MAGNIFICAT Dezember 2020

Das Bild im Blick 8
blauem Hintergrund zu sehen. Er sendet fünf goldene Strahlen
nach unten, wo ein kleines Kind (Heiligenschein mit Kreuz) fest
in orange Tücher gewickelt ist („Ihr werdet ein Kind finden,
das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt“, Lk 2, 12). Es
ist dieses Kind, das hier in einer altarförmigen Krippe liegt – ein
Verweis auf Opfertod und Vergegenwärtigung in der Eucharistie.
Wie in den ältesten Krippendarstellungen finden sich hier
Maria und Josef nicht, auch Ochs und Esel sind nicht zu sehen.
Durch die Strahlen ist das Kind aber mit dem Stern und dem
Bereich der himmlischen Herrlichkeit verbunden, es bringt das
Licht („Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis
hat es nicht erfasst“, Joh 1, 5).
Erde als Ort der Dunkelheit
Unten (vgl. zum Folgenden die Innenkarte) finden wir aber vor
einem kompliziert gemusterten Hintergrund zwei antike Personifikationen:
Okeanos und Gaia (Meer und Erde), die von antiken
Vorlagen übernommen sind. Sie kennzeichnen den unteren
Teil der Miniatur als den irdischen Bereich. Der Meeresgott sitzt
auf einem Meeresdrachen, schüttet Wasser aus einer Amphore
aus und zwei Fische begleiten ihn. Folgerichtig ist dieser Teil
der Miniatur mit Wasserwellen bedeckt. Gegenüber sitzt die
Erdgöttin mit zwei Menschenkindern zwischen den Armen. In
der Antike wurde sie als Fruchtbarkeitssymbol verstanden. Hier
aber hat der Maler eine ganz andere Ikonographie gefunden
und damit einen neuen Sinn in diese ursprünglich heidnische
Frauengestalt hineingelegt: Seitlich wächst ein Baum hervor,
in dessen oberem Teil sich eine Schlange windet. Diese aber
hat eine Frucht im Maul, nach der einer der beiden Menschen
greift. Sicher gehen wir nicht fehl, wenn wir hier Adam und
Eva sehen und den Sündenfall angedeutet finden. Damit aber ist
der gesamte untere Teil der Miniatur als die in Sünde gefallene