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THEATER
Am Ende knipst Teo das Licht aus
KULTUR JOKER 5
Das SWR Symphonieorchester eröffnet die neue Saison im Konzerthaus Freiburg
Teodor Currentzis,
Axel Wolf,
Patricia Kopatchinskaja
Foto: SWR, Anja Limbrunner
Er ist wieder da. Lange Zeit
hörte man nichts mehr von Teodor
Currentzis, dem vielbeschäftigen
Dirigenten, dessen Omnipräsenz
die Corona-Pandemie
ausbremste. Das letzte Konzert
des SWR Symphonieorchesters
vor Publikum dirigierte er am
5. März in Madrid im Rahmen
der großen Europatournee des
Orchesters. Nun kehrt er zum
Saisonauftakt ans Pult zurück,
wobei er im Freiburger Konzerthaus
den angestammten
Dirigentenplatz häufig verlässt
und zwischen den Musikerinnen
und Musikern tänzelt, mit dem
ganzen Körper Klänge gestaltet
und sich auch mal auf das Podest
setzt, um gemeinsam mit der
Geigerin Patricia Kopatchinskaja,
begleitet von Axel Wolf
an der Theorbe, John Dowlands
„Weep you no more, sad fountains“
zu singen.
Das SWR Symphonieorchester
hat noch das Beste aus der
von starken Reglementierungen
und strengen Abstandsregeln geprägten
Coronazeit gemacht. Mit
dem speziellen Format „1 to 1
Concerts“, bei dem ein Musiker
auf einen Zuhörer traf, bescherte
es in Stuttgart und Freiburg an
ungewöhnlichen Orten wie dem
Stuttgarter Flughafen eindrückliche
Konzerterlebnisse. Die
Ständchenkonzerte in Innenhöfen
sorgten für große emotionale
Nähe zu einem besonderen Publikum,
das in Krankenhäusern
und Altenheimen sehr dankbar
war für die von maximal zwei
Orchestermitgliedern gespielten
Musikstücke. Aber auch mehrere
aufwändig gefilmte Studioproduktionen
mit Dirigenten wie
dem jungen Shooting Star Lorenzo
Viotti oder dem früheren
Chefdirigenten François-Xavier
Roth entstanden noch vor der
Sommerpause im Funkstudio
und der Stuttgarter Liederhalle.
Die schon fertig geplante Saison
wurde bis Ende Dezember komplett
überarbeitet. Das große, bereits
fertig gedruckte Programmheft
wurde gar nicht verschickt.
Stattdessen gibt es ein schmales
Heftchen mit den Terminen bis
Jahresende. Die Künstler bleiben,
die Werke und Besetzungen
der Orchesterkonzerte ändern
sich. Statt Richard Strauss‘ groß
besetzter Alpensinfonie steht
beispielsweise im Oktober unter
dem Dirigat von Manfred
Honeck dessen für 23 Solostreicher
komponierten „Metamorphosen“
auf dem Programm
(31.10., Konzerthaus Freiburg).
Statt des Konzerts für zwei Klaviere,
Schlagzeug und Orchester
spielt das GrauSchumacher Piano
Duo im November mit dem
SWR Symphonieorchester John
Adams‘ „Grand Pianola Music“
(28.11., Konzerthaus Freiburg).
Nur der Dies-Irae-Abend von
Patricia Kopatchinskaja, in der
Saison 20/21 artist in residence,
blieb unangetastet und ermöglicht
sogar durch die Verlegung
vom Freiburger E-Werk ins
Konzerthaus 200 Besucher mehr
(17.11.20). Alle Konzerte werden
ohne Pause, die meisten zweimal
am gleichen Tag gespielt.
Zum Eröffnungskonzert geplant
waren eigentlich Béla
Bartóks zweites Violinkonzert
und Sergej Prokofiews Ballettmusik
„Romeo und Julia“. Stattdessen
gibt es im mit knapp 500
Personen gefüllten Freiburger
Konzerthaus ein völlig neues
Festspiele der Musik
Die Schwetzinger SWR Festspiele live, über Radio oder digital
Nach vielen Monaten Kulturaus
freuen sich Musiker*innen
allernorts wieder darauf, aufzutreten
- idealerweise vor prächtiger
Kulisse. Die bietet vom 19. bis 29.
Oktober das Schwetzinger Schloss.
Hier finden die Schwetzinger SWR
Festspiele statt - mit einem facettenreichen
Programm, das sowohl
informiert als auch unterhält. Aufgrund
des Vorkaufsrecht haben
zunächst jene vom coronabedingt
begrenzten Kartenkontingent Gebrauch
gemacht, die bereits für
die vergangene, entfallene Festspielsaison
im Mai Karten gekauft
hatten. Daher kann zu Redaktionsschluss
nicht garantiert werden,
dass noch Karten verfügbar sind.
Alljenigen, die keine Tickets mehr
kaufen konnten, bleibt die Möglichkeit,
die Konzerte im Radio zu
hören. SWR2 zeichnet alle Konzerte
auf. Drei der Konzerte werden
sogar audiovisuell gestreamt.
Im reichhaltigen Programm sind
Künstler*innen wie das GrauSchumacher
Piano Duo, das Belcea oder
Artemis Quartet zu hören. Neben
Werken von Mozart, Schubert oder
Paul Hindemith gibt es einen zum
Beethovenjahr passenden Komponistenschwerpunkt.
Ein Highlight
ist sicher das Gesprächskonzert
„Beethovens Klaviere“ mit dem
belgisch-kanadischen Pianisten
Tom Beghin. Er interpretiert Beethovens
vorletzte Klaviersonate Nr.
31 As-Dur op.110 am 23. Oktober
auf einer Replik des Instruments
der englischen Firma Broadwood,
das Beethoven von 1817 bis zu
seinem Tod spielte und durch eine
Gehörmaschine verstärkte.
Weitere Infos: www.schwetzinger-swr-festspiele
Pianist Tom Beghin an seinem Nachbau von Beethovens
Broadwood samt Gehörmaschine
Foto: Pieter Peeters
Programm zu hören mit viel
zeitgenössischer Musik, klugen
Übergängen und viel Theatralik.
Das dem verstorbenen
SWR-Geiger Matthias Fischer
gewidmete Konzert beginnt mit
Helmut Lachenmanns „...Zwei
Gefühle...“, wobei der Stuttgarter
Komponist wenige Wochen
vor seinem 85. Geburtstag selbst
die Worte Leonardo da Vincis
spricht, zertrümmert, verfremdet.
Silben als Impulsgeber,
nicht all Sinnträger. Auch im
Orchester zischt und brodelt es.
Jedes Geräusch wird mit Energie
aufgeladen. Ungewöhnliche
Spieltechniken erschaffen eine
neue Klangästhetik. In Dmitri
Kourliandskis neuem Werk
„Possible Places“ für Violine
und Ensemble tritt die moldawische
Geigerin nach vielen
Glissandi und wilden Tonleitern
summend und spielend in einen
zärtlichen Dialog mit dem Orchester.
Heinrich Ignaz Franz
Bibers „Battalia“ wird mit viel
VINOTHEK & WEINBAR
ALTE WACHE
Schmackes zum Leben erweckt.
Genial, wie am Ende nach der
großen Schlacht beim „Lamento
der Verwundten Musquetirer“
allmählich das Licht erlöscht
und die Gruppe der Violinen
nach und nach die Bühne verlässt,
ehe im Attacca-Übergang
die tastenden Klänge von Giacinto
Scelsis „Anahit, lyrisches
Poem über den Namen der Venus“
den Raum einnehmen – als
würde die Spannung von Bibers
Klangausbrüchen noch nachhallen.
Das 1965 komponierte
Werk wird zu einer sinnlichen
Klangreise mit faszinierenden
Farbmischungen, an- und abschwellenden
Bewegungen und
tief berührenden Gesten. Am
Ende bleibt nur noch ein einzelner
Geigenton von Patricia Kopatchinskaja
übrig – dann knipst
Teo das Licht aus. Und lässt sich
mit gemeinsam mit der Geigerin
und dem Orchester feiern.
Georg Rudiger
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