38zOOmDer Augsburger Verlag MARO feiert seinen 50. GeburtstagEs ist wahr, dass der Augsburger MARO-Verlag zu einemprofessionellen Unternehmen wurde, als er Mitte der 70erBücher von Charles Bukowski veröffentlichte. Es ist auch wahr,dass MARO für immer und ewig mit dem amerikanischenKult-Underground-Autor und dessen Werk in Zusammenhanggebracht werden wird.Von Michael Fuchs-GamböckCharles Bukowskiund der ewige Underground
zOOm39Unwahr ist allerdings, dass Herausgeber undChef des Hauses, Benno Käsmayr, sich jemals aufden “Buk”-Lorbeeren ausgeruht hätte. Quod eratdemonstrandum: Dieses Jahr feierte MARO seinen50. Geburtstag. Bukowski hingegen ist seit 1994nicht mehr unter den Lebenden. Auch wenn nachwie vor Bände aus dem Nachlass des Originals indeutscher Sprache ab und an erscheinen.Die Geschichte dieser einzigartigen Klitsche(was im positivsten Sinne des Wortes verstandenwerden soll) führt sogar noch vors Jahr 1970.„Nach bestandenem Abitur in der Schule inmeiner Heimatstadt Dillingen 1968 fuhr ich mitmeinem Klassen- und Internatskameraden FranzBermeitinger zur Frankfurter Buchmesse, bewundertealle Kleinverlage in Halle 4 a und die auf derGegenbuchmesse in der Mensa der Uni”, berichtetBenno Käsmayr, Jahrgang 1948, in dem vor Kurzemerschienenen Almanach „Die untergründigenJahre”. Und weiter: „Als wir abends in der „SchwarzKatz” im Stadtteil Sachsenhausen saßen, war unsklar: das, was diese Kleinverlage auf die Füße stellten,das können wir auch.”Doch wie kam es zum ungewöhnlichenNamen? „Mit dem Namen „Maro” hatte meinFreund Franz seine Gedichte in der Internatszeitunggezeichnet”, liest man in „Die untergründigenJahre” nach. „Seine damaligen Brieffreundinnenhießen Maria und Roswitha, also warum nicht„Maro”? Dass der Name dann blieb, war eher demUmstand geschuldet, dass uns nichts Bessereseinfiel.Im Sommer 1969 stellten wir dann spaßeshalbereinen kleinen Band zusammen: „Dasgroße Scheißbuch”, mit verballhornten klassischenGedichten und ganz viel Werbeblättern dazwischen,um eine gewisse Dicke zu bekommen. Wirverkauften etwa zehn Stück für fünf Mark. Das wareine Art Startkapital für „Maro”, ohne Frage.”Käsmayr berichtet weiter: „Im Herbst 1969traf ich in der Unimensa der LMU München, woich damals studierte, rein zufällig Tiny Stricker,den ich schon aus der Schulzeit kannte. Er hattebei einer Dichterlesung teilgenommen, die ichkurz vor dem Abi im Internat organisiert hatte.Tiny erzählte von seinem Orient-Trip und dass erdarüber geschrieben hatte. Das wollte ich lesen!Ich bekam einen Stapel handgeschriebener Blätter,dazwischen lagen auch von ihm beschriebeneProspekte, Ansichtskarten Briefe - das Sammelsuriumeiner spannenden Reise, inhaltlich ziemlichexperimentell. Das gefiel mir.Um aber daraus ein Buch im Offset zumachen, fehlte mir das Geld. Mein Schwager hatteim Keller einen Spiritus-Umdrucker stehen, denich benutzen durfte. Das Problem war nur, dass ichdie DIN-A4-Matrizen nicht quer in meine Schreibmaschineeinspannen konnte. Ich musste also vordem Abtippen des Strickerschen Manuskripts dieMatrizen mit der Schere halbieren und anschließendwieder faltenfrei mit Tesafilm zu alter Größezusammenkleben. So entstand der erste „Maro”-Roman, der 1970 zum „Alternativbuch des Jahres”gekürt wurde. Die Mühe hatte sich demnachausgezahlt.”“Los ging alles mit demgroßen Scheißbuch.”Benno Käsmayr war - und ist bis heute - einkultureller Freigeist, ein Mann mit Eigensinn.Demnach ist es nur folgerichtig, dass er stetsdem Konzept des unabhängigen Verlegers treugeblieben ist. In guten wie in schlechten Zeiten.Begonnen hat die Laufbahn dieses notorischenQuerkopfs ausgerechnet in einem katholischenInternat im schwäbischen Dillingen an der Donau.„Ich wollte unbedingt aufs Gymnasium, meineEltern waren von dieser Idee nicht so angetan”,erinnert sich Käsmayr. „Doch als ich bei meinerMutti durchblicken ließ, dass ich vielleicht Priesterwerden möchte, war die Sache geritzt, weil sie eineziemlich gläubige Frau war.”Zwar fühlte Schüler Benno sich in dem Institutäußerst fehl am Platz. „Daher habe ich mich ausdem Betrieb weitgehend ausgeklinkt”, reflektiertder heute 72-Jährige lachend, “stattdessen habe ichbeinahe nur eines getan - unentwegt gelesen. DieLiteratur hat meine Seele beflügelt.”Der Verleger in spe ging 1969 erstmal zumWISO-Studium an die LMU in München, „das ichauch beendet habe”, sagt er. „Heute darf ich michDiplom-Ökonom nennen. Aber die wahre Bestimmunghabe ich in einer Augsburger Druckereigefunden, wo ich neben dem Studium gearbeitethabe. Nach und nach wurde ich zu einem passablenDrucker, die Arbeitsvorgänge haben mir Spaßbereitet, ich liebte den Geruch nach Klebstoff undPapier.”Die Begeisterung von Benno und KompagnonFranz fürs gedruckte Buch war dermaßen gewaltig,dass sie 1970 MARO ins Leben riefen. Die erstenJahre wurden Werke in Klein- und Kleinst-Auflagengedruckt und verkauft. Neben „Trip Generation”von Stricker wurden frühe Sachen etwader US-Beat-Ikonen Jack Kerouac und William S.Burroughs verlegt, dem Hardcore-Autoren JörgFauser und vielen anderen aus dem literarischenUntergrund.Mit Gedichten von Charles Bukowski zumgroßen ErfolgDas Geld war beständig knapp und man standkurz vor der Aufgabe. Da entdeckte Käsmayr einesTages Gedichte von Charles Bukowski. „Das Zeugwarf mich um”, schwärmt er bis heute. „Ich mussteunbedingt raus finden, ob ich Lizenzrechte vondiesem herrlichen Stoff für Deutschland bekommenkonnte.”An dieser Stelle kommt Bukowski-FreundCarl Weissner ins Spiel. Der Mannheimer Anglist,tief mit der US-Underground-Szene verbunden,hatte bereits seit einiger Zeit versucht, von ihmübersetzte “Buk”-Texte bei deutschen Häusernunterzubringen. Fehlanzeige!„Dass ich Carl fragte, ob Bukowski nichtim MARO-Verlag verlegt werden könnte, findeich heute noch ganz schön mutig”, erinnert sichKäsmayr im Almanach „Die untergründigen Jahre”beschwingt. „Dass Reissner zurückschrieb: „Besserein Buch in einem kleinen Verlag als gar keinBuch”, war für mich der Hammer. Und der Anfangdes Verlags raus aus einem Dachzimmer hinein indie Buchbranche.”Mehr als 150.000 Bukowski-Werke wurdenverkauft im Laufe der kommenden Jahre - sensationelleZahl für einen Klein-Verlag. Als „Buk”merkte, dass mit seinen Büchern in Deutschlandrichtig gutes Geld zu verdienen ist, bat er Bennound Carl, dass Lizenz-Rechte für Taschenbücher angroße Verlage verkauft werden sollen. So geschahes. Und Käsmayr wurde nach eigener Aussage„zwar alles andere als reich mit MARO. Aber ichkonnte fortan und bis heute genau den Stoff rausgeben, der mir taugt. Darauf bin ich irgendwiestolz”, meint er.Inzwischen hat sich der Mann mit dem nachwie vor wuscheligen Lockenkopf weitgehend ausdem Buch-Geschehen zurückgezogen. Das MARO-Schild findet man nach wie vor, wie seit den 80ern,an einem Fabrikgebäude im Augsburger IndustriegebietOberhausen. Doch seit einiger Zeit istGenerationenwechsel angesagt: „Meine TochterSarah steigt mehr und mehr ins MARO-Geschäftein”, freut sich der Herr Papa. „Sie ist ausgebildeteDiplom-Designerin, krempelt das Programm mehrund mehr um, womit ich kein Problem habe. KeinWunder, dass es bei uns inzwischen auch Fachbücherüber Textil-Technik gibt.”Die 33jährige Filia lebt aktuell in Berlin, „aberwer weiß, vielleicht zieht es sie ja doch mal ganznach Augsburg. Ich mache da keinen Druck. Aberschön wäre es schon. MARO soll und darf nichtsterben”, hoff der Papa mit versonnenem Blick indie Ferne.