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30 KULTUR JOKER INTERVIEW
funktioniert das in der Requisite
hier so, nicht anders? Es gibt
extreme Fallbeispiele. Etwa die
Sänger-Besetzung. Wie war der
Prozess, und was kommt nachher
dabei heraus? Mitspracherecht
oder nicht?
Kultur Joker: Was ist Ihnen bei
Ihren eigenen Inszenierungen
wichtig?
Benedikt von Peter: Eigentlich
versuche ich immer, dass man
so stark wie möglich und körperlich
merkt, was die Musik
von dem Stück will. Dass man
da mitten rein versetzt wird.
Ich glaube, ich bin schon die
Post-Konwitschny-Generation,
die sagt: „Versuche ein Tableau
zu schaffen, in dem das Stück
von sich erzählt“. Manchmal
sind da größere Konstruktionen
vonnöten, manchmal muss man
dazu eine Geschichte erfinden,
damit es den Leuten einfacher
gemacht wird oder direkter. Und
manchmal ist es mehr Storytelling,
manchmal mehr Installation,
je nachdem, was das Stück
mitbringt. Das Stück soll auch
von sich erzählen, so kräftig wie
möglich. Auch die Energie der
Musik sollte genutzt werden.
Man sollte nicht irgendwas machen,
und dann spielt da irgendwas
im Orchestergraben: stattdessen
die Power von diesem
mehrdimensionalen Phänomen
Musik auf die Rampe oder in
den Körper kriegen.
Kultur Joker: Unter dem Motto
„Platz für alle“ öffnet am
14. November das neue „Foyer
Public“ mit einem Tanz-Ball mit
französischem Retro-Charme.
Das Foyer des Theaters hat sich
verwandelt, wird täglich (außer
montags) von 11 bis 18 Uhr geöffnet
sein, gratis und konsumfrei.
Es gibt Tanzbühnen, eine
Bibliothek, Kinderecke und das
Theater-Café. Bei der Sanierung
haben Sie ein Wörtchen mitgeredet.
Was erwartet die Theaterbesucher
Neues vor Ort?
Benedikt von Peter: Also vor
allem die neuen Fenster, damit
man bis zur Kirche durchgucken
kann, überhaupt das neue Theater-Café
mit Zonen, wo man
sich bewegen kann oder umsonst
WLAN hat, es gibt neue Workshop-Räume,
die Billett-Kasse
kommt ins Foyer.
Kultur Joker: Im August und
September hat das erweiterte
Leitungsteam des Theaters Basel
rund 40 Hausbesuche bei Privatpersonen,
in Cafés, Bibliotheken
oder bei anderen Interessierten
absolviert. Warum?
Benedikt von Peter: Das hängt
mit dem neuen Foyer zusammen.
Das Foyer ist eine Art Quartiers-
Entwicklungs-Projekt. Wir haben
auch vor, den Jugendlichen,
die den Vorplatz rund um das
Theater bereits nutzen, unseren
Raum zu öffnen und anzubieten.
Viele von den Leuten, die dort
arbeiten, leben auch im Quartier.
Dieses Nachbarschaftliche
ist uns wichtig, dass man zu den
Leuten geht und sagt: „Hallo,
jetzt sind wir da und klingeln
bei den Nachbarn.“ Oder bei
Regisseur Benedikt von Peter und die Sänger Paul Curievici, Karl-Heinz Brandt und
Nathan Berg bei den Proben zur neuen Oper „Saint François d‘Assise“ Foto: Ingo Höhn
den verschiedenen Institutionen,
Kulturpartnern, Privatleuten
oder bei Studenten in der WG.
Kultur Joker: Am 10. Oktober
2020 lädt das Theater Basel
beide Basel zu einem Eröffnungsfest
mit einem „Picknick
am utopischen Tisch“ auf den
Theaterplatz ein. Der führt vom
Foyer ins Freie und dann wieder
zurück zum Theater. Dazu choreographiert
die Ballettcompagnie
einen Tanz-Parcours durch die
Stadt und rund um den großen
Tisch. Abends präsentieren Studierende
der Basler Musikhochschulen
die szenische Installation:
„Im Flow der Apokalypse“.
Was erhoffen Sie sich davon?
Benedikt von Peter: Das ist
immer so eine Mischung. Mir
geht es ums Kennenlernen. So
in mehreren Stufen, wie mit den
Hausbesuchen. Sein Gegenüber
kennenlernen. Das ist ja der
Spaß für mich, rauszukriegen,
was regional läuft. Was in der
Kunstszene, im Theater läuft,
das weiß ich ja schon. Aus so
einer Begegnung irgendwas mitzunehmen,
das man noch nicht
kennt. Das ist das eine, das andere:
auch in Kontakt zu kommen
mit anderen Publikums-
Schichten, Alltag und Theater
zu verbinden. Das versuchst Du
ja auch als Regisseur.
Kultur Joker: Olivier Messians
Oper „Saint François d’Assise“
inszenieren Sie selbst (Premiere
ist am 15. Oktober). Auch hier
gibt es wieder ein besonderes
Raumkonzept, das Sie wegen
Corona nicht mal sonderlich
ändern mussten.
Benedikt von Peter: Wir haben
drei Monate lang nicht gewusst,
ob wir die Rechte bekommen,
eine coronakompatible neue Fassung
zu machen. Jetzt darf der
Chor zu seiner eigenen Aufnahme
singen. Sehr speziell, was da
passieren wird. Außerdem gibt
es eine neue Fassung für das Orchester
die ein Komponist eigens
über den Sommer erarbeitet hat.
Ein großer Aufwand also, nur
damit diese Oper unter Corona-
Vorzeichen aufgeführt werden
kann. Durch den Raumklang der
neuen Fassung wird das Ohr neu
geöffnet für Messiaen.
Das Regie-Konzept ist weitgehend
geblieben wie geplant. Wir
haben für unsere Inszenierung
jeden zweiten Sitz herausgenommen,
um im sehr aufwendigen
Bühnenbild eine postapokalyptische
Stadt darzustellen. So ein
realistisches Bühnenbild hatte
ich noch nie. Man sitzt mitten in
der Welt nach der Katastrophe.
Kultur Joker: Als Opern-Regisseure
kommen: Romeo Castellucci
mit einer Neuinszenierung
seines „Requiems“ nach
Mozart, Simon McBurney mit
einem Gastspiel seiner „Zauberflöte“
und Herbert Fritsch mit
dem „Intermezzo“ von Richard
Strauss.
Hausregisseur Antú Romero
Nunes zeigt gleich 5 Theater-Inszenierungen:
Ovids „Metamorphosen“,
den „Räuber Hotzenplotz“,
Tschechows „Onkel Wanja“,
Melvilles „Moby Dick“und
die „Odyssee“.
Philippe Quesne ist mit der
Space-Oper „Cosmic Drama“
zu erleben, der New Yorker Experimentaltheatermacher
John
Collins knöpft sich James Joyces
„Ulysses“ vor, Dürrenmatts
„Physiker“ werden im Kollektiv
inszeniert.
Frauen fehlen in den Schlüsselpositionen
Ihrer Crew. Warum?
Benedikt von Peter: Es gibt
einfach weniger, es ist total
schwierig, die zu finden. Es gab
zwischendurch Opern-Regisseurinnen
wie Tatjana Gürbaca, Vera
Nemirova und solche Leute. Ich
finde, man muss sich auch immer
noch ästhetisch entscheiden
dürfen. Wir gucken tatsächlich
auch mit dem Filter, aber es gibt
einfach weniger Regisseurinnen.
Kultur Joker: Ihr Drei-Sparten-
Haus tritt mit neuem Ensemble
und einer Viererspitze an. Gemeinsam
mit dem Ensemble
wird eine kooperative, interdisziplinäre
Arbeitsweise entwickelt
- als Abkehr vom Geniekult.
Benedikt von Peter: Vieles, was
wir hier versuchen, ist eine spartenübergreifende
Sprache, die
für Basel funktionieren könnte:
diese Mischung mit free, diese
Art von Kunst, die wir für
Schauspiel und Oper mitbringen,
die Leute, die wir mitbringen.
Durch das Machen wird jetzt
über lang oder kurz etwas Neues
entstehen. Herbert Fritsch, der ist
als Schauspieler und Regisseur
in der Oper zuhause, Christoph
Marthaler wird auch wieder
kommen, der macht das ja auch
schon lange. Hausregisseur Antú
Romero Nunes hat in der Oper
gearbeitet wie im Schauspiel.
Ich habe ja auch so einiges, wo
Schauspieler oder Performer
drin waren. Ich glaube, die Dinge
suchen sich ihren Weg, dann
kommt halt Verschiedenes zusammen,
wenn es Sinn macht.
Das hängt ein bisschen auch von
der Expertise der Leute ab, die
man holt. Ob die in verschiedenen
Sparten Erfahrung gesammelt
haben. Dann wirkt das auch
natürlich. Und darum geht es ja
auch nachher. In einem Drei-
Sparten-Haus ergibt sich das
schneller. Das ist ja das Tolle!
Kultur Joker: Herr von Peter,
wir wünschen Ihnen viel Erfolg
in Basel und bedanken uns für
das Gespräch.