Neue Szene Augsburg 2020-11
Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung
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HEIMATKLÄNGE
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Ein Trauma?
Christina: Ja, das rührt noch aus meiner
Schulzeit her. Mir wurde bereits in der Grundschule
das Mitsingen verboten. Erst durch meinen
Freund und heutigen Mann Raphael bin ich
dann zum Singen gekommen. Er ist
Singer/Songwriter und Musikpädagoge und der
Überzeugung, dass jeder Mensch singen kann.
Ich hätte in meinem Fall jede Wette dagegen gehalten,
aber Raphael hat es tatsächlich geschaff,
mich in die Gesangsspur zu bringen. Seitdem
kann ich zu meinen Liedtexten auch Melodien
hören und diese wiedergeben.
Wie habt ihr euch als Band gefunden?
Christina: Eine Freundin von mir hat immer
gesagt, dass wir eine Band gründen, wenn ich singen
kann. Als ich dann meinen ersten Songtext
mit Melodie geschrieben hatte, haben wir gleich
mal als Duo losgelegt, doch schnell gemerkt, dass
wir an unsere Grenzen stoßen, was die Instrumentierung
angeht. Und als sich bei mir in der
Arbeit eines Tages meine Kollegen Nathalie mit
ihrem Flügelhorn in Richtung Orchesterprobe
verabschiedet hat, hab ich sie daraufhin gefragt,
ob sie nicht lieber in einer Mädelsband spielen
will. Damit waren wir also schon zu dritt.
Veronika: Und so ging das step by step weiter,
bis wir schließlich komplett waren. Unser Ziel
war es von Beginn an, eine reine Female-Band zu
sein. Von uns ist keine die Rampensau, man kann
sich ausprobieren, es gibt keine falschen Eitelkeiten
und wir sind auch sehr unterstützend zueinander
(lacht).
So hätte ich euch auch eingeschätzt. Respektvoll
und basisdemokratisch.
Veronika: Absolut. Bei uns kann jedes Bandmitglied
mit ihren kreativen Ideen reingehen,
niemand wird unterdrückt und wir schreiben
und arrangieren die Songs gemeinsam.
Folk-Musiker*innen erzählen gerne Geschichten.
Wovon handeln eure?
Veronika: Bei uns dreht sich sehr viel um private
Themen, die von tatsächlich passierten Momenten
oder Situationen handeln. Es entsteht
eine gewisse Ambivalenz, denn obwohl wir uns
schon als glückliche Menschen bezeichnen würden,
schreiben wir trotzdem viele nachdenkliche,
ja sogar melancholische Lieder. Irgendwie fällt es
uns offenbar leichter, über traurige Themen zu
schreiben. Durch unseren ehrlichen Zugang können
wir mit unseren Zuhörer*innen eine authentische
Verbindung aufbauen.
Von euch existieren unglaublich viele Videos
im Netz. Ihr scheint einen sehr kreativen Output
zu haben.
Christina: Ja, das stimmt. Jede von uns hat auf
eine bestimmte Weise eine künstlerische Ader,
wir ergänzen uns da sehr gut. Und wir bewegen
uns aber auch in einem sehr kreativen Freundeskreis
mit vielen Leuten, die sich bei uns einbringen.
Ihr habt wochenlang Songs von Musikerinnen
wie Kimya Dawson, Alex The Astronaut,
Blond! oder Adrienne Lenker gecovert und
ins Netz gesetzt. Was hatte es denn damit auf
sich?
Veronika: Unser Radius wurde durch Corona
leider sehr eingeschränkt. Wir konnten eine zeitlang
gar nicht oder eben nur limitiert proben. So
sind wir auf die Idee gekommen, uns einigen Vorbildern
musikalisch anzunähern.
”I wrote you a song Mississippi Isabel
I even sent you flowers when you fell ill
You've the strength of the Greeks
You are God's masterpiece
You're every triumph, every victory
I believe in every breath you breathe.”
Immer wieder Corona ...
Veronika: Ja, uns hat das schon ziemlich getroffen.
Viele schöne Festivals sind uns weggebrochen.
Als Augsburgerinnen hatten wir uns gerade
auf das Modular sehr gefreut. Wir sind ja nicht
nur eine Band, die miteinander Musik macht, wir
sind sehr miteinander verbunden und es steht
nicht unbedingt immer nur die Musik im Vordergrund.
Christina: Ich hatte in meinem Leben ja nur
diese eine Band und bin immer wieder verwundert,
dass sich andere Bands "nur" zum Proben
treffen und sich wenig bis gar nicht unterhalten.
Während des Lockdowns haben wir uns vormittags
auch schon mal zu einem Skype-Frühstück
verabredet - natürlich zum Reden.
Ihr habt sogar einen eigenen Fanclub, den ja
kein Unbekannter gegründet hat.
Christina: Richtig, Achim ”Sechzig” Bogdahn
vom Zündfunk. Wir haben ihn vor zwei Jahren
bei einer seiner Sendungen im ”Café Dreizehn”
kennengelernt. Wir durften ein paar Songs performen
und er war so angetan, dass er spontan einen
Fanclub gegründet hat. Den gibt es heute noch
und er kommt auch immer brav zu unseren Konzerten,
wenn wir in München spielen (lacht). Letztes
Jahr durften wir das Theatron-Festival eröffnen
und da tauchte er mit einem Blumestrauß auf!
Ihr seid ja eine sehr universell einsetzbare
Band. Vom Lagerfeuer bis hin zur Ausstellungseröffnung,
wie zuletzt bei der Schwabillu.
Von Straßenmusik bis zum
Open-Air-Festival. Gibt es auch Grenzen?
Christina: Hochzeiten! Aber es stimmt, wir
können praktisch überall spielen und ein großer
Vorteil ist, dass wir auch rein akustisch auftreten
können.
Veronika: Quasi auspacken und loslegen.
Aber es macht schon auch riesigen Spaß, auf Festivals
mit größeren Bühnen zu spielen. Allerdings
sind wir mit unseren gefühlt tausend Instrumenten
auf der Bühne der Schrecken aller Tontechniker.
Euer zweites Album erschien Ende 2019 und
trägt den schönen Titel ”I´m free, cause I´m
not scared”. Das war vor Corona. Wie frei seid
ihr heute?
Veronika: Wir fühlen uns frei, auch wenn wir
nicht mehr so uneingeschränkt agieren können.
Der Begriff Freiheit hat unserer Meinung leider
durch die Corona-Demos eine negative Konnotation
bekommen. Da wird ein Freiheitsbegriff propagiert
oder vertreten, vor dem man eigentlich
Angst haben sollte.
Seid ihr eine Band für die Ewigkeit?
Christina: Ja! Ich kann mir das sehr gut vorstellen,
das mit 80 in dieser Form auch noch zu
machen. Aber was die nähere Zukunft betriff:
Dadurch dass wir derzeit nur sehr wenig spielen
können, arbeiten wir bereits am dritten Album,
für das wir uns auch richtig Zeit lassen.
Veronika: Es ist eine neue und große Herausforderung
für uns, erstmals werden wir auch auf
deutsch singen. Wir bewegen uns auch etwas weiter
vom klassischen Folk weg und arbeiten mehr
mit poppigen Elementen. Was die Instrumentierung
betriff, sind wir auch nicht mehr ganz so
verspielt. Trotz aller Freundschaft ist auch musikalische
Veränderung ein Anspruch für uns.
BESETZUNG:
Christina Kestler: Kinderklavier, Akkordeon,
Melodika, Glockenspiel | Nathalie Weber: Flügelhorn,
Trompete, Glockenspiel | Janna Hauser:
Gesang, Percussions, Glockenspiel, Ukulele
Veronika Kleiner: Gesang, Gitarre, Ukulele,
Cello | Johanna Rohr: Bass, Saxophon | Anna
Orth: Bratsche, Geige
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