1997 – 2007 - Sektion Obergailtal-Lesachtal

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REPORTAGE Wieder einmal folgen dutzende Schitourengeher aus dem Gailund Lesachtal am 18. März dem Ruf unserer Freunde aus Forni Avoltri und waren zeitig in der Früh zum traditionellen „Fleons Lauf“ aufgebrochen. Entgegen aller Wetterprognosen herrscht herrliches Wetter mit tadellosen Schneeverhältnissen, die Spur durchs Frohntal ist gefroren, die von der Morgensonne beleuchteten Kalkfelsen der Weißsteinspitze und des Hochalpl zwingen einen förmlich zum Verweilen und Fotografieren. Problemlos erreichen wir den letzten Aufschwung zum Hochweißsteinhaus, wo sich die Spur im scharfen Zick-Zack empor windet und mich irgendwann abwirft, weil sie zwischendurch ziemlich vereist ist. Hermagorer Freunde im Speisesaal Hochweißsteinhaus mit Hochalpl „Kein Problem“, denke ich, „schließlich habe ich die Harscheisen im Rucksack, die ich auf dem schmalen Absatz bei der nächsten Spitzkehre montieren werde!“ Gedankenlos nehme ich den Rucksack ab, öffne den Reißverschluss der Außentasche, greife hinein und ziehe besagtes Gerät heraus. Im gleichen Augenblick höre ich ein kurzes, blechernes Scheppern und sehe im Augenwinkel ein schönes, messingfarbenes Metalletui mit meiner erst kürzlich um mehrere hundert Euro erworbenen Gleitsichtbrille der Schwerkraft folgen. Ein kühner Hechtsprung mit den Schiern an den Beinen endet mit lautem Fluchen im Gestrüpp, das aalglatte Behältnis wird auf dem steilen, gefrorenen Schnee immer schneller und verschwindet schließlich hinter einem Absatz. Was dann folgt, ist mit Worten kaum zu beschreiben, weil ich, vom Willen besessen, das wertvolle Ding wieder zu finden, zu Fuß der Fall- bzw. Abrutschlinie folge und tief unten hinter einem Stein fündig werde. Doch, oh Schreck, der Deckel ist offen, der Hohlraum mit Schnee gefüllt, weit und breit keine Spur von meinem unentbehrlichen Die Sieger Walter, Sepp und Konrad Wegen der Brille zum Brüllen . . . Warum der Anmarsch zum Fleonslauf zur Tortur mit Sucheinsatz wurde. Sehbehelf. Zum Brüllen ist das mit der Brille, oder nicht? „Ritorno, Giuseppe, das Ganze von vorne, vielleicht ist das Band, mit dem ich sie mir tagsüber im Büro um den Hals hänge, irgendwo hängen geblieben!“, sinniere ich und kämpfe schweißgebadet den steilen Hang hoch. Nichts! „Von oben siehst du besser!“, bilde ich mir ein und stapfe noch intensiver suchend neben der alten Spur tiefer. Irgendwann muss ich wirklich brüllen wegen der Brille, weil ich sie wegen des dünnen, schwarzen Bandes, das mit einer wenige Zentimeter langen Schlinge aus dem Schmelzloch neben einem Strauch heraus ragt, finde und berge! Danach war an diesem Tag alles andere eigentlich Nebensache, so der weitere Aufstieg zur Hütte, die Einkehr bei Ingeborg im HWH, die letzten zweihundert sonnendurch- Da passt einfach alles Bei der Fleons Alm fluteten Höhenmeter zum Öfner Joch, die anstrengende Abfahrt im tiefen Frühjahrsschnee, die Rast bei der Fleons-Almhütte, der steile Abstieg zum Auto, das Essen bei Anna Samassa, das lange Warten auf die Unermüdlich im Einsatz: Anna Samassa Siegerehrung, der achte Rang mit meinen Kameraden Walter und Konrad in der Wertung der Bergrettungsklasse und der erste Platz in einer Spezialwertung keiner weiß bis heute nach welchen Regeln mit Riesenpokal, die feuchtfröhliche Heimfahrt mit Horst als verlässlichem Chauffeur sowie die obligatorischen Einkehrschwünge bei Valeriano in der Casetta in Canada und beim Guggi in Mauthen. Sepp Lederer 18 | SOMMER 2007 www.OeAV Obergailtal.at Oesterreichischer Alpenverein · Sektion Obergailtal-Lesachtal

Wo der Gailtalbär herkommt Herzliche Umarmungen, das eine oder andere Glas Slivovic, ein kleiner Kampf mit den Steinen unter der Triglav Nordwand, der Hatscher zurück zum Aljascev dom, der herrliche Eintopf mit einem kühlen Bier und die pünktliche Siegerehrung sind seit nunmehr 35 Jahren Markenzeichen des „Kofler memorial“, einem der letzten Schitourenläufe in den Ostalpen im Triglav-Nationalpark. So auch heuer, wo wir mit vier Dreier-Mannschaften aus dem Gailtal dabei waren und ich als Ältester von Ortsstellenleiter Roland Pranter und Kameraden Georg Zankl zum Mannschaftsführer erkoren, unsere Gruppe in fast immer eleganten, weiten Schwüngen und wie Tarzan sich über eine Latschen-Barriere schwingend, mit viel Zeitgefühl Richtung Ziel führte. Als beste ausländische Gruppe schrammten wir um lächerliche 13 Sekunden, die wir zu langsam waren, haarscharf am Sieg vorbei. Das vertraute „Sepp, musst kommen zu mir auf die Hütte!“ Start auf dem Luknja Pass des obersten Nationalpark- Wächters und Freundes Toni nachträglich herzliche Gratulation zum 50. Geburtstag versprach einen gemütlichen und unterhaltsamen Nachmittag mit und bei Freunden in Slowenien. So war es auch! Der Blick in das gewaltige Triglav-Massiv und über die weiten Wälder des Vrata-Tales lassen einen wirklich erahnen, wo unser Gailtalbär herkommt. Sepp Lederer Nationalpark-Chef und Freund Toni Mitgliederzeitung „IM BLICKPUNKT“ www.OeAV Obergailtal.at Die Teilnehmer aus Kärnten REPORTAGE Auf dem Weg zum Luknja Pass Bei Toni’s Hütte 2007 SOMMER | 19

REPORTAGE<br />

Wieder einmal folgen dutzende<br />

Schitourengeher aus dem Gailund<br />

<strong>Lesachtal</strong> am 18. März dem<br />

Ruf unserer Freunde aus Forni<br />

Avoltri und waren zeitig in der Früh<br />

zum traditionellen „Fleons Lauf“<br />

aufgebrochen. Entgegen aller Wetterprognosen<br />

herrscht herrliches<br />

Wetter mit tadellosen Schneeverhältnissen,<br />

die Spur durchs Frohntal<br />

ist gefroren, die von der Morgensonne<br />

beleuchteten Kalkfelsen der<br />

Weißsteinspitze und des Hochalpl<br />

zwingen einen förmlich zum Verweilen<br />

und Fotografieren.<br />

Problemlos erreichen wir den<br />

letzten Aufschwung zum Hochweißsteinhaus,<br />

wo sich die Spur<br />

im scharfen Zick-Zack empor windet<br />

und mich irgendwann abwirft,<br />

weil sie zwischendurch ziemlich<br />

vereist ist.<br />

Hermagorer Freunde<br />

im Speisesaal<br />

Hochweißsteinhaus mit Hochalpl<br />

„Kein Problem“, denke ich,<br />

„schließlich habe ich die Harscheisen<br />

im Rucksack, die ich auf dem<br />

schmalen Absatz bei der nächsten<br />

Spitzkehre montieren werde!“<br />

Gedankenlos nehme ich den<br />

Rucksack ab, öffne den Reißverschluss<br />

der Außentasche, greife<br />

hinein und ziehe besagtes Gerät<br />

heraus. Im gleichen Augenblick höre<br />

ich ein kurzes, blechernes Scheppern<br />

und sehe im Augenwinkel ein<br />

schönes, messingfarbenes Metalletui<br />

mit meiner erst kürzlich um<br />

mehrere hundert Euro erworbenen<br />

Gleitsichtbrille der Schwerkraft folgen.<br />

Ein kühner Hechtsprung mit<br />

den Schiern an den Beinen endet<br />

mit lautem Fluchen im Gestrüpp,<br />

das aalglatte Behältnis wird auf<br />

dem steilen, gefrorenen Schnee<br />

immer schneller und verschwindet<br />

schließlich hinter einem Absatz.<br />

Was dann folgt, ist mit Worten<br />

kaum zu beschreiben, weil ich,<br />

vom Willen besessen, das wertvolle<br />

Ding wieder zu finden, zu Fuß der<br />

Fall- bzw. Abrutschlinie folge und<br />

tief unten hinter einem Stein fündig<br />

werde. Doch, oh Schreck, der<br />

Deckel ist offen, der Hohlraum mit<br />

Schnee gefüllt, weit und breit keine<br />

Spur von meinem unentbehrlichen<br />

Die Sieger Walter,<br />

Sepp und Konrad<br />

Wegen der Brille<br />

zum Brüllen . . .<br />

Warum der Anmarsch zum Fleonslauf zur Tortur<br />

mit Sucheinsatz wurde.<br />

Sehbehelf. Zum Brüllen ist das mit<br />

der Brille, oder nicht? „Ritorno,<br />

Giuseppe, das Ganze von vorne,<br />

vielleicht ist das Band, mit dem ich<br />

sie mir tagsüber im Büro um den<br />

Hals hänge, irgendwo hängen geblieben!“,<br />

sinniere ich und kämpfe<br />

schweißgebadet den steilen Hang<br />

hoch. Nichts! „Von oben siehst du<br />

besser!“, bilde ich mir ein und stapfe<br />

noch intensiver suchend neben<br />

der alten Spur tiefer. Irgendwann<br />

muss ich wirklich brüllen wegen<br />

der Brille, weil ich sie wegen des<br />

dünnen, schwarzen Bandes, das<br />

mit einer wenige Zentimeter langen<br />

Schlinge aus dem Schmelzloch<br />

neben einem Strauch heraus ragt,<br />

finde und berge!<br />

Danach war an diesem Tag alles<br />

andere eigentlich Nebensache, so<br />

der weitere Aufstieg zur Hütte, die<br />

Einkehr bei Ingeborg im HWH, die<br />

letzten zweihundert sonnendurch-<br />

Da passt<br />

einfach alles<br />

Bei der Fleons Alm<br />

fluteten Höhenmeter zum Öfner<br />

Joch, die anstrengende Abfahrt im<br />

tiefen Frühjahrsschnee, die Rast bei<br />

der Fleons-Almhütte, der steile Abstieg<br />

zum Auto, das Essen bei Anna<br />

Samassa, das lange Warten auf die<br />

Unermüdlich im Einsatz:<br />

Anna Samassa<br />

Siegerehrung, der achte Rang mit<br />

meinen Kameraden Walter und<br />

Konrad in der Wertung der Bergrettungsklasse<br />

und der erste Platz<br />

in einer Spezialwertung <strong>–</strong> keiner<br />

weiß bis heute nach welchen Regeln<br />

<strong>–</strong> mit Riesenpokal, die feuchtfröhliche<br />

Heimfahrt mit Horst<br />

als verlässlichem Chauffeur sowie<br />

die obligatorischen Einkehrschwünge<br />

bei Valeriano in der Casetta<br />

in Canada und beim Guggi in<br />

Mauthen.<br />

Sepp Lederer<br />

18 | SOMMER <strong>2007</strong> www.OeAV <strong>Obergailtal</strong>.at<br />

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