KACHEN #25 (Winter 2020) Deutsch Ausgabe
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EUROPA<br />
2002 ging Jens Rittmeyer nach Albufeira an die<br />
portugiesische Atlantikküste, kochte als Souschef in<br />
der „Vila Joya“ und bekam ein Jahr später das Angebot,<br />
im „Sao Gabriel“ – nur vierzig Kilometer entfernt –<br />
Küchenchef zu werden. Eckart Witzigmann riet dem<br />
damals 27-Jährigen: „Junge, kochen kannst du. Wenn du<br />
denkst, du kannst Gäste damit glücklich machen und ein<br />
Team führen, dann mach das!“ Jens Rittmeyer machte es<br />
– und holte sich seinen ersten Michelin-Stern.<br />
Fast acht Jahre verbrachte Jens Rittmeyer an der Algarve.<br />
„The time of my life” nennt der begeisterte Hobbytaucher<br />
diese Zeit. „Wenn man nur eine Minute vom Meer entfernt<br />
ist, bedeutet das schon eine große Lebensqualität. Mit<br />
dem Wissen aus Portugal kam noch einmal eine ganz<br />
andere Stilistik in meine Küche.“<br />
Davon profitierte das Restaurant Kai3<br />
(Hotel Budersand) auf Sylt, seine nächste<br />
Station 2010. Dort erkochte er sich mit<br />
seinem Team erneut einen Michelin-Stern.<br />
Vor vier Jahren betrat Jens Rittmeyer<br />
wieder einmal Neuland: als Küchenchef<br />
und gastronomischer Leiter des<br />
Restaurants No.4 des Navigare NSBhotels<br />
in Buxtehude bei Hamburg. – Buxtehude?<br />
Das stieß anfangs auf Unverständnis. Ein so renommierter<br />
Sternekoch in der Provinz? Doch Rittmeyer war begeistert<br />
von der Umgebung. Das Alte Land mit seinem tollen Obst<br />
und Gemüse hatte es ihm sofort angetan. Vor allem auch,<br />
weil sein neuer Arbeitgeber ihm völlig freie Hand ließ. 2017<br />
gab es dann auch hier einen Michelin-Stern. Mit seiner<br />
raffinierten, aber schnörkellosen und gemüsebetonten<br />
Küche sowie erstklassigen Saucen konnte er schnell viele<br />
Feinschmecker-Herzen erobern.<br />
Außerdem überrascht er seine Gäste mit immer neuen<br />
Ideen: Seit drei Jahren findet z. B. das Farm-to-Table-<br />
Dinner direkt am Feldrand statt. Die Idee: An einigen<br />
Sommertagen dort ein Menü zu kochen und zu servieren,<br />
wo die Zutaten wachsen. Mit der Landwirtin Kerstin<br />
Hintz vom Biohof Ottilie hat Jens Rittmeyer die perfekte<br />
Erzeugerin gefunden. Vom Gemüsebeet direkt auf den<br />
Teller – frischer geht es nicht.<br />
Jens Rittmeyer hat sich in Buxtehude verstärkt auf<br />
besondere Gemüsezubereitungen – auch mit alten Sorten<br />
wie Haferwurzel – spezialisiert, kocht regional und<br />
saisonal. Die Gäste danken es ihm. Auf vielfachen Wunsch<br />
gibt es extra einen Zwischengang nur mit Brot und Sauce.<br />
Nicht umsonst wird er hier auch der Saucengott genannt.<br />
Wie oft hatte Jens Rittmeyer den Satz „Schade, dass man<br />
ihre Saucen nicht kaufen kann“ gehört! Auf Sylt konnten<br />
seine Gäste die Saucen schon provisorisch abgefüllt in<br />
„Junge, kochen<br />
kannst du. Wenn<br />
du denkst, du<br />
kannst Gäste damit<br />
glücklich machen<br />
und ein Team führen,<br />
dann mach das!“<br />
Gläsern ohne Etikett mitnehmen. In Buxtehude hatte<br />
er nun endlich die Gelegenheit, seine Köstlichkeiten<br />
im großen Stil herzustellen. Mittlerweile kann man<br />
mehr als ein Dutzend seiner verschiedenen Saucen im<br />
Internet bestellen. „In den letzten drei Wochen habe<br />
ich 1200 Gläser à 200 ml befüllt“, erklärt er. Auch seine<br />
Saucenkochkurse erfreuen sich großer Beliebtheit und<br />
sind im Nu ausgebucht.<br />
Der Mann ist ein Workaholic und arbeitet fast rund um die<br />
Uhr. Doch davon merkt man nichts, wenn man ihn trifft.<br />
Im Gegenteil: Er ist entspannt, locker und humorvoll.<br />
„Ich bin froh, dass unsere Stammgäste uns auch in<br />
diesen schwierigen Zeiten die Treue halten“, sagt er.<br />
Krisenbedingt wurde das Restaurant-Konzept geändert.<br />
„Wir haben nur noch an wenigen Tagen<br />
geöffnet und versuchen, den Abend für<br />
die Gäste noch persönlicher zu gestalten.<br />
Dazu gehören auch Informationen über<br />
die Produkte oder ihre Zubereitung. Und<br />
die Leute sind dankbar.“<br />
Anfang 2019 hat Jens Rittmeyer mit<br />
seinem Team entschieden, dass es<br />
keine vorgefertigte Karte im Netz gibt<br />
und sie vorab keine Menüfolge mehr<br />
an die Gäste verschicken. Die Stammgäste fanden das<br />
Farm-to-Table-Konzept mit dem Überraschungsmenü<br />
so gut, dass sie darum baten, es auch im Restaurant<br />
anzubieten. „Im Moment servieren wir nur noch<br />
Überraschungsmenüs“, erklärt der Sternekoch. „Dass<br />
diese Idee so gut angenommen wird, hätten wir nie<br />
gedacht. Die Erwartungshaltung der Gäste ist dadurch<br />
eine ganz andere. So lernen sie unvoreingenommen ganz<br />
neue Produkte und Gerichte kennen.“<br />
Ein weiterer Pluspunkt: Die Küche kann sehr flexibel sein<br />
und zum Beispiel verschiedene Gemüse gegeneinander<br />
austauschen. Das hat Rittmeyer in Portugal gelernt. „Ich<br />
koche gern im John-Wayne-Stil, was manchem Mitarbeiter<br />
den Schweiß auf die Stirn treibt. Ich improvisiere gern<br />
und sage dann: „Entspannt euch, wir werden schon etwas<br />
Leckeres hinbekommen.‘“<br />
Wie sehen seine nächsten Pläne aus? „Ich hätte<br />
irgendwann gern einen eigenen Laden“, gesteht er. „Eine<br />
Art Shop in Shop mit Delikatessen im Vordergrund,<br />
vielleicht auch mit einem Snack to go, dann einen<br />
hinteren Raum vor einer gläsernen Küche mit zwei, drei<br />
Tischen, wo man Rittmeyers Küche genießen kann. Doch<br />
im Augenblick bin ich sehr zufrieden.“<br />
www.jens-rittmeyer.de<br />
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<strong>KACHEN</strong> No.25 | WINTER 20