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FINE DAS FESTIVALMAGAZIN

MAGAZIN ZUM 24. RHEINGAU GOURMET & WEIN FESTIVAL

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KOCHKUNST<br />

UND<br />

ESSKULTUR<br />

MAN IST, WAS MAN ISST<br />

Von CLAUS-WERNER PETERS Fotos GUIDO BITTNER und THORSTEN KLEINE HOLTHAUS<br />

Schon merkwürdig, dass sich das gepflegte Liegen bei Tisch nie mehr wirklich durchsetzen<br />

konnte, seit das Römische Reich unterging. Zuvor galt die mehr oder weniger waagerechte<br />

Form der Nahrungs aufnahme als Selbstverständlichkeit. Adel und Bürgertum ließen sich,<br />

inspiriert von den Griechen, die Speisen im Liegen reichen, auf dem vermutlich durchaus<br />

bequemen lectus triclinaris, dem römischen Speisecanapé, den Arm aufgestützt, das<br />

Essen portionsweise und meist mit den Fingern zu sich nehmend. Bequeme Kleidung<br />

war angesagt, nur Frauen mussten aus sittlichen Gründen im Sitzen essen.<br />

Doch Teile der damaligen Speisesitten sind<br />

mitnichten ausgestorben. Die Einteilung<br />

der Speisen in die noch heute weithin<br />

verbreiteten drei Gänge – Vorspeise, Hauptgang,<br />

Dessert – war bereits in der Antike vielfach üblich.<br />

Vorweg kalte Kleinigkeiten, wie sie in ähnlicher Form<br />

auch heute noch serviert werden könnten, dann<br />

warme Gerichte, schließlich Süßspeisen. Es spricht<br />

übrigens wenig dagegen, die eingeübten Regeln mal<br />

zu durchbrechen, die Sache umzudrehen und einen<br />

Abend lang nur Desserts zu reichen, gar mit Süßem<br />

zu starten und dann zu Salzigem überzuleiten, erst<br />

Warmes, dann Kaltes zu präsentieren. Allerdings<br />

glaubt man gar nicht, wie sehr die traditionelle<br />

europäische Speisenfolge den Menschen in Fleisch<br />

und Blut übergegangen ist.<br />

Das Prinzip war also klar, zumindest in Europa.<br />

Allerdings änderte sich die Anzahl der servierten<br />

Speisen im Laufe der Jahrhunderte. An den Höfen<br />

des Kontinents entwickelten sich Zeremonien, die in<br />

großen, üppig bestückten Tafeln gipfelten. Wenige<br />

Gänge waren es, die serviert wurden, aber pro Gang<br />

deckten die Bediensteten eine reiche Fülle an Speisen<br />

ein. Immer prächtiger wurden die Braten und Fische,<br />

die beispielsweise nach den Kochanweisungen von<br />

François-Pierre de La Varenne und Vincent La<br />

Chapelle ausgeführt wurden. Die im Frankreich<br />

des 16., 17. und 18. Jahrhunderts entwickelte Haute<br />

Cuisine nahm Einfluss auf den gesamten Kontinent,<br />

sickerte zumindest in Zitaten bis ins Bürgertum<br />

durch. Die Sitte des Darreichens wurde irgendwann<br />

als Service à la française berühmt. Die Idee<br />

jedoch, die dem französischen Service zugrunde<br />

lag, ist noch lebendig. Wer viele Speisen auf eine<br />

gemeinsame Tafel stellt, auf dass alle sich bedienen<br />

mögen, gemeinsam kosten, sich über das Gegessene<br />

austauschen, schaff ein ganz besonderes Esserlebnis.<br />

Natürlich funktioniert, was im Restaurant<br />

klappt, auch in den eigenen vier Wänden.<br />

Eine Mischung aus Service à la française und<br />

von Asien inspirierten Sharing-Methoden kommt<br />

prinzipiell ausgezeichnet an. Für den Gastgeber<br />

eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten. Er muss<br />

nicht mehr akribisch die jedem Gast zustehenden<br />

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