Dorfkalender 0.001 - in der Kirchengemeinde Sülldorf-Iserbrook
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»Es begab sich aber zu <strong>der</strong> Zeit,<br />
dass e<strong>in</strong> Gebot von dem Kaiser Augustus<br />
ausg<strong>in</strong>g, dass alle Welt geschätzt<br />
würde. Und je<strong>der</strong>mann g<strong>in</strong>g,<br />
dass er sich schätzen ließe, e<strong>in</strong> jeglicher<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Stadt. Da machte<br />
sich auf auch Josef...«<br />
Warum sollte er nicht zählen lassen,<br />
wo doch alle Welt wägt und<br />
rechnet <strong>in</strong> den weltumspannenden<br />
F<strong>in</strong>anzmärkten? Warum sollte er –<br />
Caesar Octavianus Augustus, erster<br />
Alle<strong>in</strong>herrscher und Kaiser des<br />
römischen Weltreiches – nicht<br />
schätzen und gewichten, wie viel<br />
das Volk ausmacht und wie viel<br />
Dollars und Euros es herzugeben<br />
vermag? Es war nie an<strong>der</strong>s; Mart<strong>in</strong><br />
Luther etwa schreibt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Randbemerkung:<br />
Schätzen bedeutet<br />
hier, dass e<strong>in</strong> je<strong>der</strong> anzeigen<br />
musste, was er an Gütern aufbr<strong>in</strong>gen<br />
konnte...“<br />
Der Kaiser Augustus brauchte<br />
Geld, um se<strong>in</strong>e Hauptstadt zu f<strong>in</strong>anzieren<br />
und se<strong>in</strong>e Armee, um<br />
das römische Reich ruhig zu halten,<br />
damit die Menschen ordnungsgemäß<br />
ihre Steuern zahlten,<br />
damit die Reichen <strong>in</strong> Rom und<br />
den Prov<strong>in</strong>zen noch e<strong>in</strong> bisschen<br />
reicher wurden...<br />
„Je<strong>der</strong>mann g<strong>in</strong>g, dass er sich<br />
schätzen ließe, e<strong>in</strong> jeglicher <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>e Stadt“, heißt es kurz. Der<br />
Kaiser befiehlt und „e<strong>in</strong> jeglicher“<br />
(man bedenke: je<strong>der</strong>mann und jedefrau<br />
„<strong>in</strong> aller Welt“) begibt sich<br />
sche<strong>in</strong>bar wi<strong>der</strong>spruchslos an den<br />
Ort, den er im Interesse <strong>der</strong> römischen<br />
Weltordnung e<strong>in</strong>zunehmen<br />
hat. E<strong>in</strong> Albtraum: Die Menschheit<br />
bewegt sich wie e<strong>in</strong>e riesige, millionengliedrige<br />
Marionette an <strong>der</strong><br />
Hand e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zigen Drahtziehers.<br />
Der Platz des e<strong>in</strong>zelnen wird diktiert<br />
vom Regime des Geldes, se<strong>in</strong><br />
Wert abgeschätzt und taxiert. Solche<br />
Steuerschätzungen hat es<br />
immer wie<strong>der</strong> gegeben, allerd<strong>in</strong>gs<br />
normalerweise <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen<br />
Prov<strong>in</strong>zen und so auch im besetzten<br />
jüdischen Land. Und die<br />
konkrete Gestalt dieser Steueraus -<br />
pressung mit e<strong>in</strong>er <strong>der</strong>artigen Personen-<br />
und Besitzstandsregistrierung<br />
war geprägt durch e<strong>in</strong> Heer<br />
von zynischen Ausbeutern, gehorsamen<br />
Beamten und staatsverpflichteten<br />
Religionsdienern, die<br />
alle „ihre Pflicht“ tun und ihren<br />
Kaiser und se<strong>in</strong>e Statthalter beweihräuchern.<br />
Wir sollten diese Form <strong>der</strong> „Schätzung"<br />
vor Augen haben, um zu begreifen,<br />
die Weihnachtsgeschichte<br />
ist wie e<strong>in</strong> Protestschrei gegen<br />
e<strong>in</strong>en so abschätzigen, vornehmlich<br />
zählerischen Umgang mit Men-<br />
GLAUBE<br />
schen, gegen die Erniedrigung des<br />
Menschen zur Nummer, e<strong>in</strong>zig def<strong>in</strong>iert<br />
durch das, was er e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt.<br />
„Da machte sich auf auch Josef...“,<br />
– Die Weltgeschichte, von <strong>der</strong><br />
auch Josef aus Nazareth mitgerissen<br />
wird, erfährt e<strong>in</strong>e zeichenhafte<br />
Opposition. Lukas drückt<br />
das aus durch den Begriff „Sich-<br />
Aufmachen“. Es wird im Alten Testament<br />
gebraucht für die Wan<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Wallfahrer, die h<strong>in</strong>auf<br />
zum Berg Zion, nach Jerusalem,<br />
zum heiligen Ort Gottes Bundes<br />
gehen. In <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />
weltgeschichtlichen Bewegung<br />
des Geldes und <strong>der</strong> Ungerechtigkeit<br />
brechen zwei auf <strong>in</strong> diese<br />
Richtung, macht sich auf auch<br />
Josef aus Nazareth „mit Maria,<br />
se<strong>in</strong>em vertrauten Weibe...“ zu<br />
e<strong>in</strong>er Reise, die auf den ersten<br />
Blick nur wie e<strong>in</strong> Mittrotten und<br />
Mitläufertum im Strom des kaiserlichen<br />
Befehls aussieht. Sie ist<br />
aber <strong>in</strong> Wahrheit e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>aufgang<br />
und Aufbrechen <strong>der</strong> Menschen h<strong>in</strong><br />
zu dem Gott, <strong>der</strong> nicht zählbar und<br />
käuflich ist und <strong>der</strong> den Bund <strong>der</strong><br />
Gerechtigkeit mit se<strong>in</strong>em Volk e<strong>in</strong>gegangen<br />
ist und ihn hält ewiglich<br />
und nicht preisgibt den Menschen,<br />
das Werk se<strong>in</strong>er Hände:<br />
„...und Maria gebar ihren ersten<br />
Sohn“. Pastor<strong>in</strong> Angela He<strong>in</strong>e<br />
Foto: Dieter Schütz/Pixelio<br />
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