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10 KULTUR JOKER vision 2025
Bischoffs Hände
Öffentliche Kunst im entschleunigten Blick
Walter Schelenz,
Erzherzog
Albrecht-Plakette,
1957
Roland Bischoff, Türgriffe an der Universitätskirche, Bronze, ca. 1956 / 57
alle Fotos: M. Flashar
Nikolaus Röslmeir,
Relief am Rathaus-
Anbau, 1962
Wer kennt Roland Bischoff?
Die Freiburger vielleicht schon.
Aber darüber hinaus ist er als
Künstler wenig geläufig. Das
mag der Grund sein, weshalb
auch die Tagespresse (anders
als zuletzt bei Eberhard Brügel
und Jürgen Giersch zu deren
80. Geburtstagen im Laufe
dieses Jahres) von Bischoff nur
selten Notiz nahm. Er lebt im
mittlerweile 87. Lebensjahr gemeinsam
mit seiner Frau Oda
in Freiburg, beide sind weiterhin
künstlerisch aktiv. Bis
2006 betrieben die Bischoffs in
Lahr ein Atelier, das auch als
Veranstaltungsort und Galerie
diente: Publikum und Künstler
der gesamten Region haben
das geschätzt. Roland Bischoff
absolvierte sein Studium seit
1954 an der Karlsruher Akademie,
zu den Lehrern zählten
Wilhelm Schnarrenberger und
HAP Grieshaber, dort schloss
er auch Freundschaft mit dem
zwei Jahre älteren Kommilitonen
Peter Dreher. 1957 bekam
er den „Akademiepreis für Malerei“.
1962 erhielt er eine Stelle
als Kunstlehrer am Lahrer Max-
Planck-Gymnasium – das war
der gesicherte Lebensunterhalt.
Bis heute zeichnet und malt Bischoff,
vorrangig Landschaften;
während seiner Schullaufbahn
publizierte er in den 1990er Jahren
mehrere kunstpädagogische
Lehrbücher unter dem Titel
„Grundsteine Kunst“.
Das Jahr der Pandemie, des
Nachdenkens und vielleicht
auch langsameren und genaueren
Hinschauens lenkt den
Blick auf Roland Bischoffs wohl
einzige Arbeit im öffentlichen
Raum: die bronzenen Türgriffe
am Portal der Freiburger Universitätskirche
in der Bertoldstraße.
Wie kam es dazu? Bischoff
erinnert sich: „Das Uni-
Bauamt erkundigte sich nach
jungen Studenten an der Karlsruher
Akademie“, „vorgegeben
war das Thema: sich nach oben
öffnende Hände“. Der Architekt
Horst Linde, der damals in verschiedenen
Ämtern eine wesentliche
Rolle im Zuge des Freiburger
Wiederaufbaus spielte, war
als Leiter des Bauamts, „bei
der ersten Besprechung dabei“,
ebenso der Theologe Bernhard
Welte, 1955/56 Rektor der Universität.
Bischoffs erster Entwurf
wurde abgelehnt: er findet
noch den Fahrtkostenbeleg nach
Karlsruhe in seinen Unterlagen.
Denn da hatte er, in der Kunstgeschichte
suchend, eine eher
abstrakte Version, an Vorlagen
von Henri Matisse orientiert,
gewählt. Im zweiten Schritt
dann klappte es: Bischoff
nahm die eigenen Hände zum
Vorbild.
Diebstahl und falsche Zuschreibung
Zwei Kuriosa verbinden sich
mit der feinsinnigen Arbeit von
Roland Bischoff. In den 1990er
Jahren wurde der rechte Griff
am Portal demontiert und gestohlen
– der Fall wurde niemals
aufgeklärt; am Ort hat
man das fehlende Stück durch
Abguss des Pendants ersetzt.
Und zu Beginn des Jahres 2020
erschien ein neuer Führer über
die Freiburger Universitätskirche,
aus der Feder von Hans-
Otto Mühleisen. Kompetent
in allen Facetten. Aber die Autorschaft
der Türgriffe kannte
auch Mühleisen nicht, im Archiv
des Uni-Bauamts gab es
keine Dokumentation mehr, so
dass er die Arbeit falsch einem
Freiburger Goldschmied zuschrieb.
Schelenz und der Erzherzog
Beim langsamen Rundgang
durch die City fällt auch Walter
Schelenz (1903–1987) ins
Auge: Gemeint ist nicht seine
bedeutende Skulptur des
Mahnmals für die Opfer des
Nazi-Regimes von 1975, die
jetzt kürzlich erst – mit gutem
Sinn – an den Anfang der Rathausgasse
versetzt wurde, dort
wo bald dann das NS-Doku-
Zentrum der Stadt Freiburg
entstehen soll. Nein, Schelenz
hinterließ auch bescheidenere
Spuren: zur Erinnerung an den
Universitätsgründer, den Vorderösterreicher
Erzherzog Albrecht
VI., modellierte er beim
500-jährigen Jubiläum 1957 an
der Außenseite der Mauer zur
Alten Universität, jenem Hof,
wo sich im Innern das bedeutende
Wandmosaik von Julius
Bissier und Richard Bampi
von 1956 befindet, ein Bildnis
desselben im Relief. Da ist aktuell
alles im Umbau. Hoffentlich
wird es restauratorisch gut
gehen, auch die beschädigte
Schelenz-Arbeit bedarf einer
Aufbesserung.
Röslmeir: Plakette am Rathaus
Wer am Freiburger Rathaus
entlang geht, sieht am Anbau
Ecke Merian- und Gauchstraße
ein Relief des Bildhauers Nikolaus
Röslmeir (1901–1977).
Es zeigt Ratsherren und Stadtschreiber
und stammt aus dem
Jahr 1962. Röslmeir war in die
Kunst der Nazi-Zeit verstrickt.
Berüchtigt sind seine „Hitlerjungen“
die er, als „Pfadfinder“
betitelt, 1936 für den Möslepark
entwarf. Nach dem Krieg wandelte
sich sein Stil. Der Neue
Bertoldsbrunnen (1965) gibt
davon Zeugnis. Ebenso das
Alterswerk des „Prometheus“
auf dem Hof der Weiherhof-
Schulen (postum: 1980), das
seit Jahren dort leider stiefmütterlich
behandelt wird. So
endet der sehr unterschiedliche
Corona-Rundgang.
Martin Flashar