10.11.2020 Aufrufe

KACHEN #25 (Winter 2020) Deutsch Ausgabe

Willkommen bei KACHEN, Luxemburgs Premium Food- und Lifestyle-Magazin. Hier können Sie einen ersten Blick in das Heft werfen. Sollten Sie Interesse am gesamten Inhaltes des Heftes haben, können Sie es entweder digital oder als Papier-Magazin hier bestellen. KACHEN ist auch im Zeitschriftenhandel erhältlich.

Willkommen bei KACHEN, Luxemburgs Premium Food- und Lifestyle-Magazin.
Hier können Sie einen ersten Blick in das Heft werfen.
Sollten Sie Interesse am gesamten Inhaltes des Heftes haben, können Sie es entweder digital oder als Papier-Magazin hier bestellen.
KACHEN ist auch im Zeitschriftenhandel erhältlich.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

CHEFPORTRAIT<br />

RENÉ MATHIEU<br />

MIT PFLANZEN AN DER WELTSPITZE<br />

„Wir essen zu viel“, sagt René Mathieu. Und die Menschen<br />

gingen auch zu oft in Restaurants, fügt er hinzu: „Es ist<br />

besser, einmal im Monat in ein Restaurant zu gehen, statt<br />

jeden Tag.“ Das mögen ungewöhnliche Worte sein für einen<br />

vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichneten<br />

Koch. Aber der 59 Jahre alte Belgier ist gerne ungewöhnlich<br />

– und er ist damit auch sehr erfolgreich. Sein Restaurant<br />

„Distillerie“ in Burglinster ist vom „Guide Vert“ der<br />

Organisation „We’re Smart“ gerade als bestes Pflanzenrestaurant<br />

der Welt für das Jahr <strong>2020</strong> ausgezeichnet worden.<br />

„Es wird hoffentlich noch ganz viele andere geben, die auf<br />

diesem Weg erfolgreich sind“, sagt René Mathieu.<br />

Seit 2005 ist er Chef der „Distillerie“ und der dazugehörigen,<br />

etwas einfacheren Brasserie. Zuvor war René Mathieu<br />

drei Jahre lang Koch im großherzoglichen Palais. Dass er<br />

seit einigen Jahren zu einem der ganz großen Namen in<br />

der Welt der Pflanzen und vor allem in Sachen pflanzliche<br />

Küche geworden ist, hat auch damit zu tun, dass er seine Art<br />

des Kochens als eine moralische Verpflichtung gegenüber<br />

der nächsten Generation sieht. „Wir sind zu einer Generation<br />

des Fleisches geworden“, sagt er. Das Gleichgewicht<br />

zwischen Tieren und Pflanzen sei gestört. Intensive Landwirtschaft,<br />

zerstörte Böden, genmanipulierte<br />

Pflanzen, Klimawandel: „Das ist verrückt,<br />

was da alles passiert.“ Es sei jetzt Zeit, anders<br />

über die eigene Ernährung nachzudenken:<br />

„Man wird sich darüber klar, dass wir direkt<br />

gegen die Wand fahren.“<br />

René Mathieu ist kein Vegetarier („Ich esse<br />

gelegentlich Fleisch“) und er kann auch mit<br />

dem Begriff eines vegetarischen Restaurants nicht viel anfangen.<br />

„Wir gehen den Weg der pflanzlichen Küche ganz zu<br />

Ende“, sagt er. Das soll bedeuten: „Wir machen keine Küche,<br />

die nur Fleisch vermeidet. Das Problem mit der vegetarischen<br />

oder veganen Küche ist oft, dass sie versucht, Dinge<br />

zu ersetzen.“ Für ihn hat das nichts mit einer pflanzlichen<br />

Küche zu tun. Den Weg ganz zu Ende gehen, das heißt bei<br />

René Mathieu: Strikt lokal und saisonal kochen.<br />

Also geht er fast jeden Morgen zwei Stunden lang in Burglinster<br />

durch den Wald und über Felder, um Pflanzen zu suchen.<br />

„Ich gehe nicht weit. Malven beispielsweise wachsen<br />

hier überall. Die kommen auf den Teller.“ Wenn er gelegentlich<br />

Besuchern zeigt, was alles vor dem Schloss wächst, beispielsweise<br />

wilde Sellerie, hört er oft: „Das habe ich daheim<br />

auch im Garten. Das werfe ich immer als Unkraut weg.“<br />

René Mathieu hat die Geheimnisse der Natur von seinem<br />

Großvater, einem Jagdaufseher in den Ardennen, gelernt:<br />

„Ich hatte das lange Zeit vergessen, aber dann habe ich mich<br />

wieder daran erinnert.“<br />

„Wir wollen ein<br />

Restaurant der<br />

Muße und Erholung<br />

sein und keines, wo<br />

die Leute jeden Tag<br />

hingehen sollen.“<br />

Natürlich sammelt er nicht alles selbst, was bei ihm auf den<br />

Tisch kommt: René Mathieu kauft vieles bei den „Paniers de<br />

Sandrine“ und manches bei LetzGrow in Gonderange: „Wir<br />

wollen nicht alles kontrollieren, nicht alles selbst machen.<br />

Wir wollen die Gemüseproduzenten ermutigen, weiterzumachen.“<br />

Jedes Jahr lädt er die Lieferanten zum Essen ein,<br />

um zu zeigen, was aus ihren Produkten wird: „Meistens sind<br />

sie sehr überrascht.“<br />

Die Kunst bestehe darin, Pflanzen und Gemüse so zusammenzubringen,<br />

dass sie richtig gut schmecken. „Pflanzen<br />

sind eine Leckerei“, sagt er – und fühlt sich durch die Gäste<br />

bestätigt. Eine Karotte, eingewickelt in einem Lindenblatt<br />

– das schmecke stark. Und das funktioniere ganz ohne Gewürze<br />

aus Indien. Oder auch das Blatt der Malve, tempuraartig<br />

im Teig frittiert und die Blüte dann mit einer Crème aus<br />

fermentierten Nüssen gefüllt. „Wir wollen ein Restaurant der<br />

Muße und Erholung sein und keines, wo die Leute jeden Tag<br />

hingehen sollen“, sagt René Mathieu.<br />

Die „Distillerie“ bietet eine vollständig pflanzliche Küche<br />

an. In der Brasserie kann man allerdings, wenn man dem<br />

Geschmack von Gemüse (noch) nicht traut, auch Fisch<br />

essen. Ansonsten sind – mit Ausnahme von Kaffee, Schokolade<br />

und Zitrusfrüchten – die Regeln klar:<br />

Es wird serviert, was zu Ort und Zeit passt.<br />

„Man muss nicht das ganze Jahr über Tomaten,<br />

Erdbeeren und Spargel essen“, sagt René<br />

Mathieu.<br />

Die Corona-Pandemie habe manchen gezeigt,<br />

dass man problemlos daheim essen<br />

oder sich etwas Essen zur Arbeit mitnehmen<br />

könne. „Viele Leute essen heute zu wenig daheim, weil es<br />

zu viele Angebote gibt. Aber es ist gar nicht so kompliziert,<br />

selbst etwas zu kochen.“ Er habe den Eindruck, dass die<br />

Pandemie auch dazu geführt habe, dass seine Gäste jetzt<br />

durchschnittlich jünger seien: „Die jungen Leute kommen<br />

für das Zeichen, das wir setzen. Sie achten mehr auf den<br />

eigenen Körper.“ Aber nicht nur sie seien begeistert, sagt<br />

René Mathieu: Vor kurzem habe ihm eine sehr alte Dame<br />

mit Tränen in den Augen gesagt, sie sei sehr gerührt – sie<br />

habe sich gerade an den Geschmack eines Essens vor sehr<br />

langer Zeit erinnert. Bei ihrer Großmutter.<br />

LA DISTILLERIE<br />

8, rue du Château — L-6162 Burglinster<br />

Tel. +352 / 78 78 78 1<br />

bourglinster.lu<br />

91<br />

Dieter Ebeling<br />

Ramunas Astrauskas<br />

TEXT<br />

FOTO<br />

<strong>KACHEN</strong> No.25 | WINTER 20

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!