Die vier Griechischen Elemente: - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
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0 Die vier Griechischen Elemente und ihre Bedeutung für die Naturwissenschaften 0.1 Was soll das? Die Suche nach der Klammer für die vorliegende Arbeit führte zurück bis in die Antike und motivierte zu diesem, vielleicht etwas ungewöhnlichen, 0. Kapitel. Den inhaltlichen Schwerpunkt dieser Arbeit bildet die Beschäftigung mit der Verteilung persistenter organischer Schadstoffe in der Umwelt. Durch Messungen der atmosphärischen Deposition, der Schadstoffgehalte in Boden, Sicker-, Grund- und Oberflächenwasser wird die (umwelt-)analytische Grundlage für die prozesshafte Beschreibung der relevanten Vorgänge gelegt. Den theoretischen Hintergrund für diese Beschreibung bildet die Thermodynamik. Hier wird nun die These vertreten, dass die vermutlich erste Formulierung der Thermodynamik in ihren Grundzügen im antiken Griechenland zu finden ist, und zwar im Begriff der „Elemente“. 0.2 Damals und heute Ca. 600 v. Chr. begründeten die auch als Vorsokratiker bezeichneten griechischen Denker eine Naturphilosophie, deren bestreben es zunächst war, die Welt auf einen Urstoff zurückzuführen. Bei Thales (640-562 v. Chr.) war dieser Urstoff das Wasser, Anaximenes (585- 528 v. Chr.) hingegen sah in der Luft den Urstoff, aus dem durch Verdichtung die anderen Stoffe gebildet werden. Heraklit (535-475 v. Chr.) schließlich bezeichnete das Feuer als die Ursubstanz allen Seins. Empedokles (494-434 v. Chr.) fasste die verschiedenen Vorstellungen schließlich in der 4-Elemente-Lehre zusammen und bezeichnete Erde, Wasser, Luft und Feuer als die vier Grundelemente, aus denen alle Materie aufgebaut sei. Bei Empedokles bildeten die vier Elemente getrennte, nicht ineinander überführbare Einheiten, die durch „Mischung“ und „Trennung“ (als deren Ursache er „Liebe“ und „Hass“ annahm) die materielle Basis der Welt bilden. Diese 4- Elemente-Lehre wurde von den Sokratikern der Klassischen Philosophie aufgegriffen und weiterentwickelt. Platon (427-327 v. Chr.) ordnete auf der Suche nach übergeordneten Harmonien jedem der Elemente einen regelmäßigen geometrischen Körper zu, die in seiner Akademie intensiv untersucht wurden (diese halfen z.B. viel später Johannes Kepler (1571- 1630 n. Chr.) bei der Formulierung der Planetengesetze). Schließlich ist von Aristoteles (384-322 v. Chr.) die Idee überliefert, dass die vier Elemente ineinander umwandelbar seien. Er beschrieb diese Übergänge in einem „Kreislauf des Werdens“ und erweiterte den Begriff der „Mischung“, der nun nicht mehr in einer rein ausgleichenden Funktion gedacht wird (so wie die Mischung von blau und gelb grün ergibt und grün den Ausgleich zwischen den beiden Ausgangsfarben bildet). Vielmehr bedeutet „Mischung“ bei Aristoteles auch, dass sich spezifisch Neues konstituieren kann, dass sich durch Mischung der Elemente auch höhere und komplexere Einheiten bis hin zu belebten Körpern bilden können (Buchheim, 1999) 1 . Unter explizitem Bezug auf die 4-Elemente- Lehre gilt bei Aristoteles: 1 Dies ist nichts anderes als ein Evolutionsgedanke. 1
0 Die vier Griechischen Elemente und ihre Bedeutung für die Naturwissenschaften „Das Entstehen des Einzelnen ist nichts als Umbildung“ (Aristoteles: Physik, 4. Kapitel). Die Übergänge der vier Elemente ineinander werden in der aristotelischen Beschreibung durch zwei sich wechselseitig überschneidende Grundqualitäten realisiert, die der sinnlichen Erfahrungswelt zugänglich sind (Abbildung 0-1). In diesen antiken Beschreibungen findet sich noch die unmittelbare Verknüpfung zwischen abstraktem Erklärungsmodell der Natur(-vorgänge) und sinnlicher Wahrnehmung mit z.T. mythologisch bzw. religiös geladenen Interpretationen. Ausdörrung Luft feucht, warm Erwärmung Feuer trocken, warm Wasser feucht, kalt Abkühlung Erde trocken, kalt Verflüchtigung Abbildung 0-1 Kreislauf des Werdens nach Aristoteles, ergänzt durch die Platonischen Körper. Diese Gedankengänge sollen hier jedoch nicht weiter verfolgt sondern der Frage nachgegangen werden, wie sich die vier griechischen Elemente im Licht der modernen Naturwissenschaften betrachten lassen. Mit folgender Übersetzung können die materiellen Größen (Erde, Wasser, Luft) als Naturzustände verstanden werden: Erde als Entsprechung für fest, Wasser als Entsprechung für flüssig, Luft als Entsprechung für gasförmig. Wird Feuer als Entsprechung für Energie gesetzt, so finden sich in den vier griechischen Elementen die drei Aggregatzustände der Materie und die Energie für die Phasenübergänge wieder. Nach dieser Lesart wird der Elementarcharakter der vier griechischen Elemente in den Naturwissenschaften der heutigen Zeit in der Thermodynamik aufbewahrt. Die letzte Lücke des aristotelischen Grundgedankens der Umwandelbarkeit der vier 2 griechischen Elemente ineinander wird schließlich von Einstein geschlossen, der mit seiner berühmten Formel E = m c 2 die direkte Umwandelbarkeit von Materie in Energie postulierte. Gerade in den Geowissenschaften erweisen sich die vier griechischen Elemente aber auch in einer „klassischen“ Interpretation als brauchbar. In der Atmosphäre („Luft“) kommen auch Partikel („Erde“) vor. Selbstverständlicher Bestandteil der Atmosphäre ist Wasser (hier kommt es zu einer doppelten Verschränkung, denn Wasser ist in der Atmosphäre in allen drei Zustandsformen enthalten: In gasförmigem Zustand ist es das bedeutendste aller Klimagase, in fester und flüssiger Form bildet es Wolken und Niederschläge). Im Boden („Erde“) wiederum sind sowohl Bodenwasser als auch -Luft enthalten und wesentliche Voraussetzung für Stofftransporte. Und auch in Grund- und Oberflächenwässern bildet das Nebeneinander fester, flüssiger und gasförmiger Bestandteile die Voraussetzung für die funktionalen Zusammenhänge im Stoffkreislauf 2 . 0.3 Gliederung Diese Vorüberlegungen werden angestellt, da es in der vorliegenden Arbeit um die verknüpfte Betrachtung einer umweltrelevanten Schadstoffgruppe in Atmosphäre, Boden und Gewässersystem geht. Die Verknüpfung wird über den räumlichen Bezug hergestellt, indem kleine Wassereinzugsgebiete als funktionale Einheiten für die Quantifizierung der Massenflüsse verwendet werden. Für diese Arbeit wurde ein kumulativer Aufbau gewählt, deren Grundstruktur von den vier griechischen Elementen vorgegeben wird. Zunächst werden in der Einleitung (Kap. 1) die für alle Kapitel gültigen Grundlagen gelegt und die Untersuchungsgebiete vorgestellt (Strukturelement „Feuer“, da die betrachtete Schadstoffgruppe durch Pyrolyse 2 Das offensichtliche Zustandsprinzip ist also nicht Separierung, sondern „Mischung“.
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0 <strong>Die</strong> <strong>vier</strong> <strong>Griechischen</strong> <strong>Elemente</strong> und ihre Bedeutung für die Naturwissenschaften<br />
„Das Entstehen des Einzelnen ist nichts als<br />
Umbildung“ (Aristoteles: Physik, 4. Kapitel).<br />
<strong>Die</strong> Übergänge der <strong>vier</strong> <strong>Elemente</strong> ineinander<br />
werden in der aristotelischen Beschreibung<br />
durch zwei sich wechselseitig überschneidende<br />
Grundqualitäten realisiert, die der sinnlichen<br />
Erfahrungswelt zugänglich sind (Abbildung<br />
0-1). In diesen antiken Beschreibungen findet<br />
sich noch die unmittelbare Verknüpfung<br />
zwischen abstraktem Erklärungsmodell der<br />
Natur(-vorgänge) und sinnlicher Wahrnehmung<br />
mit z.T. mythologisch bzw. religiös geladenen<br />
Interpretationen.<br />
Ausdörrung<br />
Luft<br />
feucht, warm<br />
Erwärmung<br />
Feuer<br />
trocken, warm<br />
Wasser<br />
feucht, kalt<br />
Abkühlung<br />
Erde<br />
trocken, kalt<br />
Verflüchtigung<br />
Abbildung 0-1 Kreislauf des Werdens nach<br />
Aristoteles, ergänzt durch die Platonischen Körper.<br />
<strong>Die</strong>se Gedankengänge sollen hier jedoch nicht<br />
weiter verfolgt sondern der Frage nachgegangen<br />
werden, wie sich die <strong>vier</strong> griechischen <strong>Elemente</strong><br />
im Licht der modernen Naturwissenschaften<br />
betrachten lassen. Mit folgender Übersetzung<br />
können die materiellen Größen (Erde, Wasser,<br />
Luft) als Naturzustände verstanden werden:<br />
Erde als Entsprechung für fest, Wasser als<br />
Entsprechung für flüssig, Luft als Entsprechung<br />
für gasförmig. Wird Feuer als Entsprechung für<br />
Energie gesetzt, so finden sich in den <strong>vier</strong><br />
griechischen <strong>Elemente</strong>n die drei Aggregatzustände<br />
der Materie und die Energie für die<br />
Phasenübergänge wieder. Nach dieser Lesart<br />
wird der Elementarcharakter der <strong>vier</strong> griechischen<br />
<strong>Elemente</strong> in den Naturwissenschaften der<br />
heutigen Zeit in der Thermodynamik aufbewahrt.<br />
<strong>Die</strong> letzte Lücke des aristotelischen<br />
Grundgedankens der Umwandelbarkeit der <strong>vier</strong><br />
2<br />
griechischen <strong>Elemente</strong> ineinander wird schließlich<br />
von Einstein geschlossen, der mit seiner berühmten<br />
Formel E = m c 2 die direkte Umwandelbarkeit<br />
von Materie in Energie postulierte.<br />
Gerade in den Geowissenschaften erweisen sich<br />
die <strong>vier</strong> griechischen <strong>Elemente</strong> aber auch in<br />
einer „klassischen“ Interpretation als brauchbar.<br />
In der Atmosphäre („Luft“) kommen auch<br />
Partikel („Erde“) vor. Selbstverständlicher<br />
Bestandteil der Atmosphäre ist Wasser (hier<br />
kommt es zu einer doppelten Verschränkung,<br />
denn Wasser ist in der Atmosphäre in allen drei<br />
Zustandsformen enthalten: In gasförmigem Zustand<br />
ist es das bedeutendste aller Klimagase, in<br />
fester und flüssiger Form bildet es Wolken und<br />
Niederschläge). Im Boden („Erde“) wiederum<br />
sind sowohl Bodenwasser als auch -Luft enthalten<br />
und wesentliche Voraussetzung für Stofftransporte.<br />
Und auch in Grund- und Oberflächenwässern<br />
bildet das Nebeneinander fester,<br />
flüssiger und gasförmiger Bestandteile die<br />
Voraussetzung für die funktionalen Zusammenhänge<br />
im Stoffkreislauf 2 .<br />
0.3 Gliederung<br />
<strong>Die</strong>se Vorüberlegungen werden angestellt, da es<br />
in der vorliegenden Arbeit um die verknüpfte<br />
Betrachtung einer umweltrelevanten<br />
Schadstoffgruppe in Atmosphäre, Boden und<br />
Gewässersystem geht. <strong>Die</strong> Verknüpfung wird<br />
über den räumlichen Bezug hergestellt, indem<br />
kleine Wassereinzugsgebiete als funktionale<br />
Einheiten für die Quantifizierung der Massenflüsse<br />
verwendet werden. Für diese Arbeit<br />
wurde ein kumulativer Aufbau gewählt, deren<br />
Grundstruktur von den <strong>vier</strong> griechischen <strong>Elemente</strong>n<br />
vorgegeben wird. Zunächst werden in<br />
der Einleitung (Kap. 1) die für alle Kapitel gültigen<br />
Grundlagen gelegt und die Untersuchungsgebiete<br />
vorgestellt (Strukturelement „Feuer“, da<br />
die betrachtete Schadstoffgruppe durch Pyrolyse<br />
2 Das offensichtliche Zustandsprinzip ist also nicht<br />
Separierung, sondern „Mischung“.