing on just a

few but very important and meaningful

exhibits. The Museum of Local History

sees itself as an attraction for guests

and locals alike, and can also be visited

der Ehrwalder Mikrokosmos birgt unendliche

Schätze. Den Ehrwaldit zum Beispiel. Wie

bitte? Eine sehr rare Gesteinsart ist das, vor

Millionen von Jahren als geschmolzener Basalt

aus dem Erdinnern nach oben gedrückt.

Ein Kapitel Erd- und Ortsgeschichte, genauso

wie die urgeschichtlichen Funde der ersten

Sonderausstellung. Man möchte ans Fenster

treten und den Bergen als ewigen Zeugen

des Geschehens laut zurufen: „Erzählt mir

davon!“ Gleichzeitig aber beginnt man ganz

behutsam zu überlegen, was wohl die Besucher

des Heimatmuseums anno 2520 von

uns zu sehen bekommen ...

Ulrich Pfaffenberger

on a virtual online tour. One outstanding

personality at the Spinnhof is Clemens

Krauss, the founding conductor of the

Vienna Philharmonic New Year’s Day

concerts, who spent the last years of his

life in Ehrwald and is also buried there.

His estate contains a wealth of material

for new exhibitions. The Ehrwald microcosm,

however, itself also holds infinite

treasures. “Ehrwaldit”, for example:

millions of years ago, this rare type of

rock was pushed up from the earth’s

interior as molten basalt. The museum,

then, is testament not only to the

people who have lived here, but also to

the incredible natural surroundings they

found themselves in.

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