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22 KULTUR JOKER interview
Lektüre für prickelnde Momente und gegen Einsamkeit
Die Buchmesse hat dieses
Jahr weitgehend digital stattgefunden,
was uns glücklicherweise
nicht am Lesen von
Büchen hindert, etwa denen
von Olga Tokarczuk; für ihre
„erzählerische Vorstellungskraft“
wurde ihr der Nobelpreis
für Literatur zuerkannt.
Beeindruckt hat die Jury u.a.
ihr Text „Unrast“, der sich mit
dem Reisen und Nomadentum
des modernen Menschen
befasst, und das „Dazwischen“
sowie den „namenlosen
Ort“ als Metapher für
unsere Welt begreift. Tokarczuks
Vorlesungen zur Preisverleihung,
veröffentlicht in
in dem sanftmütig schlichten
Buch „Die verlorene Seele“.
Wie sehr Übersetzer auch
dazu beitragen, unseren
Wortschatz aufzufrischen,
das zeigt die witzige Neuübertragung
des französischen
Klassikers „Zazie dans le
Philosophische Gedankensplitter,
meist Aphorismen
genannt, haben Tradition, von
Lichtenberg über Schopenhauer
bis Franz Kafka. Letzterer
hat einst zwei apodiktische
Sätze formuliert, die
es in sich haben: „Du bist die
Aufgabe. Kein Schüler weit
und breit”. Unter diesem Titel
hat der Experte Reiner Stach
die erste kommentierte Ausgabe
von Franz Kafkas Aphorismen
ediert, deren Lektüre
zum Innehalten bringt, wenn
es etwa heißt: „Alle menschlichen
Fehler sind Ungeduld,
ein vorzeitiges Abbrechen
(…)“.
dem Band „Der liebevolle
Erzähler“, enthalten u.a. den
eindrücklichen Essay „Wie
Übersetzer die Welt retten“.
Hier entfaltet sie im historischen
Rückblick, wodurch
der intellektuelle Reichtum
der Antike vor barbarischen
Angriffen bewahrt wurde und
was die Zivilisation der arabischen
Abbasiden-Dynastie
sowie der Übersetzerschule
von Toledo zu verdanken hat.
Übersetzer verbinden Menschen
durch „Sprachen, aber
auch über Sprachgrenzen
hinweg“. Tokarczuk ist stets
Gesellschaftskritikerin, sogar
métro“ von Raymond Queneau
(1903–1975) durch Frank
Heibert. In diesem geht es um
die 13-jährige Göre Zazie, die
mit ihrer Mutter, die in Paris
einen Liebhaber treffen will,
in die französische Hauptstadt
kommt und ihrem Onkel
Gabriel übergeben wird.
Dieser erweist sich nicht,
wie behauptet, als Nachtwächter
von Beruf; vielmehr
tritt er in einem Kabarett als
„danseuse de charme“ auf,
ist aber verheiratet. Das entfacht
die Neugierde von Zazie,
die ihren Onkel piesackt,
um herausbekommen, ob er
„hormosessuel“ ist, ohne zu
wissen, wovon sie spricht. Da
Zazie unbedingt Metro fahren
will, doch diese bestreikt
wird, gerät sie definitiv
zur Nervensäge, was voller
Sprachspiele erzählt wird.
Barleben-Handspielpuppen
79098 Freiburg, Fischerau 24,
Mo-Sa 10:00-18:00
Katharina Hacker, bekannt
durch ihren Roman „Die Habenichtse“,
legt mit dem kleinen
Buch „Darf ich dir das
Sie anbieten?“ eine Reihe minimalistischer
Sentenzen vor,
„Minutenessays“ genannt,
die allesamt der Anfang einer
Geschichte sein könnten. Wie
ein Notizheft versammelt es
feine, kluge Beobachtungen
und Gedanken zu Freundschaft,
Kindern, Wohlwollen,
Streit, Phantasie u.a. Hier
werden Sachverhalte, die eine
nachdenkliche Strecke durchlaufen
haben, in knappen Sätzen
schwerelos verdichtet, sodass
blitzartig eine neue Perspektive
entsteht, ein Blick in
ungeahnte Fernen – und Platz
für eigene Gedanken.
Peter Handke hat sein
Schaffen einmal in die Worte
gefasst „Wer sagt denn, dass
die Welt schon entdeckt ist?“
Mit dieser Überschrift sind
fünf seiner wichtigen Prosawerke
neu ediert worden,
darunter „Die Angst des
Tormanns beim Elfmeter“,
„Wunschloses Unglück“ und
„Versuch über den geglückten
Tag“. Handke befasst sich
seit den 1960er Jahren mit der
Wahrnehmung von Alltäglichem
und Randständigem,
wie u.a. seine Journale belegen.
Unverkennbar ist die
Poetik dieses Schreibens,
doch liegt jedem seiner rund
70 Werke ein eigenes literarisches
Verfahren zugrunde,
was sich zuletzt in „Das zweite
Schwert“ zeigt.
Wie Christa Wolf die Zeit
von 1989/90 reflektiert hat,
lässt sich durch den Band
„Umbrüche und Wendezeiten“
erfahren, er enthält
Interviews, Reden und Essays,
die Hoffnungen und Niederlagen
in den letzten Jahren
der DDR bezeugen. Im Zuge
der Wende war Christa Wolf
kurzzeitig auf der politischen
Bühne präsent, musste aber
bald kapitulieren. Doch es gab
noch glückliche Momente, so
die Vortragsreihe „Nachdenken
über Deutschland“, wo
sie mit Walter Jens, Hans Mayer,
Lew Kopelew u.a. über
die Zukunft einer möglichen
Einheit nachdachte.
Als Meister der Verknappung
erweist sich Hans Magnus
Enzensberger mit seinem
Gedichtband „Wirrwarr“,
dem hintersinnige Bilder von
Jan Peter Tripp eine zusätzliche
Dimension verschaffen.
Es ist ein Vergnügen, ihm auf
seiner stets mit ironischem
Abstand vollbrachten Tour
durch den „Wirrwarr“ des
Lebens zu folgen und bei den
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freiburg
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