Neue Szene Augsburg 2020-11
Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung
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Unwahr ist allerdings, dass Herausgeber und
Chef des Hauses, Benno Käsmayr, sich jemals auf
den “Buk”-Lorbeeren ausgeruht hätte. Quod erat
demonstrandum: Dieses Jahr feierte MARO seinen
50. Geburtstag. Bukowski hingegen ist seit 1994
nicht mehr unter den Lebenden. Auch wenn nach
wie vor Bände aus dem Nachlass des Originals in
deutscher Sprache ab und an erscheinen.
Die Geschichte dieser einzigartigen Klitsche
(was im positivsten Sinne des Wortes verstanden
werden soll) führt sogar noch vors Jahr 1970.
„Nach bestandenem Abitur in der Schule in
meiner Heimatstadt Dillingen 1968 fuhr ich mit
meinem Klassen- und Internatskameraden Franz
Bermeitinger zur Frankfurter Buchmesse, bewunderte
alle Kleinverlage in Halle 4 a und die auf der
Gegenbuchmesse in der Mensa der Uni”, berichtet
Benno Käsmayr, Jahrgang 1948, in dem vor Kurzem
erschienenen Almanach „Die untergründigen
Jahre”. Und weiter: „Als wir abends in der „Schwarz
Katz” im Stadtteil Sachsenhausen saßen, war uns
klar: das, was diese Kleinverlage auf die Füße stellten,
das können wir auch.”
Doch wie kam es zum ungewöhnlichen
Namen? „Mit dem Namen „Maro” hatte mein
Freund Franz seine Gedichte in der Internatszeitung
gezeichnet”, liest man in „Die untergründigen
Jahre” nach. „Seine damaligen Brieffreundinnen
hießen Maria und Roswitha, also warum nicht
„Maro”? Dass der Name dann blieb, war eher dem
Umstand geschuldet, dass uns nichts Besseres
einfiel.
Im Sommer 1969 stellten wir dann spaßeshalber
einen kleinen Band zusammen: „Das
große Scheißbuch”, mit verballhornten klassischen
Gedichten und ganz viel Werbeblättern dazwischen,
um eine gewisse Dicke zu bekommen. Wir
verkauften etwa zehn Stück für fünf Mark. Das war
eine Art Startkapital für „Maro”, ohne Frage.”
Käsmayr berichtet weiter: „Im Herbst 1969
traf ich in der Unimensa der LMU München, wo
ich damals studierte, rein zufällig Tiny Stricker,
den ich schon aus der Schulzeit kannte. Er hatte
bei einer Dichterlesung teilgenommen, die ich
kurz vor dem Abi im Internat organisiert hatte.
Tiny erzählte von seinem Orient-Trip und dass er
darüber geschrieben hatte. Das wollte ich lesen!
Ich bekam einen Stapel handgeschriebener Blätter,
dazwischen lagen auch von ihm beschriebene
Prospekte, Ansichtskarten Briefe - das Sammelsurium
einer spannenden Reise, inhaltlich ziemlich
experimentell. Das gefiel mir.
Um aber daraus ein Buch im Offset zu
machen, fehlte mir das Geld. Mein Schwager hatte
im Keller einen Spiritus-Umdrucker stehen, den
ich benutzen durfte. Das Problem war nur, dass ich
die DIN-A4-Matrizen nicht quer in meine Schreibmaschine
einspannen konnte. Ich musste also vor
dem Abtippen des Strickerschen Manuskripts die
Matrizen mit der Schere halbieren und anschließend
wieder faltenfrei mit Tesafilm zu alter Größe
zusammenkleben. So entstand der erste „Maro”-
Roman, der 1970 zum „Alternativbuch des Jahres”
gekürt wurde. Die Mühe hatte sich demnach
ausgezahlt.”
“Los ging alles mit dem
großen Scheißbuch.”
Benno Käsmayr war - und ist bis heute - ein
kultureller Freigeist, ein Mann mit Eigensinn.
Demnach ist es nur folgerichtig, dass er stets
dem Konzept des unabhängigen Verlegers treu
geblieben ist. In guten wie in schlechten Zeiten.
Begonnen hat die Laufbahn dieses notorischen
Querkopfs ausgerechnet in einem katholischen
Internat im schwäbischen Dillingen an der Donau.
„Ich wollte unbedingt aufs Gymnasium, meine
Eltern waren von dieser Idee nicht so angetan”,
erinnert sich Käsmayr. „Doch als ich bei meiner
Mutti durchblicken ließ, dass ich vielleicht Priester
werden möchte, war die Sache geritzt, weil sie eine
ziemlich gläubige Frau war.”
Zwar fühlte Schüler Benno sich in dem Institut
äußerst fehl am Platz. „Daher habe ich mich aus
dem Betrieb weitgehend ausgeklinkt”, reflektiert
der heute 72-Jährige lachend, “stattdessen habe ich
beinahe nur eines getan - unentwegt gelesen. Die
Literatur hat meine Seele beflügelt.”
Der Verleger in spe ging 1969 erstmal zum
WISO-Studium an die LMU in München, „das ich
auch beendet habe”, sagt er. „Heute darf ich mich
Diplom-Ökonom nennen. Aber die wahre Bestimmung
habe ich in einer Augsburger Druckerei
gefunden, wo ich neben dem Studium gearbeitet
habe. Nach und nach wurde ich zu einem passablen
Drucker, die Arbeitsvorgänge haben mir Spaß
bereitet, ich liebte den Geruch nach Klebstoff und
Papier.”
Die Begeisterung von Benno und Kompagnon
Franz fürs gedruckte Buch war dermaßen gewaltig,
dass sie 1970 MARO ins Leben riefen. Die ersten
Jahre wurden Werke in Klein- und Kleinst-Auflagen
gedruckt und verkauft. Neben „Trip Generation”
von Stricker wurden frühe Sachen etwa
der US-Beat-Ikonen Jack Kerouac und William S.
Burroughs verlegt, dem Hardcore-Autoren Jörg
Fauser und vielen anderen aus dem literarischen
Untergrund.
Mit Gedichten von Charles Bukowski zum
großen Erfolg
Das Geld war beständig knapp und man stand
kurz vor der Aufgabe. Da entdeckte Käsmayr eines
Tages Gedichte von Charles Bukowski. „Das Zeug
warf mich um”, schwärmt er bis heute. „Ich musste
unbedingt raus finden, ob ich Lizenzrechte von
diesem herrlichen Stoff für Deutschland bekommen
konnte.”
An dieser Stelle kommt Bukowski-Freund
Carl Weissner ins Spiel. Der Mannheimer Anglist,
tief mit der US-Underground-Szene verbunden,
hatte bereits seit einiger Zeit versucht, von ihm
übersetzte “Buk”-Texte bei deutschen Häusern
unterzubringen. Fehlanzeige!
„Dass ich Carl fragte, ob Bukowski nicht
im MARO-Verlag verlegt werden könnte, finde
ich heute noch ganz schön mutig”, erinnert sich
Käsmayr im Almanach „Die untergründigen Jahre”
beschwingt. „Dass Reissner zurückschrieb: „Besser
ein Buch in einem kleinen Verlag als gar kein
Buch”, war für mich der Hammer. Und der Anfang
des Verlags raus aus einem Dachzimmer hinein in
die Buchbranche.”
Mehr als 150.000 Bukowski-Werke wurden
verkauft im Laufe der kommenden Jahre - sensationelle
Zahl für einen Klein-Verlag. Als „Buk”
merkte, dass mit seinen Büchern in Deutschland
richtig gutes Geld zu verdienen ist, bat er Benno
und Carl, dass Lizenz-Rechte für Taschenbücher an
große Verlage verkauft werden sollen. So geschah
es. Und Käsmayr wurde nach eigener Aussage
„zwar alles andere als reich mit MARO. Aber ich
konnte fortan und bis heute genau den Stoff raus
geben, der mir taugt. Darauf bin ich irgendwie
stolz”, meint er.
Inzwischen hat sich der Mann mit dem nach
wie vor wuscheligen Lockenkopf weitgehend aus
dem Buch-Geschehen zurückgezogen. Das MARO-
Schild findet man nach wie vor, wie seit den 80ern,
an einem Fabrikgebäude im Augsburger Industriegebiet
Oberhausen. Doch seit einiger Zeit ist
Generationenwechsel angesagt: „Meine Tochter
Sarah steigt mehr und mehr ins MARO-Geschäft
ein”, freut sich der Herr Papa. „Sie ist ausgebildete
Diplom-Designerin, krempelt das Programm mehr
und mehr um, womit ich kein Problem habe. Kein
Wunder, dass es bei uns inzwischen auch Fachbücher
über Textil-Technik gibt.”
Die 33jährige Filia lebt aktuell in Berlin, „aber
wer weiß, vielleicht zieht es sie ja doch mal ganz
nach Augsburg. Ich mache da keinen Druck. Aber
schön wäre es schon. MARO soll und darf nicht
sterben”, hoff der Papa mit versonnenem Blick in
die Ferne.