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Goldhaubenzeitung 2010/2 - Goldhauben.net

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vom Land in die Stadt gezogen sind, um dort Arbeit und Brot<br />

zu finden, denen, die in ein anderes Bundesland übersiedeln<br />

mussten, oder auch denen, die im fernen Ausland versuchten,<br />

neue Wurzeln zu schlagen. Die Landsmannschaften haben<br />

als Zeichen ihrer Zugehörigkeit bei ihren Zusammenkünften<br />

immer die Tracht ihres Geburtslandes getragen, auch wenn<br />

sie sich in der fremden Kultur integriert haben.<br />

„die Werktagstracht war in der notzeit<br />

ein Rettungsanker, die Festtracht allerdings<br />

war dem Verfall Preis gegeben.“<br />

Natürlich hat all das, was in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun-<br />

derts über unsere Heimat hinweggegangen ist, das Image<br />

der Tracht beschädigt. Kriegs- und Nachkriegszeit, Wirt-<br />

schaftskrise der 30iger Jahre, Strukturwandel – wir sind von<br />

einem Bauernland zu einem Industrieland geworden - und<br />

schließlich die brutale Vernichtung von Menschen- und Kul-<br />

turgütern, die der 2. Weltkrieg mit sich brachte. Aber gera-<br />

de in diesen Zeiten erleben wir die vielen Möglichkeiten der<br />

Tracht. Die Werktagstracht war in der Notzeit ein Rettungsan-<br />

ker, die Festtracht allerdings war dem Verfall Preis gegeben.<br />

Unsere Werktagstrachten erlaubten die Improvisation. Sie<br />

waren in ihrer Konzeption geradezu darauf ausgerichtet. In<br />

der Zeit des 2. Weltkrieges und danach hat man Dirndlkleider<br />

aus allen Resten zusammengestückelt, aus Bettzeug und was<br />

sonst sich in der Familie fand. Die Baronin Trapp hat mir sel-<br />

ber erzählt, dass sie in Amerika für ihre Kinder aus allem was<br />

zur Verfügung stand, aus Tischtüchern und sogar aus Vor-<br />

hängen, Dirndlkleider geschneidert hat. Und diese Dirndl-<br />

kleider haben immer das Entzücken und die Begeisterung al-<br />

ler erweckt. Viele von uns wissen es auch noch, dass aus den<br />

Uniformen der Heimkehrer die ersten Trachtenanzüge für die<br />

Männer entstanden sind. Diese unsere Werktagstrachten ha-<br />

ben uns über Engpässe gerettet und wir haben sie dadurch<br />

am Leben erhalten.<br />

Den Festtagstrachten ist es schlechter ergangen. Die kost-<br />

baren Textilien altern und es gab keine Möglichkeit, diese<br />

besonderen Stücke nachzuschneidern. Die schönste Tracht<br />

ist eben nicht mehr schön, wenn die Posamentrie abgewetzt,<br />

die Seide brüchig oder das Tuch fadenscheinig geworden ist.<br />

Und natürlich verspürte man in diesen Notzeiten nicht unbe-<br />

dingt Freude daran, sich seidene Gewänder anzuziehen und<br />

goldene Hauben aufzusetzen. Trotzdem, wenn es von der<br />

Jahrhundertwende bis nach dem 2. Weltkrieg nicht so viele<br />

„Sturschädln“ gegeben hätte, die bedingungslos festhielten<br />

am Heimatgedanken und an der Tracht, hätte eine Renais-<br />

sance des landschaftsgebundenen Selbstbewusstseins, das<br />

sich ja in der Tracht dokumentiert, nicht stattfinden können,<br />

so wie wir es in den letzten Jahrzehnten erlebt haben.<br />

Wenn ich vom „Heute“ rede, beginne ich in den 50iger Jah-<br />

ren. Nach dem Krieg wurden die Heimatwerke gegründet, die<br />

nicht nur unserem bodenständigen Handwerk eine Chance<br />

gaben, die sich auch mit der Wiederbelebung der Tracht –<br />

mit der sogenannten Trachtenerneuerung – befassten. Für<br />

uns in Oberösterreich ist dieses Geschehen eng mit dem Na-<br />

men des Volkskundlers Hofrat Dr. Franz Lipp verbunden. Er<br />

hat die Tracht entrümpelt, vom Herzerl- und Gamserlkitsch<br />

befreit und die Freude an dieser Kleidung wieder erweckt.<br />

Zuerst waren es die Musikkapellen, die in Tracht eingeklei-<br />

det wurden, später die Chöre und Tanzgruppen. Eine Renais-<br />

sance der <strong>Goldhauben</strong>-, Kopftuch- und Huttrachten, also un-<br />

serer ganz großen festlichen Trachten, fand erst in den 70iger<br />

Jahren statt.<br />

beRiChte deR landeSleitung<br />

Prof. Franz von der Salzburger Textilhochschule hat eine be-<br />

schädigte Goldhaube zerlegt und konnte so nachvollziehen,<br />

wie sie damals in der Biedermeierzeit von den Putzmache-<br />

rinnen hergestellt wurde. Frau Prof. Dr. Katharina Dobler, im<br />

oberösterreichischen Volksbildungswerk tätig, hatte die Idee,<br />

über das Volksbildungswerk Kurse anzubieten, in denen den<br />

Frauen die Möglichkeit geboten wurde, ihre Hauben selber<br />

zu sticken. Niemand hat sich damals vorstellen können, dass<br />

diese Idee so einschlagen wird. Den <strong>Goldhauben</strong>stickkursen<br />

folgten Trachtennähkurse und die Frauen begannen mit<br />

diesen Dingen ihren 1. Schritt ins oberösterreichische Kul-<br />

turleben. Ausstellungen wurden gestaltet, in denen man das<br />

Neue mit dem Alten zur Schau stellte. Das Besondere an die-<br />

ser Belebung der großen Festtrachten ist die Tatsache, dass<br />

sie nicht von oben her verord<strong>net</strong> oder angekurbelt wurde,<br />

hier ist etwas ganz von selber gewachsen. Die Entwicklung<br />

unserer Gemeinschaft im Land Oberösterreich ist ein eigenes<br />

Kapitel, das den Rahmen hier sprengen würde.<br />

Fest steht auf jeden Fall eines, es ist heute nicht mehr möglich,<br />

dass ein Wissenschaftler oder Experte den Menschen einfach<br />

vorschlägt oder vorschreibt, was sie anziehen sollen. Heute<br />

haben wir bei allen Erneuerungsbestrebungen die Bürger-<br />

mitbestimmung und das trifft auch auf die Tracht zu. Es ist<br />

ein gutes Zeichen für die Trachtenerneuerung der 50iger Jah-<br />

re, dass sie ein halbes Jahrhundert unangetastet akzeptiert<br />

wurde. So gegen die Jahrtausendwende war aber plötzlich<br />

das Bedürfnis im Land OÖ zu spüren, dass eine Erweiterung

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