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Zwischen Individualität und

gesellschaftlicher Ordnung

4 KULTUR JOKER THEATER

„Der Penthesilea- Komplex“ unter der Regie von Grete Linz, gespielt durch fünf Schauspielschüler*innen

auf der Experimentalbühne des E-Werks

Foto: Schauspielschule Freiburg

An Heinrich von Kleists 1808

veröffentlichtem Trauerspiel

„Penthesilea“ um die gleichnamige

Amazonenkönigin lässt

sich bis heute gewinnbringend

herum interpretieren, zerschmettert

der zu Lebzeiten erfolglose

Außenseiter hier doch ebenso radikal

wie spannungsgeladen das

Gefängnis der Geschlechtsstereotype

und das zwei Jahrhunderte

vor aktuellen Gender-Diskursen:

Männer – Frauen, Oben – Unten,

Reich – Arm, Weiß – Schwarz,

Rassismus, Sexismus, Elend, Gewalt

und Verteilungskampf der

Ressourcen - das sind die brennenden

Themen unserer Tage. Ob

die Gleichheit der Geschlechter

funktionieren kann und wie, darauf

gibt Kleist eine krasse Antwort:

Er schafft mit Penthesilea

und dem griechischen Kämpfer

Achill zwei Superhelden als

Auch die Türen des großen Festspielhauses

in Baden-Baden waren

bislang verschlossen. Nun öffnen

sie sich wieder den Zuschauern

und Kulturliebhabern: die Saisoneröffnung

dieses Jahres - der zweiten

Saison des neuen Intendanten

Benedikt Stampa - bestreitet John

Neumeier mit seinem Hamburg

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Ideenträger, die beide Frau und

Mann in einem sind und am

Konflikt zwischen Individualität

und gesellschaftlicher Ordnung

zerbrechen. Für eine Liebe sind

sie stark genug, trotzdem zerfetzt

die Amazonenkönigin am

Ende ihren Geliebten in einem

orgiastischen Blutrausch mit

blanken Zähnen, bevor sie sich

selbst tötet.

Ganz großes Drama also,

und damit eine Steilvorlage

für Regisseurin Grete

Linz, die jetzt mit fünf ihrer

Schauspielschüler*innen einen

facettenreichen „Penthesilea-

Komplex“ als erste Inszenierung

nach dem Lockdown auf die

Experimentalbühne im E- Werk

bringt. Nüchtern betrachtet ist

es eine Deutschstunde mit Anspruch,

stimmungsvollem Sound

(Marvin Lawton), tollen Beats

Ballett und dem erst im September

2020 in Hamburg uraufgeführten

Ballett „Ghost Light“.

Den Titel erhielt dieses „Ballett

in Corona-Zeiten“ von einer angloamerikanischen

Theatertradition:

dort „bewacht“ ein Licht, das Geisterlicht,

eine einzelne Glühlampe

auf einer Eisenstange, über Nacht

und RAPS (Artur Grenz, Michael

Rubin), packenden Szenen

und einem starken, aber stellenweise

auch zu textlastigem

Chor. Inhaltlich wird der Bogen

vom Trojanischen Krieg im alten

Griechenland über die Französische

Revolution bis ins Heute

gespannt, samt Exkursionen in

Kleists homosexuelle Biografie

und die Geschichte des Frauenkampfs.

Auf jeden Fall guckt man Anaȉs

Amman, Elisa Helferich, Jan Frederik

Saure, Marvin Lawton und

Sujit Kuruvillsa richtig gerne

zu: In androgyn-zeitlosem Unisex-Look

aus Wickelrock und

schwarzen Bustiers wirbeln sie

energiegeladen über die Bühne,

kommentieren und schlüpfen in

unterschiedliche Rollen. Mittendrin

liegt ein Berg Maler-Folie,

der mit starken Lichteffekten

(Lion Koch) mal als bewegte

Wasseroberfläche, Feuerbrunst

oder tosendes Schlachtengetümmel

bespielt, aber auch blitzschnell

zu Kleidern gewickelt

wird. Im Hintergrund zeigen

Video-Projektionen (Marvin

Lawton, Anaȉs Amman) eine

karge, archaische Welt aus Wasser,

Erde, Luft. (Konzept, Bühne,

Kostüme: Grete Linz).

Perfektes Setting für eine

klassische griechische Tragödie

also, auf die hier allerdings nur

Schlaglichter geworfen werden.

Schlüsselszenen in Original-

Blankversen werden zum Anschauungsmaterial

für eine intellektuelle,

dabei kurzweilige

und dynamische Auseinandersetzung

mit den Themen Macht

und Geschlecht, Ordnung und

Individualität (Historischer Support:

Ingeborg Waldherr). Prima

die Bühne. Niemand darf, solange

es brennt, die Bühne betreten

- außer vielleicht die nächtlichen,

unsichtbaren Geister - bis der

neue Tag beginnt und die Bühne

sich wieder mit Leben füllt. Dieses

Ghost Light hat vielleicht auch in

Corona-Zeiten die Bühnen allerorts

bewacht, um sie jetzt nach und

nach wieder den Menschen zurück

zu geben … Jedenfalls ist es für

den Hamburger Choreografen

Inspiration genug, um sich mit

seinem Ensemble - unter Corona-

Bedingungen und Vorschriften,

die er als Struktur für sein Ballett

künstlerisch nutzt - wieder auf den

Weg zu machen und Tanz zu kreieren.

Zu Klaviermusik von Franz

Schubert, den „Moments musicaux“

Op. 94 und den Impromptus

Op. 90, gespielt von Michael

Bialk, entwickelt John Neumeier

ein Ensemble-Stück mit Soli, Duetten

und kleineren Ensembles für

die gesamte 60-köpfige Compagnie:

Miniaturen, getanzte Momente

und kleine Charakterstücke,

die unter dem Schein des Ghost

Lights sich entfalten. Um Karten

für dieses Tanzereignis sollte man

sich rechtzeitig bemühen, denn der

große Saal des Festspielhauses ist

(von vormals 2.500 Plätzen) auf

500 reduziert.

Oberstufenklassen-Stoff rund um

Kleist und das Penthesilea-Thema

also, dem man sich dank moderner

Lüftungsanlage und durchdachtem

Sicherheitskonzept gut

anvertrauen kann. Deswegen

gibt die Experimentalbühne auch

so viele Vorstellungen. Bleibt zu

hoffen, dass sich der große Einsatz

auch finanziell rechnet, sind

doch schon die Gastauftritte im

September bei Theaterfestivals in

Kroatien und Marokko der Pandemie

zum Opfer gefallen.

Weitere Termine: 1. - 4.; 8. - 11.

& 15. - 18.; 22. - 25.; 29./31. Oktober,

jeweils um 20 Uhr, sonntags

um 18 Uhr. Experimentalbühne

im E-Werk, Freiburg. Infos und

Reservierungen unter https://

www.der-penthesilea-komplex.

de/ - Mundnasenschutz- Pflicht

bis zum Platz.

Marion Klötzer

Bis sich die Bühne wieder mit Leben füllt …

In Baden-Baden eröffnet das Ballett „Ghost Light“ von John Neumeier die Festspielsaison 2020 / 2021

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Die Baden-Baden-Premiere findet

am Do., 8.10.2020 um 20 Uhr

statt. Weitere Aufführungen sind

am 9.10. um 20 Uhr, am 10.10. um

18 Uhr und am 11.10. um 17 Uhr.

Am So.,11.10. beginnt um 11 Uhr

dann zusätzlich noch die beliebte

Ballettwerkstatt.

Renate Killmann

Hélène Bouchet und Jacobo Bellussi

Foto: Kiran West, Baden-Baden Festspiele

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