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Nachhaltig KULTUR JOKER 25

Jeden Tag 20.000 Autos

Das Projekt „Blühende Industriegebiete“ offenbart Schwächen im Industriegebiet Freiburg Nord

Obwohl Freiburg in Sachen Auto

deutschlandweit einmalig gut dasteht

und bei der Verteilung des Verkehrsaufkommens,

dem sogenannten

„Modal Split“, nur einen Anteil von

21 Prozent Autoverkehr hat, sieht es

im Industriegebiet Freiburg Nord

vollkommen anders aus. 15.000

Menschen arbeiten dort, 80 Prozent

kommen mit dem Auto. Inklusive

Liefer- und Einkaufsverkehr fahren

täglich 20.000 Kraftfahrzeuge. Das

Podiumsgespräch „Transformation

vom Industriegebiet zum Green Industry

Park“, das die Freiburger Innovation

Academy zum Abschluss

ihres Projekts „BIG: Blühende Industriegebiete“

am 25. September

veranstaltete, offenbarte die Problematik:

Es fehlt an vernünftigen Alternativen.

Die Linie 4 beispielsweise endet

derzeit an der Messe. Die Weiterführung

über das neue FWI-Gelände mit

Ringschluss in Gundelfingen würde

Pendlern aus dem Norden den Umstieg

auf den öffentlichen Verkehr

deutlich erleichtern. Heute müssen

sie bis zum Hauptbahnhof fahren,

um dann mit der Straßenbahn zurück

ins Industriegebiet zu kommen. Der

Verkehr ist dabei nicht nur ein zentraler

Klimafaktor, er beansprucht

auch immense Flächen: Rund 56

Hektar sind im Industriegebiet bereits

in Parkplätze verwandelt worden.

Davon abgesehen offenbarte das

Langzeitprojekt die große Bereitschaft

der Unternehmen, etwas für

den Erhalt der Biodiversität zu tun.

Seit Sommer 2018 hat die Innovation

Academy mit 58 Auszubildenden

von der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung

Freiburg, dem Energieversorger

badenova, der Freiburg

Wirtschaft Touristik und Messe

GmbH und dem Autozulieferer

TDK-Micronas nach Möglichkeiten

gesucht, auf dem jeweiligen Firmen-

Exkursion zur Badenova

gelände die Artenvielfalt zu verbessern.

Die einen haben anstelle einer

Bambusmonokultur Blütenstauden

und heimische Sträucher gepflanzt,

andere haben mit Hochbeeten Urban

Gardening auf dem Betriebsgelände

verwirklicht, wieder andere den

englischen Rasen in eine blühende

Wiese verwandelt.

So erfreulich diese Ergebnisse

sind, die Abschlussveranstaltung hat

gezeigt, dass Freiburg bei zentralen

Fragen erst am Anfang steht. Weitere

Infos: www. bluehende-industriegebiete.de

Horst Hamm

Flächenverbrauch und Autoverkehr möglichst reduzieren

Jan Otto zur Verkehrsproblematik im Industriegebiet Nord

Kultur Joker: Herr Otto, ins

Industriegebiet Freiburg-Nord

fahren täglich 20.000 Autos. Wie

lässt sich die Situation verbessern?

Otto: Zunächst müssen wir die

Frage klären, warum die Menschen

mit dem Auto kommen.

Fehlt die ÖPNV-Anbindung?

Oder fahren gerade dann keine

Busse und Bahnen, wenn Schichten

enden oder beginnen? Der

ÖPNV muss so gestaltet werden,

dass das passt.

Kultur Joker: Was halten Sie

von einer Weiterführung der

Stadtbahntrasse 4 mit Ringschluss

in Gundelfingen?

Otto: Es ist tatsächlich unattraktiv

mit dem ÖPNV aus

dem Norden ins Industriegebiet

Freiburg-Nord zu kommen. Ein

Ringschluss an sich ist sicherlich

sinnvoll, Freiburg hat aber wie

alle Kommunen nicht unendlich

viel Geld. Wir ertüchtigen deshalb

gerade den Radweg, damit

sich die Leute zutrauen, aufs Rad

umzusteigen. Und die Autofahrer

von außerhalb könnten zum

Park & Ride-Platz im Norden

von Zähringen fahren und von

dort die öffentlichen Angebote

nutzen.

Kultur Joker: Ein großes Problem

ist der Flächenverbrauch

durch ebenerdige Parkplätze

wie jetzt beim neuen SC-Stadion

in Sichtweite der Messe. Wäre da

nicht eine begrünte Hochgarage

für beide die bessere Lösung gewesen?

Otto: Vollkommen richtig! Die

Parkplätze beim Stadion werden

alle zwei Wochen für rund vier

Stunden gebraucht, mehr nicht.

Kultur Joker: Können Sie sich

zu ebenerdigem Parken eine Initiative

im Gemeinderat vorstellen?

Otto: Wir haben bereits Verschiedenes

versucht. Aber die

Bodenpreise im Industriegebiet

sind einfach zu niedrig, um den

Anreiz zu bieten, beim Parken

in die Höhe zu gehen. Wenn

man die Flächenversiegelung

in der Rechnung mit abgebildet

hätte, dann hätte sich diese Art

der Landschaftszerstörung ganz

schnell erledigt.

Kultur Joker: Herr Otto, wir

danken Ihnen für das Gespräch.

Jan Otto ist seit 2019 für

Bündnis 90/Die Grünen Mitglied

im Freiburger Stadtrat

Foto: promo

„Oft bedarf es nur eines leichten Anstoßes“

Alexander Bonde zum Ziel, Wirtschaft und Artenschutz unter einen Hut zu bekommen

Foto: promo

Kultur Joker: Herr Bonde, die

DBU hat das Projekt „Blühende

Industriegebiete“ gefördert. Was

ist dabei herausgekommen?

Bonde: Das Bildungsprojekt

hatte zum Ziel, junge Menschen

weiterzubilden und das Industriegebiet

Freiburg Nord naturnaher

zu gestalten. Beides ist sehr erfolgreich

gelungen! Besonders erfreulich

finde ich, wie interessiert

die Unternehmen an der Potenzialanalyse

und den Kartierungen

waren. Sie wissen jetzt, dass

Eidechsen, Brutvögel und Wildbienen

auf ihrem Gelände vorkommen

und wollen diese Arten

bei ihren zukünftigen Planungen

berücksichtigen. Damit wurde das

Projekt zum Modell für andere Industriegebiete.

Wie groß das Potenzial

allein in Baden-Württemberg

ist, lässt sich daran ermessen,

dass ein Prozent der Landesfläche

aus Industrie- und Gewerbegebieten

besteht. Das entspricht ungefähr

50.000 Fußballfeldern.

Kultur Joker: Wie teuer ist es

für Unternehmen, in dieser Richtung

aktiv zu werden?

Bonde: Das muss überhaupt

nicht teuer sein: Eine Blühwiese

anzulegen, war mit wenigen

hundert Euros umzusetzen.Einen

Außensitzplatz für eine Kantine

mit einer GreenCity Wall mit

tausenden Pflanzen zu erweitern,

ging dagegen in Richtung 200.000

Euro, wobei die Erweiterung früher

oder später ohnehin gekommen

wäre, aber eben nicht mit

einer derartigen Begrünung.

Kultur Joker: Müsste nicht jedes

Unternehmen Abstandsgrün

Alexander Bonde, seit 2018

Generalsekretär der Deutschen

Bundesstiftung Umwelt (DBU)

Foto: promo

in Blühstreifen verwandeln?

Bonde: Klimawandel und Artenrückgang

zwingen uns zu

einem grundlegenden gesellschaftlichen

Wandel, wobei sich

Klimaanpassungen und Artenschutz

gut vereinen lassen. Bäume

könnnen als Schattenspender und

zur Kühlung wichtig sein. Dachund

Fassadenbegrünung haben

ähnliche Effekte. All das dient

immer auch dem Artenschutz.

Kultur Joker: Herr Bonde, wir

danken Ihnen für das Gespräch.

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