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DKV - Chronik des Karate

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Länder<br />

Stern in Silber für GKV Lotus Eppertshausen<br />

Neue Perspektiven für Flüchtlingskinder Katharina Iskandar<br />

“Egal, woher, in der Halle sind alle gleich”<br />

EPPERTSHAUSEN. Wenn Arshad<br />

Dehqazadah in der Halle steht, den grünen<br />

Gürtel fest um seine Hüften gezurrt, kann er<br />

sie endlich vergessen. Die Bilder, die ihn<br />

noch vor sechs Jahren verfolgt haben, als er<br />

mit seinen Eltern als afghanischer Flüchtling<br />

nach Deutschland kam. Eine Zeit, die der<br />

dreizehn Jahre alte Sportler noch immer mit<br />

Begriffen wie “Fremde” oder “Einsamkeit”<br />

beschreibt. Still ist der schmale, hochgewächsene<br />

Junge, obwohl er Deutsch mittlerweile<br />

fast so gut beherrscht wie seine<br />

Muttersprache. Wenn er aber doch erzählt,<br />

dann davon, daß er in Taekwondo irgendwann<br />

einmal bei den Olympischen Spielen<br />

kämpfen will - für Deutschland. Vor einem<br />

Jahr hörte Arshad Dehqazadah von dem<br />

Verein, der bei der Flüchtlingshilfe<br />

Rödermark unter dem Namen “Gesundheitsund<br />

Kampfsportverein Lotus Eppertshausen<br />

e. V.” um Mitglieder warb und im<br />

Gemeindehaus der evangelischen Kirche in<br />

Urberach Training für Flüchtlingskinder<br />

anbot. Vereinsbeiträge würden erlassen,<br />

hieß, es. Und auch die rund 35 Euro teuren<br />

Anzüge werden vom Verein gekauft.<br />

Dreimal in der Woche mit anderen Jugendlichen<br />

zu trainieren war “cooler, als nach<br />

der Schule durch Urberach zu ziehen und<br />

den Rest <strong>des</strong> Tages in der Wohnung der<br />

Familie zu verbringen”, erinnert sich<br />

Arshad. Schließlich wohnt er in einer<br />

Siedlung, in der fast nur Familien leben, die<br />

wegen Krieg oder Unruhen ihre Heimat verlassen<br />

mußten. Kontakt zu deutschen<br />

Kindern bekam er erst durch den Verein.<br />

Der Sport ist zum Lebensinhalt geworden.<br />

Wenn er nachmittags in seinem reinlich<br />

gepflegten Anzug in der” “Halle” steht, wie<br />

die Kinder das Gemeindehaus nennen,<br />

dann ist er wohl nicht der einzige, der durch<br />

den Sport der Vergangenheit entfliehen<br />

kann, als würden all die grausamen Bilder,<br />

die sich in den Köpfen der Kinder festgesetzt<br />

haben, mit Fausthieben, Tritten und<br />

Drehungen abgeschüttelt.<br />

“In einer fremden Welt muß man Wege finden,<br />

um in der Zukunft zurechtzukommen”,<br />

sagt Ernes Erko Kalac. Der gebürtige<br />

Jugoslawe hat den Verein vor drei Jahren<br />

gegründet und ist deren erster Vorsitzender,<br />

obwohl er gleichzeitig noch Nationaltrainer<br />

der <strong>Karate</strong>-Nationalmannschaft von Serbien<br />

und Montenegro ist und als Sportlehrer in<br />

einer Behindertenschule arbeitet. Integration,<br />

sagt er, sei für ihn ein “Zauberwort”, weil<br />

sich gerade im Sport die Herausforderung<br />

bietet, unterschiedliche Nationalitäten zu<br />

vereinen. “Immer wieder wird über<br />

Integration gesprochen. Das Ziel aber doch<br />

ist es; geeignete Modelle zu finden.” Kalac,<br />

hat eines gefunden, das sich bewährt. Von<br />

Anfang an bekam er Unterstützung von der<br />

Sportjugend Hessen und dem Deutschen<br />

Sportbund (DSB). Erst am Samstag verlieh<br />

der DSB dem Verein bei seinem jährlichen<br />

Nikolaus-Cup die. Auszeichnung “Stern in<br />

Silber”.<br />

Die Idee für die Integration der Urberacher<br />

Flüchtlingskinder kam Kalac 2003. Kurz<br />

nach der Vereinsgründung habe der,<br />

Jugoslawe einen befreundeten Sportler<br />

unterstützt, der sich mit kriminellen<br />

Geschäften sein Leben finanzierte. ;,Das hat<br />

mir die Augen geöffnet”, sagt Kalac, der in<br />

seiner aktiven Zeit als Sportler jeweils den<br />

dritten Platz bei der Europameisterschaft<br />

1987 .und bei der Weltmeisterschaft 1988<br />

im <strong>Karate</strong> errang, außerdem 1991 noch den<br />

Weltcup im Kickboxen gewann. “Ich dachte,<br />

wenn ich ihm helfen konnte, dann doch<br />

Der Lotus Eppertshausen bietet<br />

Flüchtlingskindern ein Stück Normalität<br />

(15.09.2005) - Gut die Hälfte der Kinder<br />

und Jugendlichen in den <strong>Karate</strong>kursen <strong>des</strong><br />

GKV Lotus Eppertshausen sind ausländischer<br />

Herkunft und stammen aus dem<br />

Flüchtlingswohnheim der Stadt. Neben<br />

sozialer Integration bieten die Sportangebote<br />

<strong>des</strong> Vereins den jungen Teilnehmern<br />

auch die Möglichkeit, ihre oftmals traumatischen<br />

Einwanderungssituationen zu verarbeiten.<br />

Die Volksbank eG Eppertshausen<br />

zeichnete den Verein für sein erfolgreiches<br />

Engagement nun mit dem “Großen Stern <strong>des</strong><br />

Sports” in Bronze aus. Das Trainingszentrum<br />

<strong>des</strong> Gesundheits- und Kampfsportvereins<br />

Lotus Eppertshausen befindet sich in einem<br />

evangelischen Gemeindehaus. Hier treffen<br />

sich regelmäßig mehr als 50 begeisterte<br />

Kinder und Jugendliche zum gemeinsamen<br />

Training. Etwa 20 der jungen Teilnehmer<br />

sind deutscher Herkunft, die weiteren 30<br />

kommen aus dem Flüchtlingswohnheim.<br />

Mit großem Erfolg gelingt es dem Verein in<br />

Kooperation mit der Flüchtlingshilfe Rödermark<br />

e.V., der evangelischen Kirche Urberach<br />

sowie dem Programm “Integration<br />

durch Sport” der Sportjugend Hessen sogar,<br />

eine Vielzahl von Flüchtlingskinder aus dem<br />

islamischen Kulturkreis für das Training im<br />

evangelischen Gemeindehaus zu gewinnen.<br />

Inzwischen haben sich auch einige Kontakte<br />

zwischen den Flüchtlingskindern und<br />

den jugendlichen Mitgliedern der Kirchengemeinde<br />

ergeben, die sich öfter zu den<br />

gemeinsamen Tischtennisspielen treffen.<br />

Zudem zeigt sich die große Beliebtheit <strong>des</strong><br />

Angebots auch darin, dass sich viele der<br />

Teilnehmer schon lange vor Trainingsbeginn<br />

bereits vor der Halle treffen. Sport für ein<br />

Stück Normalität im Leben Ziel der Kurse<br />

ist, das Selbstbewusstsein der Jugendlichen<br />

zu steigern und ihre körperliche Fitness zu<br />

steigern.<br />

Hessen<br />

auch allen anderen, die durch die<br />

Lebensumstände als Flüchtling keine<br />

Perspektive sehen.” Durch die Einbindung<br />

in den Verein wolle er es den Kindern einfacher<br />

machen, sich zurechtzufinden.<br />

“Einfacher jedenfalls, als ich es selbst gehabt<br />

habe”, sagt der, 41 Jahre alte Athlet, der vor<br />

sieben Jahren nach Deutschland kam und<br />

trotz Unterstützung <strong>des</strong> Deutschen <strong>Karate</strong><br />

Verbands lange gebraucht hat, um sein<br />

Leben jenseits <strong>des</strong> Spitzensports in der<br />

neuen “Heimat zu arrangieren. Im Sport,<br />

sagt er, setze er auf Gleichheit. Es sei<br />

schwierig genug, den Kindern zu vermitteln,<br />

warum die deutschen nach dem Training<br />

von ihrem Vater im Merce<strong>des</strong> abgeholt werden<br />

und die ausländischen Kinder mit dem<br />

Fahrrad oder gar zu Fuß. “Das ist ungerecht,<br />

aber kein Grund, Neid oder Verzweiflung<br />

zuzulassen.” In der Halle jedenfalls seien<br />

alle gleich. “Egal, aus welchem land, alle<br />

stehen in einem weißen Anzug vor mir und<br />

müssen denselben Regeln folgen. Das ist<br />

doch schon ein guter Ansatz.” Kalac ist zum<br />

Vorbild für die Kinder geworden - für die<br />

ausländischen wie auch die 'deutschen.<br />

“Wahrscheinlich sehen sie in mir ein<br />

Beispiel dafür, daß man mit Fleiß und<br />

Disziplin weiterkommt, egal in welchem<br />

Land”, meint der Jugoslawe. “Wenn die<br />

Kinder merken, daß sie ernst genommen<br />

werden, horchen sie auf.” Auch Arshad<br />

Dehqazadah hat in Ernes Erko Kalac einen<br />

Zuhörer gefunden. Oft erzähle er ihm von<br />

seinem Wunsch; irgendwann einmal groß'<br />

rauszukommen und bei internationalen<br />

Wettkämpfen dabeizusein. “Am Anfang sind<br />

es nur Träume”, sagt Kalac. “Aber den gleichen<br />

Traum hatte ich auch, und er hat sich<br />

erfüllt. Warum also sollte es bei den Kindern<br />

in Urberach anders sein?”<br />

Die Kinder und Jugendlichen der Flüchtlingswohnheime<br />

leben in der Regel in sehr beengten<br />

Verhältnissen und haben kaum<br />

finanzielle Mittel. Kulturelle Hürden und<br />

auch eine oftmals traumatisch erlebte<br />

Einwanderungssituation kennzeichnen ihr<br />

Leben. Der Sport bietet ihnen ein Stück<br />

Normalität und die Möglichkeit zu<br />

Kontakten mit einheimischen Jugendlichen.<br />

Um die Barrieren so gering wie möglich zu<br />

gestalten, sind die Bewohner <strong>des</strong> Flüchtlingswohnheims<br />

von der Zahlung eines Mitgliedsbeitrages<br />

befreit. Dennoch werden sie<br />

als reguläre Mitglieder <strong>des</strong> Vereins geführt<br />

und haben auch die üblichen Rechte aller<br />

anderen Vereinsmitglieder. Gemeinsam mit<br />

einem Sponsor ist es darüber hinaus gelungen,<br />

für alle Kinder und Jugendlichen aus<br />

dem Flüchtlingsheim, <strong>Karate</strong>anzüge kostenlos<br />

zur Verfügung zu stellen. Dadurch konnte<br />

ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung<br />

der Gruppe erreicht und die Bindung der<br />

Jugendlichen an das <strong>Karate</strong>training erhöht<br />

werden.

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