RESTAURANTPORTRAIT L’ANNEXE EIN PROJEKT MIT WEIBLICHEM TOUCH Dieter Ebeling Ramunas Astrauskas 104 T E X T FOTOS Alles lief bestens. Anfang 2019 hatte Kim Mathekowitsch das Restaurant „L’Annexe“ mitten in der luxemburgischen Hauptstadt übernommen. Sie hatte die Speisekarte anspruchsvoller und gastronomischer gemacht, den Service noch aufmerksamer, die Équipe in der Küche verstärkt und reichlich neue Kundschaft gewonnen. Doch der Höhenflug des kulinarischen Startups fand vorläufig ein jähes Ende: „Dann kam Corona“, sagt Kim Mathekowitsch. Sie schaut auf die gut besetzte Terrasse, die gerne als eine der schönsten in der Stadt bezeichnet wird. „Wir waren gerade am Fliegen, da wurden wir wie ein Vogel abgeschossen“, sagt sie. Die 35-Jährige hat schon zu viel unternommen, um in Selbstmitleid zu zerfließen. Begonnen hat sie mit einem Master für Finance, Accounting and Controlling. „Steuerstrukturierungen“ waren ihr Thema, eine „steile Karriere“ machte sie nach der Universität. Dann, vor sieben Jahren, stieg sie aus. Mit einem Partner gründete sie auf Mallorca eine Firma für hochpreisige Yachtvermietungen, entwarf den Businessplan dafür. Sie designte das Innere der fünf Yachten, auch „schwimmende Boutiquehotels“ genannt, und die dort aufgetischten Speisen. 2018 machte sie dann im Institut Paul Bocuse den Bachelor in Art de Table – in Rekordzeit: „Ich musste denen ja nicht mehr zeigen, dass ich rechnen kann.“ Nicht nur die Yachten in Mallorca haben das Corona-Jahr <strong>2020</strong> („Ich habe ziemlich viel Geld verloren.“) schlecht überstanden, auch im „L’Annexe“ geht es um die Existenz: „Wir kämpfen auch hier. Aber ich denke, dass wir es schaffen.“ Jeder in der luxemburgischen Gastronomie kämpfe ums Überleben. Allerdings ist ihr Restaurant noch ganz neu auf dem Markt („Hinter uns steht keine große Bank“), die hohe Miete muss bezahlt werden und auch das Personal in den Monaten, in denen es praktisch keinen Umsatz gab: „Wann die staatlichen Hilfen ankommen, wissen wir noch nicht.“ Die Herausforderung ist groß: „Das ist ganz meins. Hier bin ich alleine verantwortlich.“ Im Juni 2007 hatte Arnaud Magnier das Restaurant als „Annexe“ seines edlen „Clairefontaine“ eröffnet: Mit Tagesgerichten für 11,50 (später 13 Euro) ging er auf den Markt – darunter die Klassiker Bouchée à la reine, Cordon bleu oder Tartare de bœuf. Ein paar Jahre später trennte er sich vom „Annexe“. Aber bis zur Übernahme durch Kim Mathekowitsch gab es diese Tagesgerichte noch für 13 Euro. Abgesehen vom Tartare („Das kann man hier einfach nicht streichen“) gibt es das alles jetzt nur noch während „Ich wollte, dass das ein Restaurant wird, wo man sich selbst eine Freude bereitet.“ der „klassischen Wochen“, die alle drei Monate auf dem Programm stehen. „Die Rechnung, für 13 oder 15 Euro ein Tagesgericht anzubieten, kann hier nicht aufgehen“, sagt sie. „Bistros, wo man schnell etwas essen kann, gibt es genug in der Umgebung.“ Das „L’Annexe“ auf dem Plateau Saint Esprit sei „eine besondere Adresse“, findet Kim Mathekowitsch. Deswegen müsse auch die Küche besonders sein. „Ich wollte, dass das ein Restaurant wird, wo man sich selbst eine Freude bereitet.“ Das zweigängige Mittagsmenü kostet jetzt 27 Euro – aber zur Überraschung der Eigentümerin steht das auch mittags gar nicht mehr im Mittelpunkt. Die Gäste wollen mittlerweile auch mittags – wie zuvor nur abends möglich – à la carte essen. „Das ist verrückt, aber schön“, sagt Kim Mathekowitsch. Küchenchef Cristi Badea, zuvor die Nummer zwei in der Küche Léa Linsters, zeichnet für anspruchsvolle Hauptgerichte zwischen 29 und 42 Euro sowie für ein Menu Découverte für 65 Euro verantwortlich. Die Eigentümerin bringt gerne Tomaten, Kürbisse, Quetschen und Mirabellen aus dem väterlichen Garten auf dem Kirchberg mit in die Küche. Äpfel wachsen in ihrem Garten, Kirschen bei Freunden: „Wir probieren wirklich, das auszuschöpfen, was wir auch selbst anbauen.“ „Wenn Corona nicht gewesen wäre, dann würde meine Rechnung, mein Businessplan, brillant aufgehen“, sagt Kim Mathekowitsch. „Vor Corona hat es hier vibriert, da saßen hier Gäste aus verschiedenen Ländern.“ Im Januar gab es 5.000 Buchungsanfragen eines Reiseveranstalters aus Südkorea für das Jahr <strong>2020</strong>: „Die finanziellen Folgen sind offensichtlich.“ „Aus einer Krise ergeben sich immer neue Chancen und Möglichkeiten“, spricht sie sich Mut zu. „Ich bin froh, wieder in meiner Heimat zu sein und Luxemburgisch zu reden. Man muss den Markt auch fühlen.“ Von Resignation keine Spur: Kim Mathekowitsch würde gerne mit einem Partner ein neues Restaurantprojekt beginnen. Nicht gerade mitten in der Stadt: „Ich bin Unternehmerin. Und ich habe Lust auf mehr.“ L‘ANNEXE 7, rue du St Esprit — L-1475 Luxemburg Tel. +352 / 26 26 25 07 lannexe.lu <strong>KACHEN</strong> No.25 | WINTER 20
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