MAGNIFICAT Dezember 2020

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Sonntag, 6. Dezember · Auslegung
Dass sich die erste Zeile in einem erweiterten Sinne auf das
gesamte Markusevangelium als Überschrift beziehen lässt …,
lassen wir jetzt einmal beiseite. Die Frage stellt sich ja auch
in einem engeren Sinn: Wie fängt das Evangelium an? Womit
beginnt die gute Botschaft, das Evangelium von Jesus Christus?
Wo muss ich einsetzen, wenn ich diese Nachricht anderen
überliefern will? Markus hat sich dafür entschieden, mit einem
alttestamentlichen Zitat einzusetzen. Genau genommen sind es
zwei verschiedene Zitate, die hier als „im Propheten Jesaja“ geschrieben
zusammengefasst sind. Das erste steht beim Propheten
Maleachi. Dort lesen wir: „Siehe, ich sende meinen Boten,
der vor mir her den Weg bereiten soll.“ Gott kündigt einen Boten
an, der ihm den Weg bereitet, bevor er selber kommt. Maleachi,
der dies zu verkündigen hat, erschrickt selber vor dieser
Ankündigung: „Wer wird aber den Tag seines Kommens ertragen
können?“ (Mal 3, 7). Markus hat dieses Zitat in bezeichnender
Weise abgewandelt: „Siehe, ich sende meinen Boten vor dir
her ...“ Es ist ein Wort an den geworden, der nach dem Boten
kommt: Jesus Christus, der Sohn Gottes. In ihm kommt Gott
zur Welt! Nicht weniger sagt dieser erste Satz des Evangeliums.
Durch ihn redet Gott, der schon seit Langem in Israel durch
die Propheten zu Wort gekommen ist. Er tut es auf unvergleichliche,
endgültige Weise. Ähnlich sagt es auch der Hebräerbrief:
„Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf allerlei Weise geredet
hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen
letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn“ (Hebr 1, 1 f.).
Das also ist der Anfang des Evangeliums: Gott hat geredet –
und zwar so, dass dieses Reden auf sein Kommen selbst hinzielte.
Diese prophetische Vorgeschichte gehört zum Evangelium,
und sie ragt ins Evangelium selbst hinein durch die Gestalt Johannes
des Täufers.
Thomas Küttler (dt. luth. Theologe, als Superintendent in Plauen 1989
Wegbereiter der friedlichen Revolution in der DDR, 1937–2019),
aus: Ders., Das Evangelium nach Markus. Bibelauslegung für die Gemeinde,
© Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1990, 18–19