Sämtliche Juden sind von hier weggebracht worden
Ausstellung zum 80. Jahrestag der Deportation der jüdischen Bevölkerung Brettens nach Gurs am 22. Oktober 1940. Wenn in Bretten der Verfolgung der Juden gedacht wird, steht dies fast immer im Zusammenhang der Erinnerungen an den 22. Oktober 1940, dem letzten Tag des jüdischen Laubhüttenfests. An diesem Tag vor 80 Jahren wurden in ganz Baden, der Pfalz und im Saarland 6508 Menschen Jüdinnen und Juden nach Gurs deportiert und in Bretten die letzten hier noch lebenden achtzehn Menschen jüdischen Glaubens verschleppt, viele Monate bevor die Deportationszüge nach Riga und später in die Vernichtungslager Auschwitz, Sobibor und Treblinka rollten. Die Ausstellung soll zum einen den Deportierten aus Bretten einen Namen und über die erforschten Einzelschicksale Auskunft geben, andererseits über die Täter und Hintergründe informieren und vor allem die Ereignisse ins Bewusstsein bringen, die sich vor 80 Jahren in unserer Stadt vor aller Augen abgespielt haben. Geplant war es die Ausstellung vom 23. Oktober – 12. November 2020 im Melanchthonhaus zu zeigen. Aufgrund der aktuellen Corona-Beschränkungen musste die Ausstellung am 30. Oktober 2020 kurzfristig abgesagt werden. Um der großen Nachfrage gerecht zu werden, haben wir die Ausstellung hier online gestellt.
Ausstellung zum 80. Jahrestag der Deportation der jüdischen Bevölkerung Brettens nach Gurs am 22. Oktober 1940.
Wenn in Bretten der Verfolgung der Juden gedacht wird, steht dies fast immer im Zusammenhang der Erinnerungen an den 22. Oktober 1940, dem letzten Tag des jüdischen Laubhüttenfests. An diesem Tag vor 80 Jahren wurden in ganz Baden, der Pfalz und im Saarland 6508 Menschen Jüdinnen und Juden nach Gurs deportiert und in Bretten die letzten hier noch lebenden achtzehn Menschen jüdischen Glaubens verschleppt, viele Monate bevor die Deportationszüge nach Riga und später in die Vernichtungslager Auschwitz, Sobibor und Treblinka rollten. Die Ausstellung soll zum einen den Deportierten aus Bretten einen Namen und über die erforschten Einzelschicksale Auskunft geben, andererseits über die Täter und Hintergründe informieren und vor allem die Ereignisse ins Bewusstsein bringen, die sich vor 80 Jahren in unserer Stadt vor aller Augen abgespielt haben.
Geplant war es die Ausstellung vom 23. Oktober – 12. November 2020 im Melanchthonhaus zu zeigen. Aufgrund der aktuellen Corona-Beschränkungen musste die Ausstellung am 30. Oktober 2020 kurzfristig abgesagt werden. Um der großen Nachfrage gerecht zu werden, haben wir die Ausstellung hier online gestellt.
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KulturStadt Bretten
„Sämtliche Juden sind von hier weggebracht worden“
Ausstellung zum 80. Jahrestag der Deportation der jüdschen
Bevölkerung Brettens nach Gurs am 22. Oktober 1940
Wann? 23. Oktober - 12. November 2020
Wo? Gedächtnishalle im Melanchthonhaus
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Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich ist die Geschichte dieses Unrechts vergleichsweise
gut erforscht. In den vergangenen 20 Jahren wurden viele neue Erkenntnisse über die
aus Bretten deportierten Juden recherchiert und zusammengetragen. Die Ausstellung lehnt
sich inhaltlich eng an die Ausarbeitungen der Arbeitsgemeinschaft zur Erhaltung und Pflege
des Deportiertenfriedhofs in Gurs an, die unter Federführung der Stadt Karlsruhe in Zusammenarbeit
mit den Mitgliedsstädten und -gemeinden initiiert und angedacht war und aufgrund
der anhaltenden Corona-Pandemie nicht wie geplant verwirklicht werden konnte.
Daher hat sich die Stadt Bretten dazu entschlossen, diesem Thema pünktlich zum 80. Jahrestag,
eine eigene, kleine Ausstellung zu widmen, die die sogenannte „Oktober-Deportation“ in
den Fokus nimmt unter besonderer Berücksichtigung der lokalen Ereignisse und Quellen im
Hinblick auf die Einzelschicksale der letzten achtzehn Jüdinnen und Juden, die am 22. Oktober
von Bretten verschleppt wurden.
Die nachfolgende Ausstellung soll zum einen den Deportierten aus Bretten einen Namen geben,
über die erforschten Einzelschicksale Auskunft geben, andererseits über die Täter und
Hintergründe informieren und vor allem die Ereignisse ins Bewusstsein bringen, die sich vor
80 Jahren in unserer Stadt vor aller Augen abgespielt haben.
Die nachfolgende Ausstellung wurde von Frau Heidemarie Leins und Herrn Alexander Kipphan,
Leiter des Stadtarchivs Bretten, umgesetzt und Dank der freundlichen Unterstützung
durch die Sparkasse Kraichgau verwirklicht.
Literatur & Quellen
Katja Limbächer: 20. Tishri 5701 – Sukkoth – 22. Oktober 1940 – Laubhüttenfest, „Ich weiß nicht, ob wir nochmals
schreiben können“, Die Deportation der badischen, saarpfälzischen Juden in das Internierungslager Gurs in den
Pyrenäen, Materialien, herausgegeben von der Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart
2010.
„20. Oktober 1940: Deportation der Jüdinnen und Juden aus Baden, Pfalz und Saarland nach Gurs – Bausteine für
ein lebendiges Gedenken in Gemeinde und Gesellschaft, herausgegeben von der Evangelischen Landeskirche in
Baden und Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche), Karlsruhe 2010.
Rolf-Ulrich Kunze: „Möge Gott unserer Kirche helfen“, Theologiepolitik, Kirchenkampf und Auseinandersetzung
mit dem NS-Regime: Die Evangelische Landeskirche Badens 1933-1945, Stuttgart 2015.
Hans-Jörg Ebert: Die Machtergreifung in der badischen Kleinstadt Bretten, 1984.
Maria Halbritter: Die Jüdische Gemeinde in Bretten. Einblicke in ihre Geschichte, erschienen in Brettener Jahrbuch
für Kultur und Geschichte Neue Folge 1, Bretten 1999 S. 113 ff.
Quellen aus den Archiven: Generallandesarchiv Karlsruhe, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Stadtarchiv Karlsruhe,
Archives Départementales de Pyrénées Atlantiques Pau, Stadtarchiv Bretten.
„WAGNER-BÜRCKEL-AKTION“
Als sogenannte „Wagner-Bürckel-Aktion“ wird die Deportation von 6538 Jüdinnen und Juden
aus Baden, der Pfalz und des Saarlandes in das südfranzösische „Camp de Gurs“ von
Historikern bezeichnet, die in der Nacht vom 21. und 22. Oktober 1940 begann. Ziel dieser
Aktion war, die südwestdeutschen Gebiete als erste im Reich „judenrein“ zu machen.
NSDAP-Gauleiter Robert Wagner
Im Rahmen der Waffenstillstandsvereinbarung mit Frankreich
wurde am 22. Juni 1940 vereinbart, dass alle Juden aus den
deutschen Besatzungsgebieten in das Landesinnere von Frankreich
deportiert werden sollten. Die NSDAP-Gauleiter Robert
Wagner (Baden) und Josef Bürckel (Pfalz) waren am 2. August
1940 von Adolf Hitler zu Chefs der Zivilverwaltung im Elsass
beziehungsweise in Lothringen ernannt worden. Für ihren
Auftrag, die annektierten Gebiete schnellstmöglich ins Deutsche
Reich einzugliedern, wurden ihnen nahezu unbeschränkte
Vollmachten erteilt. Bis Mitte September 1940 wurden so über
23.000 Juden und missliebige Franzosen aus den besetzten Gebieten
deportiert. Im Zuge dieser Aktion brachten lokale
NSDAP-Organisationen in Kehl und in Breisach im August auf
eigene Initiative ebenfalls Juden mit Lastwagen in das unbesetzte
Frankreich. Hitler gingen diese Aktionen noch nicht weit
genug. Ende September 1940 forderte er Wagner und Bürckel dazu auf, ihre Gebiete „judenfrei“
zu machen. Die beiden Gauleiter nutzten Hitlers Einverständnis, um nicht nur die Juden
aus den ihnen unterstellten Gebieten Elsass und Lothringen, sondern darüber hinaus im
Oktober 1940 auch deutsche Juden aus Baden und der Saarpfalz in Zusammenarbeit mit dem
Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in den unbesetzten Teil Frankreichs abzuschieben.
Während die Landratsämter bereits am 15. Oktober vom badischen
Innenministerium über die bevorstehende Aktion informiert
worden waren, traf die Anweisung zur sofortigen Ausreise
die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung völlig unerwartet.
Die Vorbereitungen der Deportation waren mit strenger Geheimhaltung
getroffen worden.
In den frühen Morgenstunden des 22. Oktober 1940 wurden die
Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland mit dem Befehl
zur Deportation aus ihren Wohnungen getrieben, gesammelt
und abtransportiert. Gestattet war lediglich die Mitnahme von
50 kg Gepäck und einer Barschaft von 100 Reichsmark. Das Reiseziel
wurde den meisten verschwiegen. Die hinterlassenen
Wohnungen mussten verschlossen und versiegelt, Strom und
Josef Bürckel 1937 Quelle:
Stadtarchiv Neustadt
Gas abgestellt und die Schlüssel der Gestapo- bzw. den Polizeibeamten ausgehändigt werden.
In sieben Eisenbahnzügen aus Baden und insgesamt zwei Zügen aus der Pfalz und dem
Saarland fuhren die Deportierten über Chalon-sur-Saône ins unbesetzte Frankreich. Die
Fahrt über Lyon, Avignon und Toulouse dauerte drei Tage und vier Nächte, bis die
Vertriebenen schließlich am Fuße der Pyrenäen in Oloron-Sainte-Marie auf Lastwagen
verladen und die meisten in das französische Internierungslager Gurs verbracht wurden.
In Bretten war man spätestens seit dem 15. Oktober 1940 über die bevorstehende Aktion
informiert. Laut eines Eintrags im Polizeiwachbuch der Stadtgemeinde Bretten war
Schutzwachmann Adolf Mayer am Morgen des 22. Oktober 1940 um 5.30 Uhr nach
Karlsruhe gereist, um dort von der Gestapo (Geheime Staatspolizei) letzte Anweisungen zur
bevorstehenden „Festnahme der Juden in Bretten“ zu erhalten:
Quelle: Wachbuch der Schutzpolizeidienstabteilung Bretten Stadtarchiv Bretten Signatur A 4009
Die „Oktober-Deportation in Bretten“ –
Vorladung und Festnahme auf dem Rathaus
In den Morgenstunden des 22. Oktobers 1940 wurden ab 8.00 Uhr die letzten Jüdinnen und
Juden in ihren Wohnungen und Häusern aufgesucht und ihnen befohlen, sich spätestens bis
12.00 Uhr mittags auf dem Rathaus zur „Ausreise“ einzufinden. Wer nicht Folge leistete,
wurde von der Polizei abgeholt. Sie durften nicht mehr als 50 kg Gepäck und nicht mehr als
100 Reichsmark Bargeld mitnehmen. Außerdem hatten sie in ihren Häusern und
Wohnungen Strom und Gas abzudrehen, diese verschlossen zu hinterlassen und die
Schlüssel auf dem Rathaus abzugeben.
Achtzehn Menschen jüdischen Glaubens, darunter 12 Frauen, fünf Männer und ein Kind
wurden an diesem Tag aus ihrer Heimat herausgerissen und nachmittags gegen 15.30 Uhr
vor aller Augen auf dem Marktplatz mit dem Lastwagen „nach unbekannt“ abtransportiert.
Liste der im Oktober verhafteten und abtransportierten Juden, Stadtarchiv Bretten Signatur A 4445
Niemand wagte es, ihnen zu Hilfe zu eilen oder die Deportation zu hinterfragen. Dennoch
gab es einen Mutigen, der die Verschleppung der Brettener Juden an diesem Tag mit seiner
Kamera festgehalten hat. Der evangelische Pfarrer Otto Leiser machte damals heimlich die
nachfolgenden Aufnahmen von der Deportation in Bretten. Er war Angehöriger der
Bekennenden Kirche Badens, die sich gegen nationalsozialistische Eingriffe in die Kirche und
gegen das unchristliche Menschenbild des Nationalsozialismus wandte. Wäre Otto Leiser
damals beim Fotografieren entdeckt worden, hätte ihm Gefängnis oder KZ gedroht.
Sofie Erlebacher, Julius und Irma Erlebacher mit ihrem fünfjährigen Kind Albert. Albert gelang
mit Hilfe des jüdischen Kinderhilfswerk O.S.E. 1943 die Flucht in die USA. Seine Eltern und
Großtante Sofie wurden in Auschwitz ermordet.
Johanna Koppel, geb. Kramer, gelang es mit Hilfe ihrer in Frankreich lebenden Kinder am 5.
April 1941 aus dem Außenlager Noé frei zu kommen. Bis zur Befreiung Frankreichs lebte sie
mit Teilen ihrer Familie im Untergrund und emigrierte 1948 in die USA.
Die Eheleute Jakob und Berta Veis vor dem Melanchthonhaus. Von Gurs aus kamen sie am
24. August 1942 über Drancy nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden.
Mathilde Erlebacher beim Einsteigen in einen der LKW vor dem Rathaus. Ihr Mann Gustav
Erlebacher steht auf der Laderampe des LKW mit einem Paket in der Hand. Mathilde Erlebacher
überlebte die Deportation, ihr Mann Gustav starb in Gurs.
Die Enteignung der jüdischen Bevölkerung
Mit der Deportation der jüdischen Bevölkerung ging ihrer völlige Beraubung einher. Bereits
seit 1937 war die wirtschaftliche Verdrängung der deutschen Juden das zentrale Thema der
deutschen Judenpolitik. Eine Vielzahl ab 1938 erlassener Verordnungen diente dazu, Tausenden
von jüdischen Gewerbebetrieben und Handwerkern die berufliche und damit materielle
Existenz zu entziehen. Ab dem 1. Januar 1939 durften Juden keine Einzelhandelsgeschäfte
und kein Handwerk mehr betreiben, was das wirtschaftliche Ende der letzten fünf
von ehemals ca. 50 jüdischen Betrieben in Bretten bedeutete.
Bereits einen Tag nach der Deportation erklärte Gauleiter Robert Wagner, dass der jüdische
Besitz und das Vermögen für das Land beschlagnahmt seien. Unmittelbar nach der Deportation
kam es in Bretten zu einer spontanen Plünderung. Am helllichten Tag stiegen damals
Leute mit einer Leiter in das Anwesen der deportierten Familie Veis in der Melanchthonstraße
80 ein, um zu plündern, noch bevor die öffentliche Versteigerung begann.
Nach der Deportation: Plünderung in der Melanchthonstraße 80. Wer erkennt die Personen wieder?
Die Versteigerungen wurden in der Presse angekündigt. Der Verkauf des Hausrates weit
unter seinem tatsächlichen Wert bot für Viele einen großen Anreiz. Besonders groß war der
Andrang um die frei gewordenen Wohnungen und Häuser.
Ankündigung im Brettener Tagblatt
Menschenansammlung vor der Versteigerung
Die Fahrt nach Gurs – 1316 km, 3 Tage, 4 Nächte
In Lastwagen wurden die Juden
von Bretten nach Karlsruhe an einen
Sammelplatz gebracht. Erst am
späten Abend wurden sie gezwungen
in geschlossene Viehwaggons
zu steigen. Die Züge waren überfüllt,
den Menschen fehlten Nahrungsmittel,
ihre Notdurft mussten
sie auf engstem Raum im Beisein
der Mitfahrenden verrichten. In
sieben Eisenbahnzügen aus Baden
und insgesamt zwei aus der Pfalz
und dem Saarland setzte sich am späten Abend die Eisenbahnkolonne in Bewegung.
Notdürftig ausgestattet mit Gepäck, Bargeld und Proviant für ein paar Tage, begannen die
Verschleppten damit ihr Essen zu tauschen. Erleichterung machte sich breit, als sich herausstellte,
dass der Zug in den Westen und nicht in den Osten fuhr. Am Bahnhof von Mühlhausen
(Elsass) war der Sammelpunkt für die Deportationszüge. Auf Anweisung der mitfahrenden
Gestapobeamten und SS-Männer musste hier das mitgebrachte Geld, 100 RM, in französische
Francs gewechselt werden. In Chalon-sur-Saône, der ersten Station an der Grenze zum
unbesetzten Teil Frankreichs, wurden die Züge an das französische Bahnpersonal übergeben,
das den unangekündigten Personentransport zunächst nicht übernehmen wollte.
Doch die Deutschen machten Druck: Unter der persönlichen Leitung des anwesenden SS-
Obersturmbannführers Adolf Eichmann, des damaligen Leiters des Referats IV D 4 (Räumungsangelegenheiten
und Reichszentrale für jüdische Auswanderung) beim Reichssicherheitshauptamt
(RSHA) gaben die französischen Grenzbehörden nach und leiteten den Zug
weiter Richtung Atlantik. Über Lyon, Avignon und Toulouse gelangten die Vertriebenen
nach insgesamt drei Tagen und vier Nächten Zugfahrt an ihr Ziel. Am Fuße der Pyrenäen in
Oloron-Sainte-Marie, wo sie auf Lastwagen verladen wurden, erreichten sie das französische
Internierungslager GURS am 25. Oktober 1940.
Le Camp de Gurs – Das Lager Gurs
Das Lager Gurs, Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Signatur: EA 99/001 Bü 304 Nr. 1
Das Lager Gurs war von der französischen
Regierung bereits 1939
zur Aufnahme geflüchteter Spanienkämpfer
und französischer
Kommunisten errichtet worden.
Unter dem Vichy-Regime war es
das größte Internierungslager von
insgesamt rund 100 weiteren innerhalb
der unbesetzten Zone Frankreichs.
Es befand sich am Fuße der
Pyrenäen südlich von Pau, etwa 50
km von der spanischen Grenze entfernt.
Das Lager bestand aus 13 sogenannten „Îlots“ (frz. „Inselchen“). Hierbei handelte es sich um
eingezäunte und bewachte Bereiche mit 25 Baracken für jeweils bis zu 60 Personen. Die primitiven
Holzhütten hatten weder Einrichtung noch Fenster, nur Klappen aus Holz. Waren
die Klappen geschlossen, war es dunkel, waren sie offen, kam u.a. Regen herein. Im Sommer
herrschte sengende Hitze, im Winter klirrende Kälte.
Die fast 2 km lange Lagerstraße war der einzige befestigte
Weg. Er teilte das Areal in zwei Hälften. Der ton- und
lehmhaltige Boden verwandelte sich in der gewitterreichen
Gegend in Sumpf. Für Alte und Kranke war es ein
Martyrium, die Latrinen bei Sturm und Regen in der
Nacht zu erreichen. Der älteste Deportierte war 98 Jahre
alt.
Auf die unvermittelte Aufnahme der 6504 badischen und
saarpfälzischen Juden am 25. Oktober 1940 war die Infrastruktur
des Lagers Gurs nicht eingerichtet. Innerhalb
kürzester Zeit stieg die Zahl der Internierten sprunghaft
an, so dass die neu Angekommenen auf nacktem, verdrecktem
Boden schlafen mussten. Nach einigen Tagen
stand Stroh zur Verfügung. Männer und Frauen wurden
getrennt, Ehepaare und Familien auseinandergerissen.
Kinder bis zu 12 Jahren durften bei ihren Müttern bleiben.
Frau im Morast im Lager Gurs,
Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Signatur: EA 99/001 Bü 304 Nr. 12
Lageralltag und Lagerbedingungen in Gurs
Warten bei der Essensausgabe,
Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Signatur: EA 99/001 Bü 304 Nr. 13
Bei der Ankunft der badischen Juden waren die Reglements
im Lager sehr streng. Die Internierten durften
sich zwar innerhalb der Îlots bewegen, aber diese
nicht verlassen. Die Kommunikation mit Angehörigen
und Bekannten aus anderen Îlots war äußerst
schwierig. Erst nach einiger Zeit wurde diese Regelungen
gelockert und Besuche zugelassen. Im November
1940 befanden sich nach einer Statistik des
Lagerdirektors mehr als 12.000 Internierte in Gurs,
davon mehr als 9400 deutsche und italienische Männer,
Frauen und Kinder, zu denen auch die deportierten
deutschen Juden zählten. Infolge der unhaltbaren
Zustände war die Sterberate im Winter 1940/41
sehr hoch. Zeitweilig starben zwischen 15-20 Menschen
an einem Tag.
Leo Breuer „Camp der Gurs 1941“, Stadtarchiv Karlsruhe
Signatur PBS oVI 460
Im Laufe des Jahres 1941 besserten
sich die Verhältnisse in Gurs leicht,
nachdem eine Reihe von jüdischen,
christlichen und nicht-konfessionellen
Hilfsorganisationen ihre Unterstützung
angeboten hatten. Ein Teil
der Internierten wurde in andere
Lager verlegt. Familien mit Kindern
kamen in das Familienlager Rivesaltes,
kranke und ältere Menschen in
die Lager Noé und Récébédou. Nach
einiger Zeit wurde in jedem Îlot eine
sogenannte „Kulturbaracke“ eingerichtet,
in der die Internierten kulturelle Veranstaltungen, wie zum Beispiel Theateraufführungen
und Konzerte, organisierten. Diese Aktivitäten boten Ablenkung von Hunger, Kälte,
Isolation und Tod. Auch betätigten sich viele künstlerisch mit der Herstellung praktischer
Gegenstände für den Lageralltag oder hielten ihre Eindrücke in Bildern fest. Die Kommunikation
mit der Außenwelt war angesichts der Ungewissheit über ihr weiteres Schicksal für
viele Internierte überlebenswichtig. Sie durften Postkarten, Briefe und Telegramme schicken,
für die oft nur eine bestimmte Wortanzahl erlaubt war.
Deportation in die Vernichtungslager
Zwei Monate nach der Wannsee-Konferenz im Januar 1942, begannen die Deportationen von
Juden aus Frankreich in die Konzentrations- und Vernichtungslager im Osten. Der Leiter des
Judenreferats der Gestapo in Frankreich, Theo Danneker, fuhr persönlich in das Lager Gurs
und stellte die ersten Transportlisten zusammen.
Am 6. August verließ der erste Transport das Lager Gurs mit „unbekanntem Ziel“. Das Lager
wurde dafür von der französischen Polizei umstellt. Ihr Erscheinen löste eine Selbstmordwelle
unter den Internierten aus. Menschen, die beim Abtransport fehlten, wurden erbarmungslos
mit Hunden gesucht. Frauen und Männer wurden getrennt abtransportiert,
Ehepartner und Familienangehörige ohne Rücksicht auseinandergerissen.
Die Route nach Bretten-Gurs-Drancy-Auschwitz Sammellager Drancy 1941: Quelle Bundesarchiv B 183 10919
Die im Lager tätigen Hilfsorganisationen versuchten zu intervenieren, wo es möglich war.
Die Transporte gingen über das Sammellager Drancy, bei Paris, in die Vernichtungslager.
Insgesamt wurden 3907 Menschen aus dem Lager Gurs deportiert, die meisten von ihnen
waren Juden.
Im Rückblick ist die Deportation der mehr als 6500 badischen und saarpfälzischen Juden
nach Gurs als Vorstufe zu den Deportationen in die Vernichtungslager ab 1941 zu sehen. Die
Überlebenschancen der nach Südfrankreich Verschleppten waren indes wesentlich größer.
Einem Teil der Deportierten, die im Besitz von Auswanderungspapieren waren, gelang es
bis zum Sommer 1942 legal auszuwandern, allerdings nur in solche Länder, die nicht oder
noch nicht in den Krieg eingetreten waren. Anderen gelang es, mit Hilfe von Widerstandsgruppen
und Hilfsorganisationen aus den Lagern zu fliehen und im Untergrund die Verfolgungszeit
zu überleben. Schätzungsweise knapp ein Drittel der 1940 in das Lager Gurs deportierten
Badener und Pfälzer Juden überlebte so den Zweiten Weltkrieg.
Von den achtzehn Deportierten aus Bretten, überlebten fünf das Lager Gurs. Zwei von ihnen
starben in Gurs und wurden dort beerdigt, zwei Deportierte starben im Krankenhaus in Pau.
Neun Menschen wurden im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.
Einzelschicksale von Deportierten aus Bretten
Berta und Jakob Veis (*1898 *1892) – Melanchthonstraße 80
Berta Veis wurde am 6. April
1898 in Grosszimmern geboren
und war die Ehefrau des
Kaufmanns Jakob Veis. Zusammen
mit ihrem blinden
Ehemann wurde sie am 22.
Oktober 1940 von Bretten
nach Gurs deportiert. Ihr einziges
Kind Bruno konnten sie
bereits zwei Jahre zuvor mit
einem Kindertransport über England in die USA in Sicherheit
bringen. Alle Versuche, seine Eltern in die USA nachzuholen,
blieben vergeblich.
In einem Schreiben an den Lagerkommandanten
vom 15. Februar 1941 bat Berta Veis um
ihre Freilassung zur Ausreise in die USA. Die
notwendigen Papiere zur Ausreise sowie eine
Bescheinigung der amerikanischen Botschaft
von Marseille lagen vor, Bürgen und Geld für
die Überfahrt waren vorhanden.
Doch es kam alles zu spät: Berta und Jakob Veis
wurden mit dem dritten Transport am 24. August
1942 von Gurs über Drancy nach
Auschwitz gebracht, wo sie ermordet wurden.
Einen Tag vor ihrer Abfahrt schrieben sie noch
eine letzte Postkarte an ihren Sohn Bruno in die
USA:
„23. 8. 42 Unser innigst geliebter Bruno! Und unsere
Lieben alle! Hoffe Euch im Besitze unseres Telegramms
und senden Euch noch kurz vor unserer
Abreise ein recht herzliches Lebe Wohl zu…“
Einzelschicksale von Deportierten aus Bretten
Johanna Koppel (*1875) – Weißhofer Straße 42
Johanna Koppel, geborene Kramer, war mit dem Brettener Viehhändler
und Synagogenrat Joseph Koppel verheiratet. Aufgrund ihres resoluten
Wesens von den Kindern ihrer verstorbenen Schwester liebevoll „Tante
Hans“ genannt, zählte sie und ihre Familie zu den angesehenen und zugleich
wohlhabenden jüdischen Familien Brettens.
Bereits im Frühjahr 1940 war ihr Ehemann an den Folgen eines Herzleidens
im Krankenhaus in Karlsruhe verstorben. Drei ihrer Kinder waren
zuvor schon nach Frankreich ausgewandert. Johanna Koppel war eine
der Wenigen aus Bretten, welche die Deportation überlebten. Als ihr Zug
auf dem Weg nach Gurs am Bahnhof von Toulouse einen längeren Halt
machte, hielt sich ihr Sohn Rudolf zufällig dort auf. Als er auf die Viehwaggons,
voll mit Menschen, in denen Deutsch gesprochen wurde, aufmerksam wurde, trat
er näher und fragte: „Woher kommt ihr?“, „Aus Baden“, „sind auch Laute aus Bretten dabei?“
So fragte er sich durch und fand, wie durch ein Wunder, seine Mutter in einem der Viehwaggons,
die ihm dann mitteilte, dass sie in ein „Vichy-Camp bei Gurs“ kämen. Daraufhin setzte
er alle Hebel in Bewegung, seine Mutter zu befreien. Mit Hilfe seines Cousins Herbert, einem
hohen Offizier in der Fremdenlegion, und mittels einer enormen Geldsumme, sollte dieser
Coup ein halbes Jahr später gelingen: Herbert schickte ein Telegramm aus Marokko an die
zuständigen Behörden und pochte auf ihre sofortige Freilassung. Rudolf und seine Schwester
Gertrud zahlten für die Freilassung der Mutter ein „Lösegeld“ von rund 50.000 Francs. Johanna
Koppel wurde daraufhin am 5. April 1941 aus dem Außenlager Noé freigelassen und
tauchte mit Teilen ihrer Familie in Frankreich unter, bis sie schließlich 1948 von Paris aus in
die USA zu ihrem Sohn Rudolf auswandern konnte.
Johanna Koppel (2. von rechts), genannt „Tante Hans“, im Garten in der Weißhofer Str. 42 in Bretten um 1925.
Joseph (1. von links) und Isidor Koppel (1. von rechts) waren Brüder und unterhielten in Bretten das drittgrößte
Vieh- und Pferdehandelsunternehmen Südwestdeutschlands.
Einzelschicksale von Deportierten aus Bretten
Irma, Julius und Albert
Erlebacher (*1902 *1888 *1935) – Melanchthonstraße 49
Die Familie Irma, Julius und
Albert Erlebacher lebte in
Bretten in der Melanchthonstraße
49. Nach ihrer Deportation
nach Gurs wurden sie
alle am 10.03.1941 in das Lager
Rivesaltes bei Perpignan
verlegt, das auf die Internierung
von Familien ausgelegt
war. Julius und Irma ließen
ihr Kind „los“ und übergaben
ihren Sohn dem jüdischen
Kinderhilfswerk O.S.E., das 1943
seine Flucht in die Schweiz organisierte.
Kurz nach Kriegsende wanderte er zu seinem Bruder Günther in die USA aus, der
schon seit 1937 dort lebte. Albert Erlebacher studierte und wurde Professor in Chicago. Seine
Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Mit dabei war auch Sofie Erlebacher (*1868 im Bild
ganz links mit der hellen Tasche), die Tante von Julius. Sie blieb in Gurs und wurde in
Auschwitz ermordet.
Albert Erlebacher (links) mit
Spielkameraden in Bretten
Louis Ettlinger (*1873) – Zähringerstraße 3
Louis Ettlinger war Wirt vom Gasthaus „Zur Blume“ am Marktplatz 5, das seit 1864 bis zur
„Arisierung“ in Familienbesitz war. Als einzige jüdische Gastwirtschaft in Bretten betrieb er
zudem eine „Wurstlerei“, die koschere Wurstwaren deutschlandweit verschickte. Louis Ettlinger
war nicht nur in Gurs, sondern auch in weiteren französischen Arbeitslagern. Trotzdem
gelang es ihm, 1946 zu seiner Tochter Ruth nach Buenos Aires in Argentinien auszuwandern.
Johanna Heli (*1891) – Zähringerstraße 3
Johanna Heli stammte aus Vallendar (Rheinland-Pfalz) und arbeitete als Haushälterin bei
Louis Ettlinger am Marktplatz 5. Nach der Arisierung des Gasthauses „Zur Blume“ zog sie
mit Louis und Jettchen, der kranken Frau Ettlinger, am 1. September 1937 in die Zähringerstraße
um. Sie kam von Gurs nach Rivesaltes und wurde in Auschwitz ermordet.
Einzelschicksale von Deportierten aus Bretten
Lina Federer (*1881) – Promenadenweg 15
Lina Federer arbeitete bis zur Zerstörung der Brettener
Synagoge am 10. November 1938 als Synagogendienerin. Als
sie am 22. Oktober 1940 von der Polizei abgeholt wurde, soll
sie geschrien haben: „Hilft mir denn niemand?“. Ihr letztes
Lebenszeichen waren Glückwünsche zum Geburtstag
vom 14. September 1941- an ihre Brettener Nachbarin Ruth
Firnkäs. Dafür verwendete sie genau 25 Wörter, wie es auf
den vorgedruckten Briefen des Roten Kreuzes in Gurs
erlaubt war. Auch sie wurde über Drancy nach
Auschwitz verschleppt, wo sie ermordet wurde.
Chil Ignatz Helbarth, (*1866)
Lina und Meta Schmulewitz (*1891, *1918) – Weißhofer Straße 96
Chil Ignatz Helbarth stammte aus Polen und kam im Februar 1940 von Konstanz zur Familie
seiner Tochter Lina Schmulewitz nach Bretten. Als „polnischer Jude“ zählte er zu den
staatenlosen Ausländern. Zusammen mit seiner Tochter und Enkelin Meta wurde er nach
Gurs deportiert. Dort muss er sehr krank geworden sein, denn er wurde ins 47 km entfernte
Krankenhaus in Pau gebracht, wo er am 29. September 1941 starb. An der Beerdigung in Pau
konnten seine Tochter Lina und Enkelin Meta mit einer Sondergenehmigung von Gurs
teilnehmen. Lina und Meta Schmulewitz wurden in Auschwitz ermordet.
Isak und Pauline Wertheimer (*1867, *1877) – Melanchthonstraße 70
Isak und Pauline Wertheimer führten in Bretten ein
Manufakturwaren-Geschäft, das sich an der Ecke Hirsch-
/Melanchthonstraße 70 befand. Dieses hatten sie schon
frühzeitig ihrem Schwiegersohn Fritz Michelson
überlassen. Isak Wertheimer starb am 19.06.1941 in Gurs,
sein Grabstein steht auf dem Deportiertenfriedhof. Seine
Frau Pauline starb wenige Wochen vor ihm, am 30. April
1941, im Krankenhaus Pau. Wo sie beerdigt wurde, ist
nicht bekannt.
Einzelschicksale von Deportierten aus Bretten
Gustav und Mathilde Erlebacher (*1869 *1865) - Melanchthonstraße 80
Gustav und Mathilde Erlebacher kamen
ebenfalls am 25. Oktober von Bretten
über Karlsruhe in Gurs an. Auch sie
unternahmen alles, um von dort in die
USA ausreisen zu können und hatten
bereits alle erforderlichen Papiere und
Visa zusammen. Dann starb Gustav
Erlebacher am 13. Juli 1941 in Gurs.
Seine Frau Mathilde überlebte und
war nachweislich spätestens ab 1943
in verschiedenen französischen
Krankenhäusern gemeldet, bis sie
schließlich untertauchen konnte.
1946 reiste sie zu ihrem Sohn Julius
nach Jersey in die USA, wo sie im hohen
Alter von über 100 Jahren 1969 starb.
Regine Wertheimer (*1891) – Pforzheimer Straße 31
Regine Wertheimer wurde
am 28. Oktober 1891 in Bretten
geboren und litt seit ihrer
Kindheit unter Kinderlähmung
und war seitdem
auf eine Gehhilfe angewiesen.
1941 wurde sie von
Gurs nach Noé verlegt. Von
dort aus schrieb sie am 10.
März 1941 an das Standesamt
Bretten: „Ich bitte das
Standesamt höflich mir folgende
Papiere in doppelter Ausfertigung zwecks Auswanderung auszufertigen
und dieselben an die Jüdische Flüchtlingshilfe Basel
zu senden“. Trotz ihrer Behinderung gelang es ihr zu
überleben und auszuwandern.
Erinnerung und Gedenken an die Deportation
1. Arbeitsgemeinschaft zur Erhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs in Gurs
Im Jahr 1957 ergriff der Karlsruher Oberbürgermeister Günther
Klotz nach der Veröffentlichung eines Zeitungsberichts über
den Verfall des Friedhofs die Initiative zu dessen Instandsetzung
und Pflege. Unterstützt wurde er vom Oberrat der Israelitischen
Religionsgemeinschaft Baden (IRG-Baden). Die badischen
Städte, Gemeinden und Kreise, aus denen jüdische
Bürger nach Gurs deportiert und dort begraben wurden, brachten
durch eine Umlage die Gesamtkosten für die Neugestaltung
auf. Der Friedhof, den die Gemeinde Gurs dem Oberrat für 99 Jahre
verpachtet hatte, wurde am 26. März 1963 feierlich eingeweiht.
Mittlerweile sind es 17 badische Städte und Gemeinden sowie der
Bezirksverband Rheinland-Pfalz, die dieser Arbeitsgemeinschaft
beigetreten sind und auch den notwendigen finanziellen Beitrag für
den Erhalt aufbringen. Auf Antrag der damaligen Stadträtin
Enthüllung der Gedenkplatte
1963, Günther Klotz 2.v.r.
Heidemarie Leins wurde die Stadt Bretten 2016 Mitglied. Seither sind Vertreter der Stadt
und Schüler zur jährlichen Gedenkveranstaltung in Gurs, die gemeinsam von der AG-Gurs
und der IRG-Baden veranstaltet wird. Für die Teilnehmer ist ein bleibendes, anrührendes
Erlebnis, den Friedhof zu sehen und über das ehemalige Lagergelände zu gehen und
überlebenden Zeitzeugen zu zuhören. Gemäß einem traditionellen jüdischen Brauch werden
bei dieser Gelegenheit auch kleine Steine aus der Heimat Bretten auf die Grabsteine der
ehemaligen Mitbürger gelegt.
2. Kontaktpflege mit den ehemaligen jüdischen Bürgern und ihren Nachfahren
Seit Jahrzehnten pflegt die Stadt Kontakte zu ehemaligen jüdischen Mitbürgern und ihren
Nachfahren. Bis heute besuchen die Nachfahren ehemaliger Mitbürger die
Melanchthonstadt, um sich auf die Spuren ihrer Vorfahren zu begeben. Gemeinsam mit
Heidemarie Leins, die seit vielen Jahren diese Kontakte ehrenamtlich pflegt, ergründen die
Besucher, wie ihre Familien hier früher gelebt haben. Durch diese Begegnungen sind
inzwischen freundschaftliche Kontakte zum Beispiel zu den Familien Veis, Koppel,
Bodenheimer und Wertheimer nach Großbritannien, USA, Australien, Israel und
Südamerika entstanden. Allen Besuchern ist es jedes Mal eine große Freude, wenn sie bei
ihrem Besuch in Bretten vom Oberbürgermeister empfangen werden und noch Zeit bleibt für
einen Besuch im Stadtarchiv und auf dem jüdischen Friedhof.
Siegfried Herrmann und Beate Wallheimer, geb.
Herrmann, zu Besuch in Bretten 1986
3. Denkmalpflege
Familie Pereles-Veis in Bretten anlässlich der
Stolpersteinverlegung für Bruno Veis 2017
Im Stadtpark „Alter Friedhof“ stehen eine Tafel mit 18
Namen und dahinter eine große Skulptur. Skulptur
und Tafel ergeben ein Ganzes. Die jüdische Gemeinde
in Bretten war ein Teil eines Ganzen, und durch die
Deportation ist das Ganze auseinandergebrochen.
Diesem Thema stellte sich der Künstler Karl Vollmer
und schuf 2001 das Denkmal mit dem Titel „das
gebrochene Rad – Gurs“. Die Skulptur soll beim
Vorbeigehen die Menschen an die Deportation der
letzten in Bretten lebenden Juden erinnern.
4. Stolpersteinprojekt des Melanchthon-Gymnasiums (2004-2020)
Das Projekt „Stolpersteine“ wurde 2003 vom
Kölner Künstler Gunter Demnig ins Leben
gerufen. Ein Stein soll an einen Menschen
erinnern, der unter der Nazi-Herrschaft
ausgegrenzt, verfolgt oder ermordet wurde. In
Gedenken an die Brettener Opfer des
Nationalsozialismus wurden am 18. November
2004 von den Geschichtskursen des Melanchthon-
Gymnasiums die ersten zwölf „Stolpersteine“
verlegt, um auf den Gehwegen vor den letzten
frei gewählten Wohnsitzen an das Leben und ihr
Schicksal zu erinnern. Hierbei recherchierten
Schülerinnen und Schüler die Biographien der
verfolgten und deportierten Juden in Bretten anhand von Literatur, Zeitzeugengesprächen und
Besuchen im Stadtarchiv Bretten und im Generallandesarchiv Karlsruhe. Neben den Biografien der
achtzehn Deportierten aus Bretten wurden damals die Lebensdaten und Schicksale von fünf
weiteren jüdischen Opfern von Schülerinnen und Schülern intensiv recherchiert. Unter der Leitung
der Geschichtslehrer Dirk Lundberg und Volker Adam sind somit in den vergangenen 16 Jahren
mittlerweile 34 Stolpersteine in Bretten verlegt worden.
5. Mahnmal-Projekt des Edith-Stein-Gymnasiums (2005-2007)
Zum 65. Jahrestag der Deportation der badischen Juden und Jüdinnen nach Gurs wurde auf dem
Tagungsgelände der Evangelischen Jugend in Neckarzimmern ein Mahnmal in Form eines
Davidsterns der Öffentlichkeit übergeben. In Bretten wurde dieses ökumenische Projekt vom Edith-
Stein-Gymnasium und der Max-Planck-Realschule 2004/05 aufgegriffen. Begleitet von der
Geschichtslehrerin Eva Obbarius und der
Künstlerin Rosemarie Vollmer schufen die
Schüler und Schülerinnen einen gegossenen
Betonquader, der symbolisch mit seiner grauen
Farbe auf die Massenabfertigung,
Massenvernichtung hinweist. Die Zahl 18 steht
für die 18 Brettener Bürger, die am 22.10.1940
deportiert wurden. Im Jahr 2007 ergänzte die
gleiche Arbeitsgruppe das Mahnmal mit einer
Tafel mit Schienen von Bretten nach Gurs, die
nicht gerade liegen, versehen mit 18
Bahnschwellen, jede mit einem Namen. Neben
den Schwellen liegt eine tote Taube mit einer
Träne am Auge.