FINE DAS FESTIVALMAGAZIN
MAGAZIN ZUM 24. RHEINGAU GOURMET & WEIN FESTIVAL
MAGAZIN ZUM 24. RHEINGAU GOURMET & WEIN FESTIVAL
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Manchmal muss man sich einfach den richtigen Leuten anschließen. George C. Yount<br />
hatte nach Schwierigkeiten auf seiner Farm in Missouri Frau und Kinder verlassen, um<br />
im Westen als Pelzjäger zu arbeiten. In Neu-Mexiko traf er 1830 den Trapper William<br />
Wolfskill, der ihn überzeugte, mit einer Gruppe von Abenteurern über einen gerade erst<br />
erschlossenen Pfad durch die Mojave-Wüste nach Kalifornien aufzubrechen. Nach mehrmonatigen<br />
Strapazen endlich angekommen, jagten sie zunächst an der Küste Seeotter,<br />
bevor Wolfskill nach Südkalifornien ging, dort als Erster Orangen anbaute und einer der<br />
reichsten Männer Kali forniens wurde – wer Roman Polanskis »Chinatown« gesehen<br />
hat, weiß, welche Bedeutung die Orangenfarmen für die Geschichte Kaliforniens hatten.<br />
George C. Yount hingegen schloss sich der<br />
Armee des Generals Mariano Guadalupe<br />
Vallejo an, die Nordkalifornien von den<br />
indianischen Ureinwohnern befreien und Gebiete<br />
des gerade erst unabhängig gewordenen Mexiko für<br />
den Staat Kalifornien sichern sollte. Für seine Dienste<br />
erhielt er 1836 eine Konzession für ein unbesiedeltes<br />
Stück Land, die »Rancho Caymus« in einem kleinen<br />
Tal nördlich der San Francisco Bay, benannt nach<br />
einer Siedlung der Wappo- Indianer. Yount siedelte<br />
sich als erster Weißer in dem Tal an, erbaute eine<br />
Wassermühle am Fluss und betrieb etwas Landwirtschaft,<br />
schließlich auch Weinbau. Der Ort, der an<br />
dieser Stelle entstand, wurde nach ihm Yountville<br />
genannt, und Napa, der Name des Flusses wie des<br />
ganzen Tals, bedeutete in der Sprache der Ureinwohner<br />
etwa »Land des Vielen«. Die Weinberge,<br />
die er bewirtschaftete und die sich heute Weingüter<br />
wie Inglenook oder Robert Mondavi teilen, gelten als<br />
das wertvollste Agrarland in den Vereinigten Staaten.<br />
Die Weine aus Napa Valley machen ein Viertel der<br />
kalifornischen Wein produktion aus, bei gerade einmal<br />
vier Prozent der Fläche.<br />
Tatsächlich ist Wein eine der ganz großen<br />
Erfolgsgeschichten Kaliforniens geworden.<br />
Er hat Menschen von überall angezogen –<br />
wie es der Goldrausch getan hat und die Traumfabrik<br />
Hollywood oder die Zukunftswerkstätten des<br />
Silicon Valley. Davon war nichts zu ahnen, als George<br />
C. Yount von San Francisco nach Norden auf seine<br />
Ranch zog. Aber dass es ein einzigartiger Ort für<br />
Weinbau war, müssen er und die Siedler, die ihm<br />
folgen sollten, bald bemerkt haben: der enge, fast<br />
geschlossene Talkessel des Napa River mit seiner<br />
enormen Güte der Böden und dem Wechsel von<br />
kalten Nächten und heißen, sonnigen, doch durch<br />
sanfte Pazifikwinde gemäßigten Tagen.<br />
Yount jedenfalls besorgte sich 1838 Rebstöcke<br />
aus der fünfzehn Jahre zuvor gegründeten<br />
Missions station San Francisco Solano im benachbarten<br />
Sonoma, dem nördlichsten County in der<br />
mexikanischen Provinz Alta California, und pflanzte<br />
sie an. Die sogenannte Mission Grape, im 18. Jahrhundert<br />
von Franziskanern eingeführt, war damals<br />
die einzige Rebsorte in Kalifornien – heute weiß man,<br />
dass sie mit der Sherry-Traube Palomino verwandt<br />
ist–, bis um die Mitte des Jahrhunderts auch andere<br />
Reben aus Europa eingeführt wurden. Der Ehrgeiz<br />
erwachte und mit ihm der Wunsch, Spitzen weine<br />
nach französischem Vorbild zu keltern. Zu Beginn<br />
des 19. Jahrhunderts hatte bereits Thomas Jefferson,<br />
der dritte Präsident der Vereinigten Staaten, auf<br />
seinem Landgut Monticello in Virginia vergeblich<br />
versucht, Reben aus dem Bordelais anzubauen. 1854<br />
pflanzte der gebürtige Engländer und gelernte Bierbrauer<br />
John Patchett im Napa Valley seine ersten<br />
Reben und begann 1858 mit dem kommerziellen<br />
Weinbau. Als Winemaker beschäftigte er einen<br />
jungen Deutschen, Charles Krug, der drei Jahre<br />
später in St.Helena sein eigenes Weingut gründete.<br />
1943 ging es in den Besitz der Familie Mondavi über,<br />
heute ist es die älteste noch existierende Winery<br />
im Napa Valley.<br />
Der Rezession der 1870er Jahre folgte ein Boom,<br />
der auch den Weinbau erfasste. 1881 kaufte<br />
der Winzer Hamilton W. Crabb von Younts<br />
Witwe Eliza 47,6 Hektar Farmland, das er To Kalon<br />
(»das Schönste«) taufte und mit zahl reichen Rebsorten<br />
bepflanzte. Heute ist dies einer der wohl besten<br />
Cabernet-Weinberge der Welt, damals betrug der<br />
Anteil an Cabernet Sauvignon etwa fünf Prozent.<br />
Ganz in der Nähe, auf Inglenook, suchte man dagegen<br />
mit allen Mitteln den Anschluss an die großen Weine<br />
Frankreichs. Dort ließ 1879 der finnischstämmige<br />
Kapitän und Pelzhändler Gustave Niebaum in<br />
Rutherford einen Betrieb errichten, der sich an<br />
den modernsten Domänen Europas orientierte,<br />
wie etwa an dem burgundischen Château Corton<br />
Grancey mit seinem nach dem Gravitationsprinzip<br />
konstruierten Weinkeller. Sein Weingut Inglenook<br />
gewann auf der Pariser Weltausstellung von 1889<br />
den Großen Preis für »Exzellenz und Reinheit«, der<br />
Kalifornien in den Fokus der Weinliebhaber weltweit<br />
katapultierte. »Dieser Preis«, so schrieb der<br />
San Francisco Merchant and Viticulturist, »bedeutet,<br />
dass Frankreich, unser größter Rivale, der Welt<br />
erklärt hat, dass die Erzeuger von kalifornischen<br />
Jahrgangsweinen auf gleicher Höhe mit ihren eigenen<br />
rangieren.« Eine Erkenntnis, die nur wenige Jahre<br />
später in Vergessenheit geraten sollte.<br />
Denn gegen Ende des Jahrzehnts erlitt die<br />
Region durch die Reblauskrise einen ersten schweren<br />
Dämpfer. Doch es sollte noch schlimmer kommen:<br />
Zwischen 1919 und 1933 verirrte sich Amerika im<br />
»Noble Experiment«, dem staatlich verordneten<br />
Alkoholverbot, und das erste goldene Zeitalter des<br />
kalifornischen Weinbaus ging in den Jahrzehnten der<br />
Prohibition und der bald darauf folgenden Großen<br />
Depression verloren. Die meisten Weingüter wurden<br />
aufgegeben, Obst plantagen ersetzten die Weinberge.<br />
Der wahre Schaden aber war nicht ökonomischer,<br />
sondern kultureller Natur. Denn nach dem Ende<br />
der Prohibition wurde zwar um gehend wieder<br />
Wein produziert, doch alles drehte sich um Masse,<br />
zumeist süßliche Billigweine, die von Abfüllern wie<br />
Gallo oder Almaden als »Thunderbird« oder »Pink<br />
Chablis« ver marktet wurden.<br />
Unterstützung erhielt die Weinbranche dabei<br />
insbesondere durch die Weinbaufakultät der Universität<br />
in Davies, deren Aufgabe es nach Ansicht von<br />
Albert J. Winkler war, dem damaligen Institutsleiter<br />
für Weinbau, Kosten zu sparen und die Industrie zu<br />
unterstützen. Das bedeutete im Weinberg vor allem<br />
Rebsortenwahl nach Klimadaten und maschinenunterstützte,<br />
standardisierte Bewirtschaftung<br />
sowie im Keller ein zahlenbasiertes und hygieneorientiertes<br />
Arbeiten unter Zuhilfenahme vieler<br />
technischer und biochemischer Hilfsmittel. Verdrängt<br />
wurde, was nicht messbar war. Der Einfluss<br />
des Bodens etwa.<br />
Es war der russische, in Frankreich ausgebildete<br />
Önologe André Tchelistcheff, der fast im Alleingang<br />
im kalifornischen Weingut Beaulieu wieder mit<br />
dem Ausbau von Spitzenweinen begann. Mit seinem<br />
1936er Cabernet Sauvignon Georges de Latour<br />
Private Reserve erzeugte er den ersten modernen<br />
Spitzenwein im Napa Valley. Von seinem Büro in<br />
St.Helena aus sollte er nach dem Krieg mehr als achtzig<br />
Weingüter beraten. Der Pionier des Weißweins<br />
kam aus dem Sonoma County. James David Zellerbach,<br />
der ehemalige amerikanische Botschafter in<br />
Italien, hatte auf seinen Reisen durch Europa insbesondere<br />
die Kellerwirtschaft in Burgund studiert.<br />
Auf Hanzell Vineyards erzeugte er Ende der 1950er<br />
Jahre die ersten kalifornischen Chardonnays in<br />
burgundischem Stil, ganz in französischer Eiche,<br />
die Kaliforniens Weißweine in den 1960er Jahren<br />
revolutionieren sollten. Großes Aufsehen erregte<br />
1966 der Bau von Robert Mondavis Weingut in<br />
der historischen Adobe-Architektur in Rutherford,<br />
der ersten Neugründung im Napa Valley seit vielen<br />
Jahren. Mondavi war nach einem Streit mit seinem<br />
Poesie in Flaschen verspricht das Schild am Highway 29, das Besucher im<br />
Napa Valley willkommen heißt. Das Zitat entstammt den Reiseerinnerungen<br />
»The Silverado Squatters« des schottischen Schriftstellers Robert Louis<br />
Stevenson, der das Tal 1880 auf seiner Hochzeitsreise besucht hatte. Für die<br />
Rebstöcke wird hier überwiegend die Kordon-Erziehung angewandt.<br />
34 <strong>FINE</strong> <strong>DAS</strong> <strong>FESTIVALMAGAZIN</strong> | KALIFORNIEN KALIFORNIEN | <strong>FINE</strong> <strong>DAS</strong> <strong>FESTIVALMAGAZIN</strong> 35