Waldkirch auf dem Weg zur inklusiven Schule - AGP - Alter ...

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5 Zusammenführung Die vorliegende Studie lässt in Bezug auf den Unterricht in der Klasse 3a auf Seiten der Kinder, Eltern sowie der Lehrkräfte, der Stadt Waldkirch und der Schulleiterinnen ein hohes Maß an Schulzufriedenheit und Zufriedenheit mit den Lehrerinnen erkennen. Die Perspektiven der Studie sind begrenzt und es konnten keine Untersuchungsmethoden eingesetzt werden, die soziale Kompetenzen und Lernerfolge anhand von standardisiert-quantitativen Verfahren darlegen. Dennoch ist anhand der Datenlage erkennbar, dass im Rahmen der Kooperationsklasse soziale Kompetenzen in hohem Maße gefördert werden und individuelle Lernangebote individuelle Lernerfolge ermöglichen. „Ein zentrales pädagogisches Ziel des gemeinsamen Lernens von Schülern mit und ohne Behinderung in der allgemeinen Schule ist die Entwicklung eines positiven Sozialverhaltens (…)“ (Maikowski und Podlesch 2009, S. 226). Wie die Ergebnisse zur reziproken Unterstützungskultur und dem sozialen Miteinander in der Klasse 3a veranschaulichen, wird dieses Ziel im Rahmen der Kooperationsklasse 3a durchaus erfüllt. Das Ergebnis deckt sich mit den Erkenntnissen wissenschaftlicher Modellprojekte, die aufzeigen, dass Kinder ohne und mit sonderpädagogischem Förderbedarf besser, zumindest nicht schlechter als in anderen Settings lernen und dass der Gemeinsame Unterricht überlegen zu sein scheint, wird sein Erfolg am Maßstab „Sozialverhalten“ gemessen (Vgl. Klauß 2010, S. 1). Dieser Effekt des Gemeinsamen Unterrichts ist nicht uninteressant, insbesondere in Zeiten zunehmender Feindlichkeit gegenüber gesellschaftlichen Randgruppen, wie Heitmeyer unlängst belegt hat (vgl. Heitmeyer 2012). Die Förderung der Anerkennung aller Menschen und eine von Solidarität geprägte Haltung ist eine in hohem Maße bedeutsame gesellschaftliche Aufgabe. Der selbstverständliche Gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne spezielle Förderbedarfe ist ein Beitrag, um ein respektvolles Miteinander zwischen Schülerinnen und Schülern, unabhängig von ihren Leistungen und Eigenheiten in Vielfalt zu stärken. Dies wird u. a. durch Preuss-Lausitz wie folgt belegt: „Integrationserfahrung führt zu größerer Toleranz gegenüber Behinderten und stigmatisierten anderen Gruppen (Ausländern, unsportlichen Kindern), fördert also demokratische Haltungen. Diese Annahme wird völlig bestätigt. Das gilt auch für die Förderkinder“ (Preuss-Lausitz 1997, S. 202). Eine besonders problematische Position scheinen dabei – wie die Erzählungen der Schüler/innen der Klasse 3a verdeutlichen – Kinder mit einem auffälligen Sozialverhalten zu haben. Auch Preuss-Lausitz, der im Rahmen einer Studie zu den sozialen Beziehungen in Schule und Wohnumfeld hervorhebt, führt aus, wie wenig Kinder mit einem auffälligen Verhalten von Klassenkamerad/innen, Lehrkräften sowie dem gesamten sozialen Umfeld geschätzt werden und wie problematisch daher die Inklusion dieser Personengruppe ist (Vgl. Preuss-Lausitz 1990, S. 128). Im Rahmen der vorliegenden Studie ist zu erkennen, dass die Kinder in der Klasse 3a differenziert die eigenen Grenzen und Möglichkeiten erleben und reflektieren. Wer bin ich und was kann ich im Vergleich zu den anderen Kindern? Die Bereitschaft, sich gegenseitig zu unterstützen und mitverantwortlich zu sein für andere Menschen und sich selbst einbezogen zu wissen in einem sozialen Gefüge, das nicht auf Grundlage von Egoismen einzelner Personen funktioniert, sondern von der Gemeinschaft aller getragen wird, ist elementares Prinzip der Klasse. Die Haltung und die Überzeugung, Verantwortung für andere Kinder mit den persönlichen Grenzen und Kompetenzen übernehmen zu können, ist bei den Schülerinnen und Schülern der Klasse angekommen und akzentuiert die besondere Qualität der Klasse. 26 Waldkirch auf dem Weg zur inklusiven Schule - Evaluation der Pionierklasse. Abschlussbericht.

Zudem können durch die Studie interessante Sekundäreffekte belegt werden: Die Erfahrungen in Waldkirch zeigen, dass Eltern, deren Kinder eine Empfehlung zur Aufnahme in eine Förderschule haben, den Status „Förderschulkind“ eher akzeptieren, wenn das Kind nicht in einer Förderschulklasse sondern in einer Kooperationsklasse unterrichtet wird. In Waldkirch bestehen mehrere Fälle, in denen Eltern, die es zuvor ablehnten, den sonderpädagogischen Förderbedarf ihres Kindes anzuerkennen aufgrund von Befürchtungen, das Kind könnte lebenslang unter der Stigmatisierung leiden, nun den sonderpädagogischen Förderbedarf und den Status als Förderschulkind akzeptieren. Im Sinne von Normalisierungsbemühungen eröffnen die Kooperationsklassen die Möglichkeit, Negativauswirkungen des segmentierenden Schulsystems auszuhebeln. Pädagogisch wird es weiterhin Herausforderung sein, die Ungleichbehandlung der Schüler/innen zu kommunizieren und transparent herzuleiten, damit die Kinder keine Neidgefühle entwickeln und andere Kinder aufgrund der Bevorzugung ablehnen. Es gilt, den Schüler/innen die Ungleichbehandlung als egalitäre Differenz nachvollziehbar mitzuteilen. Die egalitäre Differenz als ein in der integrativen Pädagogik entstandenes Verständnis von Gleichheit und Differenz betont eine „Vision des Miteinanders der Verschiedenen auf der Basis gleicher Rechte“ und die „Freiheit der Verschiedenen“ (Prengel 2009, S. 141). Entscheidungen zur Auslegung von Regeln und zu Anforderungen sind daher auf die Gleichberechtigung aller Schüler/innen zurück zu führen und basieren auf den individuellen Grenzen und Möglichkeiten einzelner. Die vorliegende Studie kommt zu dem Ergebnis, dass individuelle Lernangebote in der Klasse 3a individuelle Lernerfolge ermöglichen und dass die Lernleistungen der Kinder den Leistungen anderer Grundschulkinder mit hoher Wahrscheinlichkeit weitestgehend entsprechen. Diese Erkenntnis belegen ebenso weitere Forschungsprojekte: Mit Blick auf die Evaluation von Modellprojekten zum Gemeinsamen Unterricht äußert Klauß, „Die Befürchtung mancher Eltern, ihr nicht behindertes Kind lerne langsamer und schlechter, wenn es auf Klassenkameraden mit Beeinträchtigungen Rücksicht nehmen muss, scheint insgesamt gesehen ebenso unberechtigt zu sein wie die von Eltern behinderter Kinder, ihre Töchter und Söhne hätten zu geringe Lernchancen in der heterogenen Lerngruppe“ (Klauß 2010, S. 2). Die Schulleistungen von Kindern mit Förderschwerpunkt Lernhilfe sind national und international im Vergleich zu den Leistungen im Sonderschulsystem besser, so Preuss-Lausitz. Auch in Bezug auf die Schüler/innen ohne speziellen Förderbedarf „zeigen die frühen Studien in Grundschulen bessere Schulerfolge als in nichtintegrativen Parallelklassen oder zumindest keine negativen“ (Preuss-Lausitz 2009, S. 461). Er bezieht sich hierbei auf verschiedene Untersuchungen in Deutschland und in europäischen Nachbarstaaten. Um seine Wirksamkeit entfalten zu können, benötigt der Gemeinsame Unterricht günstige Rahmenbedingungen. Hierzu gehört, verbindliche und verlässliche formale Gegebenheiten zu schaffen wie beispielsweise die Festsetzung der Klassenstärke, des „Klassenteilers“ und der Umgang mit den unterschiedlichen Lehrplänen. Diese strukturellen Grundlagen sollten möglichst zeitnah geklärt werden, damit die Kooperationsklassen sowohl für die Eltern als verlässliche Wahlmöglichkeit als auch für die Schulen als planbare Option bestehen können. Inwieweit sich die Schulverwaltung hierbei veränderungsbereit zeigt, ist noch ungeklärt. Allerdings kann eine zunehmende Offenheit von Seiten der Verwaltung wahrgenommen werden. Vor allem das unlängst initiierte Fachgremium beim Schulamt Freiburg, das unter dem Motto „Miteinander in Vielfalt und Vielfalt im Miteinander“ den Gemeinsamen Unterricht aktiv unterstützen soll, könnte in Freiburg den nötigen strukturellen Rahmen voran bringen – zumal es sich bei Freiburg um 1 von 5 Schwerpunktregio- 27 Waldkirch auf dem Weg zur inklusiven Schule - Evaluation der Pionierklasse. Abschlussbericht.

Zu<strong>dem</strong> können durch die Studie interessante Sekundäreffekte belegt werden: Die Erfahrungen in<br />

<strong>Waldkirch</strong> zeigen, dass Eltern, deren Kinder eine Empfehlung <strong>zur</strong> Aufnahme in eine Förderschule<br />

haben, den Status „Förderschulkind“ eher akzeptieren, wenn das Kind nicht in einer Förderschulklasse<br />

sondern in einer Kooperationsklasse unterrichtet wird. In <strong>Waldkirch</strong> bestehen mehrere<br />

Fälle, in denen Eltern, die es zuvor ablehnten, den sonderpädagogischen Förderbedarf ihres Kindes<br />

anzuerkennen <strong>auf</strong>grund von Befürchtungen, das Kind könnte lebenslang unter der Stigmatisierung<br />

leiden, nun den sonderpädagogischen Förderbedarf und den Status als Förderschulkind<br />

akzeptieren. Im Sinne von Normalisierungsbemühungen eröffnen die Kooperationsklassen die<br />

Möglichkeit, Negativauswirkungen des segmentierenden Schulsystems auszuhebeln.<br />

Pädagogisch wird es weiterhin Herausforderung sein, die Ungleichbehandlung der Schüler/innen<br />

zu kommunizieren und transparent herzuleiten, damit die Kinder keine Neidgefühle entwickeln<br />

und andere Kinder <strong>auf</strong>grund der Bevorzugung ablehnen. Es gilt, den Schüler/innen die Ungleichbehandlung<br />

als egalitäre Differenz nachvollziehbar mitzuteilen. Die egalitäre Differenz als ein in<br />

der integrativen Pädagogik entstandenes Verständnis von Gleichheit und Differenz betont eine<br />

„Vision des Miteinanders der Verschiedenen <strong>auf</strong> der Basis gleicher Rechte“ und die „Freiheit der<br />

Verschiedenen“ (Prengel 2009, S. 141). Entscheidungen <strong>zur</strong> Auslegung von Regeln und zu Anforderungen<br />

sind daher <strong>auf</strong> die Gleichberechtigung aller Schüler/innen <strong>zur</strong>ück zu führen und basieren<br />

<strong>auf</strong> den individuellen Grenzen und Möglichkeiten einzelner.<br />

Die vorliegende Studie kommt zu <strong>dem</strong> Ergebnis, dass individuelle Lernangebote in der Klasse 3a<br />

individuelle Lernerfolge ermöglichen und dass die Lernleistungen der Kinder den Leistungen anderer<br />

Grundschulkinder mit hoher Wahrscheinlichkeit weitestgehend entsprechen. Diese Erkenntnis<br />

belegen ebenso weitere Forschungsprojekte: Mit Blick <strong>auf</strong> die Evaluation von Modellprojekten<br />

zum Gemeinsamen Unterricht äußert Klauß, „Die Befürchtung mancher Eltern, ihr nicht<br />

behindertes Kind lerne langsamer und schlechter, wenn es <strong>auf</strong> Klassenkameraden mit Beeinträchtigungen<br />

Rücksicht nehmen muss, scheint insgesamt gesehen ebenso unberechtigt zu<br />

sein wie die von Eltern behinderter Kinder, ihre Töchter und Söhne hätten zu geringe Lernchancen<br />

in der heterogenen Lerngruppe“ (Klauß 2010, S. 2). Die Schulleistungen von Kindern mit Förderschwerpunkt<br />

Lernhilfe sind national und international im Vergleich zu den Leistungen im Sonderschulsystem<br />

besser, so Preuss-Lausitz. Auch in Bezug <strong>auf</strong> die Schüler/innen ohne speziellen<br />

Förderbedarf „zeigen die frühen Studien in Grundschulen bessere <strong>Schule</strong>rfolge als in nichtintegrativen<br />

Parallelklassen oder zumindest keine negativen“ (Preuss-Lausitz 2009, S. 461). Er bezieht<br />

sich hierbei <strong>auf</strong> verschiedene Untersuchungen in Deutschland und in europäischen Nachbarstaaten.<br />

Um seine Wirksamkeit entfalten zu können, benötigt der Gemeinsame Unterricht günstige Rahmenbedingungen.<br />

Hierzu gehört, verbindliche und verlässliche formale Gegebenheiten zu schaffen<br />

wie beispielsweise die Festsetzung der Klassenstärke, des „Klassenteilers“ und der Umgang<br />

mit den unterschiedlichen Lehrplänen. Diese strukturellen Grundlagen sollten möglichst zeitnah<br />

geklärt werden, damit die Kooperationsklassen sowohl für die Eltern als verlässliche Wahlmöglichkeit<br />

als auch für die <strong>Schule</strong>n als planbare Option bestehen können. Inwieweit sich die Schulverwaltung<br />

hierbei veränderungsbereit zeigt, ist noch ungeklärt. Allerdings kann eine zunehmende<br />

Offenheit von Seiten der Verwaltung wahrgenommen werden. Vor allem das unlängst initiierte<br />

Fachgremium beim Schulamt Freiburg, das unter <strong>dem</strong> Motto „Miteinander in Vielfalt und Vielfalt im<br />

Miteinander“ den Gemeinsamen Unterricht aktiv unterstützen soll, könnte in Freiburg den nötigen<br />

strukturellen Rahmen voran bringen – zumal es sich bei Freiburg um 1 von 5 Schwerpunktregio-<br />

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