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KULTOUR KULTUR JOKER 19
Der Autor Philipp Blom Foto: Bogenberger Autorenfotos
Dass uns die vertraute Welt
langsam abhanden kommt, ist
in den Augen des Historikers
nicht erst seit Corona der Fall.
Doch könnte diese Krise möglicherweise
eine Generalprobe
für viel größere, gewaltigere
Umwälzungen sein. An CO-
VID-19, sagte Blom in einem
Interview nach Veröffentlichung
seines Buches, interessiere ihn,
dass das Virus „kein lösbares
Problem“ sei. Ein Weg müsse
gefunden werden, sich mit dem
Rest der Natur, deren Teil wir
nun einmal sind, „intelligent zu
arrangieren“. Die Pandemie sei
nur ein Symptom für viel größere
Probleme, eben auch ein
Zeichen dafür, dass es mit der
Herrschaft des Menschen über
die Natur an ein Ende komme.
Es müsse doch zu denken geben,
„dass ein kleiner blöder Virus
von einem Wet market irgendwo
in China die höchst entwickelten
Gesellschaften der Welt innerhalb
von wenigen Tagen völlig
lahm legen kann“. Wenn er,
Blom, die klimatischen Auswirkungen
des Raubkapitalismussystems
anspreche, bekomme er
zu hören: „Ja, tut uns schrecklich
leid, ist schon tragisch. Aber
man kann nichts dran machen,
die Wirtschaft muss weitergehen.“
Natürlich, doch eben
ganz anders, mit einem neuen,
besseren Ökonomieverständnis
wie bisher. Jetzt sehe man ja auf
einmal, dass Staaten durchaus
die Notbremse ziehen können.
Doch Philipp Blom ist leidenschaftlicher
Mahner und
Mutmacher zugleich. Sein Essay
ist ein flammendes, mitreißendes
Plädoyer für eine große,
weltweite Veränderung, in dem
Politisches und Privates, Historisches
und Visonäres in einen
Denkprozess eingebunden sind.
Nur eine einschneidende Veränderung
könne noch verhindern,
dass, in Bloms Worten, „unser
Planet zur Weltbühne eines
apokalyptischen Schauspiels
ohne Publikum wird“. Die Bühne
brauche ganz andere Figuren
und Geschichten, um eine neue
Wirklichkeit zu beschreiben
und Haltungen zu stärken, die
dieser Wirklichkeit angemessen
sind. Noch ließen sich nicht
diejenigen Figuren erkennen,
die einmal eine Schlüsselrolle
spielen könnten, aber gerade
in der jüngsten Vergangenheit
rekrutiere sich ein ganzer
Schwung neuer Akteure auf der
Weltbühne. Es hat sich schon
längst gezeigt, dass das demokratische
Projekt der Moderne
zum Gegenstand neuer sozialer
Konflikte werden wird.
Mit Optimismus alleine und
einem „Weiter so!“ kann es
keine Veränderung, kein Weiterkommen
mehr geben. Zumal
nicht mit einer Politik, die
in ihrer Verquickung mit der
Wirtschaft immer noch festhält
an der entleerten Formel
vom ewigen Wachstum. Eines
Fortschritts, der vor nichts Halt
macht, der Sicherheit und Wohlstand,
vor allem den Reichtum
von nur Wenigen garantieren
soll. „Politische Clowns und
Entertainer in internationalen
Führungspositionen sind die
logische Konsequenz einer Zivilisation,
deren Imagination
längst vermarktet wurde und
von kommerziellen Interessen
bewirtschaftet wird wie ein
Acker Kohl, einer Gesellschaft,
in der Celebrities die Helden
der gemeinsamen Geschichte
sind. ... Je stärker die disruptiven
Effekte des Klimanotstands
werden, desto größer wird das
Bedürfnis nach Sicherheit, nach
starken Männern, einfachen Lösungen,
nach Bestätigung und
Ausgrenzung.“ Das erleben wir
gerade. „Manchmal kann eine
neue Geschichte sich erst etablieren,
wenn die alte zu einer
Ruine zerfallen ist.“
Eine Hoffnung liegt besonders
auf den jungen, sich noch nicht
in festen Bahnen bewegenden
Menschen, die es sich nicht nehmen
lassen und darauf beharren,
noch etwas vor sich zu haben.
Könnten wir nicht mehr vertrauen
auf die Jugend, wäre in der
Tat alles zu spät. In seinem Fazit
hebt Philipp Blom eine Figur
hervor: „Ein schwedisches Mädchen
im Teenageralter mit langen
Zöpfen, ein unfreiwilliges
Weltgewissen mit Asperger-
Syndrom, eine moderne Jeanne
d’Arc, die einer korrupten
Gesellschaft den Spiegel vorhält
und deren einsam-trotziger
Appell an die Erwachsenen eine
globale Protestbewegung losgetreten
hat.“ So kommt der Historiker
am Ende auf die Bewegung
von „Fridays for Future“
zu sprechen, deren Weckrufe
für ihn ein Hoffnungsschimmer
sind. Und so bleibt auch
der Leser nach der Lektüre bei
allen erschütternden Befunden
nicht ganz hoffnungslos zurück.
Denn: „Vielleicht kann die Energie
einer weiter gedachten
Aufklärung tatsächlich neue
Geschichten beflügeln, neue Figuren
auf die Bühne stellen.“
„Das große Welttheater. Von
der Macht der Vorstellungskraft
in Zeiten des Umbruchs“ ist im
Paul Zsolnay Verlag erschienen,
hat 126 Seiten und kostet
18 Euro.
Peter Frömmig
„Zusammenleben. Das Potential der Gemeinschaft“
Internationales Literaturfestival BuchBasel vom 6. - 8. November 2020
In vielerlei Hinsicht wird das
diesjährige Literaturfestival
wie kein anderes bisher: Bunte
Masken schützen und verbinden
die Gäste, weniger Räume
werden bespielt, die feste Planung
weicht der Flexibilität aller
Beteiligten und ein digitales
Programm ergänzt das analoge.
Doch eines bleibt: Das Literaturfestival
BuchBasel schafft
ein Wochenende lang einen Ort
für Begegnung und Austausch.
In einer Zeit, in der nichts
selbstverständlich scheint, ist
dies etwas ganz Besonderes.
Mit dieser Besonderheit geht
eine Verantwortung einher, derer
sich das Festivalprogramm
annimmt: Die Auseinandersetzung
mit der gesellschaftspolitisch
drängenden Frage nach
einem Weg zu solidarischem
Handeln. Im Rahmen des
Schwerpunktthemas „Zusammenleben.
Das Potential der
Gemeinschaft“ widmen sich
etwa der Migrationsforscher
Paul Scheffer und die Soziologin
Bilgin Ayata der Bedeutung
der Schließ- ung der Grenzen
für Ausgeschlossene. Dem
Großen Wort „Europa“ stellen
der Publizist Roger de Weck,
die ungarische Soziologin Eva
Kovàcs und der Journalist Concetto
Vecchio aus Rom die Frage
nach dem Wie-Weiter. Dass
die Gegenwart neue Denk- und
Handlungsräume regelrecht
aufstößt, wird auch spürbar,
wenn die Autor*innen Jonas
Lüscher, Friederike Kretzen
und Gianna Molinari zusammenkommen,
um zu zeigen,
dass die Welt heute morgen
schon eine andere sein kann.
Auch Uwe Timm wagt sich auf
den Weg zur Utopie, wenn er
aus seinem neuen Werk „Der
Verrückte aus den Dünen. Literatur
und Utopie“ (Kiepenheurer
& Witsch), vorliest.
Dass Gegenwartsautor*innen
von Nah und Fern die heutige
Komplexität vieler Parallelwelten
in ihre Werke einschreiben,
zeigen die vielstimmigen
Lesungen, die es am Festival
zu erleben gibt. So folgt Dorothee
Elmiger, Nominierte
für den Schweizer Buchpreis
und auf der Shortlist des Deutschen
Buchpreis stehend, mit
„Aus der Zuckerfabrik“ (Carl
Hanser, 2020) den Spuren des
Geldes, des Kolonialismus
und des Begehrens. Patrik
Svensson zeigt, warum die
Auseinandersetzung mit Aalen
den Menschen auf seine
Kernfragen – wer bin ich und
wohin gehe ich – zurückwirft.
Karosh Taha erzählt in ihrem
Wenderoman die Geschichte
einer starken Frauenfigur, die
ihre Leserschaft dazu auffordert,
über die eigenen Vorurteile
nachzudenken und sie
letztlich vor die Notwendigkeit
stellt, sich zu entscheiden. Bei
Samanta Schweblin sind es
Kullerkameraaugen in Stofftieren,
die durch Wohnzimmer
wandern und fremde Menschen
miteinander vernetzen – nicht
ohne zu beobachten, wer wem
Feind ist. Als Feind der Fremde
hat auch Michel Abdollahi
Erfahrungen gemacht. Er führt
vor, warum heute noch ein
Deutscher Pass und eine erfolgreiche
Karriere nicht vor Diskriminierungen
schützen. Am
Festival sind außerdem diverse
junge Gegenwartsautor*innen
präsent: Wie Leif Randt, Meral
Kureyshi, Cihan Acar, Anaïs
Meier und Marius Goldhorn.
Das Literaturfestival Buch-
Basel lanciert auch einen neuen
Podcast für Gegenwartsliteratur!
Seit 14.10.20 sind die
ersten Folgen von „eins.sieben.
drei – der Literaturpodcast“
online.
In jeder Folge wird ein aktuelles
Buch vorgestellt. Die
Macher*innen fordern die
Autor*innen heraus und stellen
sich selber dabei auf die Probe.
Anregend, humorvoll und auf
Eine liebevolle
Beziehung beginnt
mit Vertrauen und
die schafft Bindung
jeden Fall erbarmungslos ehrlich
präsentieren der Schriftsteller
Lucien Haug, der Kulturjournalist
Christoph Keller
und Marion Regenscheit, Co-
Leiterin des Literaturfestivals
„Buch Basel“ ihre Lieblinge
aus dem Bücherjahr, fischen
die Gurke aus dem Gin Tonic,
picken die Rosinen aus dem
Grießpudding oder suchen einfach
nach dem Tüpfchen auf
dem i.
Weitere Infos und Vorverkauf:
www.buchbasel.ch oder
ticket@biderundtanner.ch
Hundeschule Face2Face
Der Weg zu mehr Freiheit für Mensch und Hund
Kirsten Prignitz
Frankenweg 19
79117 Freiburg
info@hundeschule-face2face.de
www.hundeschule-face2face.de
0172-7641679
0761-76674872