LERNEN MIT ZUKUNFT September 2020
Impulsmagazin für Erwachsene - Lebensraum: MENSCH
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information & zukunft<br />
Perspektivenwechsel:<br />
Home-learning an der Uni<br />
EIN SEMESTER <strong>MIT</strong> VIDEOKONFERENZEN UND DIGITALEN KAFFEEPAUSEN<br />
Tina Čakara<br />
Studentin<br />
Junge Autorin<br />
Foto:<br />
Fotostudio primephoto<br />
Es kann nur schiefgehen!, dachte<br />
ich und startete Skype. Ich<br />
studiere Transkulturelle Kommunikation<br />
an der Universität Wien<br />
und hatte letztes Semester erstmals eine<br />
Übung zum Thema Dolmetschen. Wie<br />
sollte das bitte online funktionieren?<br />
Ohne Dolmetschkabine und körperlicher<br />
Anwesenheit? Doch nicht nur die<br />
Studierenden mussten in diesem außergewöhnlichen<br />
Semester anders und neu<br />
denken. Auch die Lehrenden zeigten<br />
überraschend viel Kreativität in der Umsetzung<br />
ihrer Kurse.<br />
DER VIRTUELLE KONFERENZRAUM<br />
Ich sitze mit Kopfhörern vor dem Bildschirm und<br />
höre meiner Studienkollegin genau zu, wie sie eine<br />
kurze Präsentation auf Englisch hält. Ich soll ihre<br />
Rede nach zwei Minuten ohne Notizen zu machen<br />
ins Deutsche übersetzen. Konzentriert versuche<br />
ich mir jedes der Worte zu merken, die durch das<br />
Mikrofon in ihren Laptop dringen, um dann kilometerweit<br />
bis zu meinem zu reisen und durch die<br />
Kopfhörer wieder zu einer Stimme zu werden. Als<br />
die Präsentation meiner Kollegin zu<br />
Ende ist und mir ihr lächelndes<br />
Gesicht vom Bildschirm aus<br />
entgegenblickt, fange ich<br />
auch schon an: anfangs unsicher, dann<br />
aber mit überraschend viel Freude<br />
dolmetsche ich die eben gehörte Rede<br />
souverän ins Deutsche.<br />
DAS VIRTUELLE FEEDBACK<br />
Jede Woche üben meine Kollegin und<br />
ich einen anderen Aspekt des Dolmetschens.<br />
Einmal wiederholen wir die<br />
Inhalte in der gleichen Sprache, das<br />
nächste Mal dolmetschen wir vom Englischen<br />
ins Deutsche, dann umgekehrt,<br />
einmal mit und einmal ohne Notizen.<br />
Alles zu zweit. Alles per Videochat.<br />
Niemand außer ihr hört oder sieht<br />
mich. Dennoch spüre ich während des<br />
Dolmetschens Aufregung und Nervosität<br />
und am Ende Erleichterung. Genau<br />
die Gefühle, die wir in dieser Übung<br />
zu bewältigen lernen sollen. Feedback<br />
geben wir einander gegenseitig. Auch<br />
das sollen wir lernen. Also: mission<br />
accomplished!<br />
DIE VIRTUELLE KAFFEEPAUSE<br />
Nachdem wir alles erledigt haben,<br />
plaudern meine Kollegin und ich jedes<br />
Mal noch mindestens eine Stunde<br />
weiter. Was frustriert uns an der Uni?<br />
Was überfordert uns zu Hause? Was<br />
gibt uns Hoffnung, trotz der vielen<br />
Veränderungen? Mit welchem Gedanken<br />
stehen wir morgens auf? Jeden<br />
Montag um 17 Uhr haben wir eine<br />
Videokonferenz zu zweit. Meist klicken<br />
wir erst lange nach 19 Uhr auf den<br />
Auflege-Button. Denn home-learning<br />
bedeutet nicht nur virtuell Vorlesungen<br />
zu besuchen und Prüfungen abzulegen,<br />
sondern auch sich virtuell mit anderen<br />
Studierenden einen Kaffee beim Automaten<br />
holen gehen.<br />
Foto: © Christian Dorn | pixabay.com<br />
32 | SEPTEMBER <strong>2020</strong>