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Neue Szene Augsburg 2020-11

Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung

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Michael, wo fangen wir denn bei dir an?

In St. Stephan.

St. Stephan?

Oder warte! Mitte der Achtziger hatte ich meine erste Performance in

Augsburg. Im Fabrikschloss spielten mehrere Bands, der Laden war voll und

ich sollte zwischendrin eine Lesung abhalten. Aber ich stand da auf völlig

verlorenem Posten. Das Publikum wollte Musik und keine Gedichte und

hat mich schon nach den ersten Zeilen ausgebuht. Ich hatte vor Nervosität

ziemlich getankt, bin an den Bühnenrand getreten, habe meine Hose heruntergelassen

und erst mal allen mein Ding präsentiert.

Ups ... Mit welchem Resultat?

Die Situation ist völlig gekippt! Die Leute fanden das plötzlich cool und

haben mich gefeiert (lacht). Okay, jetzt aber St. Stephan: Ich bin Friedberger

und meine erste wirkliche Berührung mit Augsburg hatte ich auf diesem

altehrwürdigen Gymnasium. Später bin ich dann auf einer Wirtschaftsschule

gelandet, bis mich das Studium unter anderem ins italienische Perugia verschlagen

hat. Dort habe ich die Mutter meiner ersten Tochter kennengelernt.

Sie war Japanerin und ich wollte sie heiraten, ich bin deshalb sogar nach

Tokio geflogen. Doch ihre Eltern waren im diplomatischen Dienst und ich

war ihnen anscheinend nicht gut genug. So hat sich das leider zerschlagen

und ich habe den Rückzug angetreten.

Und bist wieder in Augsburg gelandet.

Genau. Ich habe bereits als Jugendlicher mit dem Schreiben angefangen

und 1985 bekam ich den Literaturnachwuchspreis des Theaterfestivals München.

Einige Zeit später ist der Augsburger Verleger Walter Kurt Schilffahrt

auf mich aufmerksam geworden und hat mich kontaktet. 1987 kam gerade

das Privatradio in Augsburg ins Rollen. Er bot mir ein Staffelvolontariat an,

also eine Ausbildung in seinem Magazin und beim neugegründeten Sender

Radio Kö und später bei Radio Skyline. Ich war damals nachweislich der

erste Auszubildende in dieser Form in Bayern.

Die privaten Radiosender Tele 1 (heute rt1) und Kö gingen gleichzeitig

an den Start, Skyline und Fantasy ein Jahr später.

Nach meiner Ausbildung, da war ich 24, wollten sie mich bei Skyline

zum Redaktionsleiter befördern, aber ich wollte weg aus Augsburg und

habe im Januar 1989 eine Stelle bei Radio Gardasee angetreten. Allerdings

habe ich den Job nur drei Monate gemacht, weil ich die Frau meines Lebens,

eine Münchnerin, getroffen habe. Ich war total verknallt, habe ihr nach fünf

Tagen einen Heiratsantrag gemacht und zu meiner Überraschung hat sie

angenommen. Mein Chef in Italien war natürlich stinksauer, aber was willst

du machen, Amore ist eben Amore. So bin ich dann nach München gezogen

und habe mir erst einmal einen neuen Job gesucht.

War das der Eintritt in die große Welt des Journalismus?

Ich wollte damals unbedingt zum Zeitgeistmagazin „Wiener”. Also bin

ich mit meiner Mappe einfach ins Verlagshaus Bauer spaziert und habe mich

vorgestellt. Wiener, Playboy, Cosmopolitan und Bravo, die waren damals

quasi alle unter einem Dach.

Und hat´s geklappt mit dem Wiener?

Ich bin zuerst bei der Bravo gelandet und die haben mich gleich ins

kalte Wasser geworfen. Ein Job war es mal, Depeche Mode zu interviewen.

Aber es sollte nicht nur beim Gespräch bleiben, ich sollte zusätzlich noch

heimlich in ihren Privatsachen schnüffeln, während sie zum Beispiel auf der

Toilette waren. Aber weil ich ja Journalist und kein Detektiv bin, wurde mir

das schnell alles zu blöd. Es dauerte trotzdem nicht lange, bis ich dann doch

noch beim Wiener gelandet bin.

Die Neunziger, die goldenen Zeiten im Verlagswesen.

Absolut, der Wiener hatte damals eine monatliche Auflage von 300.000

Exemplaren. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Eines Tages

klingelte mein Telefon und der Chefredakteur vom Wiener war dran. Sie

haben mich erst einmal mit einigen Reportagen beauftragt und das war

das Startsignal. Kurz darauf wurde ich zum Ressortleiter Musik und Kultur

befördert. Mit 25!

Erzähl doch mal von diesen „golden Zeiten”.

Geld spielte zu dieser Zeit keine Rolle. Ich bin nach Los Angeles geflogen

und habe eine Reportage über die besten Striptease-Clubs gemacht.

Kurze Zeit später musste ich nach Tokio, weil Madonna in einem Interview

erzählt hat, dass dort gerade eine architektonische Wunderstadt erschaffen

wird. Ich weiß gar nicht, wie oft ich den Satz „Gamböck, schnapp dir einen

Fotografen. Morgen geht’s nach A oder B...” gehört habe. Wir sind immer

erster Klasse geflogen, haben in den besten Hotels gewohnt, Spesen spielten

keinerlei Rolle. Und dann ging es mit den Musikinterviews los.

Du hast in deinem Leben viele Bücher veröffentlicht. Eines davon heißt

„Ich hatte sie alle – Tee mit Madonna, Cognac mit Ron Wood”. Du hast

unter anderem David Bowie, Amy Winehouse, Pink Floyd, Iggy Pop,

Lou Reed oder Lemmy von Motörhead interviewt.

Nach fünf Jahren und Hunderten von Interviews mit vielen Stars habe

ich 1994 beim Wiener gekündigt und mich selbständig gemacht.

“Gamböck, schnapp dir einen

fotografen. Morgen geht’s nach tokio!”

Was war der Grund?

Das liebe Geld. Als freier Journalist habe ich ungefähr das Doppelte verdient.

Alleine für meine monatliche Kolumne bei der „Freundin”, die ich an einem Tag

geschrieben habe, gab es 1.000 Mark. Meine Kunden damals waren Musikexpress,

Playboy, Cosmopolitan, Focus, Marie Claire und einige Tageszeitungen.

Und du hast auch einige Jahre für die Neue Szene geschrieben.

Genau (lacht). Das ging doch über einige Jahre mit euch.

Wenn man so viele Stars interviewt hat, was ist dir besonders in Erinnerung

geblieben?

Ein echtes Highlight war mein Interview mit Nick Cave. Er ist ein sehr

angenehmer Mensch, mit dem man wunderbar philosophieren kann. Und

er ist ein unglaublich intelligenter Typ, mit einem großen Geschichtswissen.

Cool war auch mein Date mit Keith Richards in Kanada. Ich hatte eigentlich

nur eine halbe Stunde Zeit. Keith kam mit einem Eimer Wodka-Lemon an.

„Weißt du, Wodka ist besser für den Magen als Bourbon”. Ich hatte in meiner

Jacke ein paar Minipullen Underberg deponiert und hab ihm einen zum

Probieren gereicht. Er war begeistert und wir plauderten und plauderten, bis

die Dame von der Plattenfirma ankam und energisch auf ihre Uhr deutete.

Wie hat Keith reagiert?

Er hat sie gemustert und dann nur ganz cool „First I fuck him and after I

fuck you” gegrunzt (lacht). Tom Waits war auch lustig. Er hat eine Geschichte

nach der anderen rausgehauen. Aber er widersprach sich in seinen Erzählungen

ständig und ich war ganz verwirrt. Irgendwann hat er lachend gemeint:

“Du glaubst doch nicht den ganzen Scheiß, den ich dir erzähle, oder?” Das ist

die Art von Humor, die ich mag.

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