2 Der viszeral assoziierte Schulterschmerz - Osteopathic Research
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Der viszeral assoziierte Schulterschmerz Subjektive Perspektiven und diagnostische Vorgehensweisen aus Sicht von Osteopathen Interviewpartner „D“ (2009) spricht davon, dass der Zusammenhang immer eine Hypothese bleiben wird und der Zusammenhang nur vermutet werden kann. Interviewpartner „B“ (2009) erklärt: „Ich meine, man kann nicht sagen, es war nur die Leber.[…] Das heißt, wenn ich das Zwerchfell und die Leber aktiviere und es geht dem Patienten durch diese Einheit wesentlich besser von der Schulter her, [kann ich so einen Verbindung herstellen] (4/115-118). Auch IPA (2009) erklärt, dass wenn keine gravierenden Einschränkungen im Schultergelenk zu finden sind, „behandle ich dort, [wo es mich beim Listening hin gezogen hat] und schaue dann am Ende der Behandlung wieder die Beweglichkeit im Schultergelenk an“ (2/66-75). Dem schließt sich auch Interviewpartner „E“ (2009) an, der sich die Bestätigung „dann über die veränderte Struktur oder Funktion“ [holt] (6/183-184) und weiter erläutert: „ja, es ist schon ein Trial-and-Error-Prinzip“ (6:184). Diese Aussage wird von Interviewpartner „C“ (2009) bekräftigt: „Wenn nicht ganz klar ist [was die Beschwerden auslöst], beginnt man eben ein bisschen zu konstruieren. Und beginnt dann zu konstruieren, dass das eben von dort und dort kommt. Ich meine, der riesige Vorteil der Osteopathie ist, wir können es behandeln, und das Ergebnis gibt uns dann oft recht oder nicht. Das ist zwar nicht die feine Schule, aber es ist eben so“ (IPC 2009/8:246-251). Laut Diemer/Sutor (2010) darf nicht vergessen werden, dass eine Behandlung viszeraler Strukturen eine hervorragende Schmerzbehandlung darstellen kann. Eine schmerzstillende Wirkung könnte laut Fossum (2010) dahingehend erklärt werden, dass es im Rahmen einer osteopathischen Behandlung zu einer Verbesserung der Gewebedrainage, einer Harmonisierung des neurovegetativen Nervensystems sowie zu einer Aktivierung der körpereigenen schmerzinhibitorischen Mechanismen durch Normalisierung von Fehlspannungen und Bewegungseinschränkungen im Gewebe kommt. „Beteiligt an diesen Mechanismen sind das GA-BAerge System, das opioiderge System und serotonierge System sowie das Modell der ´Gate-control- Theorie´“ (S. 54), das besagt, dass Afferenzen aus Mechanorezeptoren nozizeptive Afferenzen im Hinterhorn des Rückenmarks hemmen. Fünf der befragten Osteopathen versuchen, über Prozentzahlen den Einfluss einer Organdysfunktion auf den Schulterbereich zu definieren. Die Einschätzungen reicht von 20% (vgl. IPD 2009), 50% (vgl. IPC 2009), mehr als 50% (vgl. IPG 2009) bis zu 70% (vgl. IPA 2009; IPE 2009), wobei eine höherer Einflussmöglichkeit (50% und mehr) vor allem bei schon sehr lange bestehenden chronischen Organstörungen für möglich erachtet wird (vgl. IPA 2009). Seite | 89
Der viszeral assoziierte Schulterschmerz Subjektive Perspektiven und diagnostische Vorgehensweisen aus Sicht von Osteopathen Eine sehr interessante Erklärung liefert Interviewpartner „C“ (2009): „Ich habe wirklich das Gefühl, dass die Schulter ein Gelenk ist, wo sich einzelne Faktoren subsumieren. Angenommen [ein Organ hat ein Problem] und die Schulter ist perfekt, wird sich die Läsion nicht in der Schulter artikulieren. Aber wenn dort eine Degeneration, eine Belastung vorhanden ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich ein Organsystem in der Schulter manifestiert. Und wenn man das in Prozent zusammen fasst, glaube ich, dass schon 50% der Schulterläsionen oder Schulterproblematiken mit dem Organsystem zu tun hat. [Das könnte dann die Ursache sein, dass eine Schulter, wenn sie nur strukturell behandelt wird] dann bei der Behandlung nicht besser wird, wenn man das nicht berücksichtigt“ (IPC 2009/11:359- 367). Dann jedoch überlegt er weiter und erklärt, dass er einmal einen Patienten hatte, welcher starke Schulterschmerzen hatte. „Ich habe an der Schulter nicht viel gefunden. Nach einer Woche sind wir drauf gekommen, dass er einen Abszess im Darm hat […] und nach der Operation war die Schulter beschwerdefrei“ (IPC 2009/4:128-135). 5.4 Die persönliche und berufliche Entwicklung Auf die Frage, inwieweit sich ihr Diagnose- bzw. Befundungsprozess im Laufe der praktischen Erfahrung verändert hat, erklärten drei Interviewpartner, dass sie weniger Tests verwenden oder in der Befundung schneller geworden sind. „Aufgrund der Erfahrung lässt man einige Befundungsschritte weg und ist schneller bei der Therapie“ (IPB 2009/5:143-144). IPE (2009) meint: „Ich brauche weniger Tests. Knapp nach der Ausbildung macht man so viele Tests wie möglich, die vielleicht alle die gleiche Aussage haben. Und mit der Erfahrung […] brauche ich einfach weniger Tests, weil der rote Faden in der Behandlung einfach schon vorher ein bisschen klarer ist“ (IPE 2009/5:146-153). Diese Aussage untermauert auch Interviewpartner „C“ (2009): „Ich habe das Gefühl, mit der Erfahrung braucht man nicht mehr so viel einzelne Tests, um wirklich auf den Punkt zu kommen“ (6:197-198). Auch Interviewpartner „F“ (2009), der ausschließlich nach der biodynamischen Osteopathie befundet und arbeitet, wendet keine Tests mehr an. „Ich habe früher hunderte Untersuchungsbögen entworfen. Das hat mir aber dann alles zu lange gedauert […] und mir viel Zeit in der Behandlung genommen […] und vor allem hat es mir dann einfach auch diesen Blick auf das Ganze verstellt“ (11:357-370). Er erklärt weiter, dass es am Beispiel des Kiefergelenks sehr viele Tests gibt. „Da gibt es hunderte Tests – und die gehen so ins Detail – und du findest dann irgendwo Seite | 90
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<strong>Der</strong> <strong>viszeral</strong> <strong>assoziierte</strong> <strong>Schulterschmerz</strong><br />
Subjektive Perspektiven und diagnostische Vorgehensweisen aus Sicht von Osteopathen<br />
Interviewpartner „D“ (2009) spricht davon, dass der Zusammenhang immer eine<br />
Hypothese bleiben wird und der Zusammenhang nur vermutet werden kann.<br />
Interviewpartner „B“ (2009) erklärt: „Ich meine, man kann nicht sagen, es war nur die<br />
Leber.[…] Das heißt, wenn ich das Zwerchfell und die Leber aktiviere und es geht<br />
dem Patienten durch diese Einheit wesentlich besser von der Schulter her, [kann ich<br />
so einen Verbindung herstellen] (4/115-118). Auch IPA (2009) erklärt, dass wenn<br />
keine gravierenden Einschränkungen im Schultergelenk zu finden sind, „behandle ich<br />
dort, [wo es mich beim Listening hin gezogen hat] und schaue dann am Ende der<br />
Behandlung wieder die Beweglichkeit im Schultergelenk an“ (2/66-75). Dem schließt<br />
sich auch Interviewpartner „E“ (2009) an, der sich die Bestätigung „dann über die<br />
veränderte Struktur oder Funktion“ [holt] (6/183-184) und weiter erläutert: „ja, es ist<br />
schon ein Trial-and-Error-Prinzip“ (6:184). Diese Aussage wird von Interviewpartner<br />
„C“ (2009) bekräftigt:<br />
„Wenn nicht ganz klar ist [was die Beschwerden auslöst], beginnt man eben ein bisschen zu<br />
konstruieren. Und beginnt dann zu konstruieren, dass das eben von dort und dort kommt. Ich<br />
meine, der riesige Vorteil der Osteopathie ist, wir können es behandeln, und das Ergebnis gibt<br />
uns dann oft recht oder nicht. Das ist zwar nicht die feine Schule, aber es ist eben so“ (IPC<br />
2009/8:246-251).<br />
Laut Diemer/Sutor (2010) darf nicht vergessen werden, dass eine Behandlung<br />
<strong>viszeral</strong>er Strukturen eine hervorragende Schmerzbehandlung darstellen kann. Eine<br />
schmerzstillende Wirkung könnte laut Fossum (2010) dahingehend erklärt werden,<br />
dass es im Rahmen einer osteopathischen Behandlung zu einer Verbesserung der<br />
Gewebedrainage, einer Harmonisierung des neurovegetativen Nervensystems sowie<br />
zu einer Aktivierung der körpereigenen schmerzinhibitorischen Mechanismen durch<br />
Normalisierung von Fehlspannungen und Bewegungseinschränkungen im Gewebe<br />
kommt. „Beteiligt an diesen Mechanismen sind das GA-BAerge System, das<br />
opioiderge System und serotonierge System sowie das Modell der ´Gate-control-<br />
Theorie´“ (S. 54), das besagt, dass Afferenzen aus Mechanorezeptoren nozizeptive<br />
Afferenzen im Hinterhorn des Rückenmarks hemmen.<br />
Fünf der befragten Osteopathen versuchen, über Prozentzahlen den Einfluss einer<br />
Organdysfunktion auf den Schulterbereich zu definieren. Die Einschätzungen reicht<br />
von 20% (vgl. IPD 2009), 50% (vgl. IPC 2009), mehr als 50% (vgl. IPG 2009) bis zu<br />
70% (vgl. IPA 2009; IPE 2009), wobei eine höherer Einflussmöglichkeit (50% und<br />
mehr) vor allem bei schon sehr lange bestehenden chronischen Organstörungen für<br />
möglich erachtet wird (vgl. IPA 2009).<br />
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