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18 KULTUR JOKER Literatur
Reißender Wolf oder Gemeinschaftswesen
Bestsellerautor Rutger Bregman verortet die menschliche Natur als „Im Grunde gut“
Seit vielen Monaten lässt sich
das knapp 500 Seiten starke
Buch „Im Grunde gut“ des niederländischen
Historikers Rutger
Bregman auf allen einschlägigen
Bestsellerlisten finden.
Darin geht es um nichts weniger
als unsere Vorstellungen vom
Wesen des Menschen: Ist er von
Grund auf gut oder böse, solidarisch
oder asozial, altruistisch
oder nur auf Eigennutz gepolt.
Die jeweiligen Antworten auf
diese Grundsatzfragen bestimmen
seit Jahrtausenden religiöse
Glaubensfundamente oder
den philosophischen Diskurs,
formen Ideologien und daraus
resultierend politische, ökonomische
und soziale Systeme und
begründen damit die jeweils
herrschenden gesellschaftlichen
Machtverhältnisse.
Bregman lässt von Anfang
an keinen Zweifel: „Dies ist ein
Buch über eine radikale Idee“,
schreibt er und einige Seiten
weiter: „Es ist Zeit für ein neues
Menschenbild. Es ist Zeit für
einen neuen Realismus.“ Er
zielt damit frontal auf die eingefahrenen
Lehrsätze, wonach
der Mensch von Natur aus egoistisch
sei, gleich in welcher
Ausprägung formuliert, ob in
der Bibel oder von Augustinus,
Machiavelli, Hobbes, Luther,
Calvin oder den Verfechtern
eines selbstsüchtigen „Homo
oeconomicus“ als menschlichem
Prototyp. Denn das davon geprägte
negative Menschenbild
habe sich fälschlicherweise im
allgemeinen Bewusstsein als
„realistisch“ durchgesetzt, während
Ansätze, die das Gute im
Menschen betonen, als wirklichkeitsfremdes
Wunschdenken
verspottet und gerade in
unseren Tagen zynisch als Gutmenschentum
denunziert werden.
Einen gewichtigen Grund
für diesen falschen Blickwinkel
sieht er in der erdrückenden Dominanz
negativer Nachrichten in
der Darstellung unserer Lebenswirklichkeit,
die dadurch nicht
den Tatsachen entspreche. Diese
Verzerrung wirke als „Nocebo-
Effekt“, der im Gegensatz zu
einem positiven Placebo-Effekt,
in diesem Zusammenhang eine
negative Weltsicht hervorbringe.
„“Was wir glauben, bestimmt,
was wir werden. Was wir suchen,
bestimmt, was wir finden.
Was wir vorhersagen, bestimmt,
was tatsächlich eintritt.“
Diese Thesen müssen freilich
verifiziert werden. Und tatsächlich:
Bregman liefert eine breite
Palette von Beispielen aus Literatur,
Psychologie, Ökonomie,
Biologie und Historie. Da wird
zum Beispiel der tragischen,
rein fiktionalen Geschichte vom
„Herr der Fliegen“ von William
Golding die wahre Begebenheit
von sechs Jugendlichen, die es
unter abenteuerlichen Umständen
auf die unbewohnte Insel
Ata südlich von Tonga verschlagen
hat, gegenübergestellt. Im
Gegensatz zur Romanhandlung
des literarischen Welterfolgs
nutzten die realen Menschen
ihre jeweiligen Stärken nicht
zu ihrem persönlichen Vorteil
und Nachteil des Schwächeren,
sondern organisierten solidarisch
und diszipliniert ihr gemeinsames
Überleben bis zu
ihrer Rettung nach 12 Monaten.
Oder: Die weltweit Aufsehen erregenden
psychologischen Experimente
von Philip Zimbardo im
Stanford-Prison und von Stanley
Milgram an der Yale Universität,
bei denen Probanden für falsche
Antworten von anderen als Bestrafung
immer stärkere Stromstöße
zugefügt werden sollten,
wurden als weitgehend manipuliert
oder gar gefälscht entlarvt.
Weitere Beispiele zeigen unisono:
Menschen sind durchaus verführbar,
handeln aber vor allem
nur dann grausam oder asozial
gegenüber ihren Nächsten, wenn
ihnen zuvor von Autoritätsinstanzen
suggeriert wurde, dies
diene einem höheren und somit
guten Zweck. Dieses Phänomen
kann allerdings zu den schrecklichsten
Taten Einzelner führen
wie bei Adolf Eichmann, der im
Bewusstsein, auf der richtigen
Seite der Geschichte zu stehen,
die Vernichtungstransporte in
die Konzentrationslager des Hitlerregimes
organisierte.
Rutger Bregmans Buch erhebt
trotz eines vorbildlichen und
ausführlichen Quellenregisters
nicht den Anspruch wissenschaftlicher
Akribie. Ihm geht es
um einen Anstoß für einen Bewusstseinswandel
hin zu einem
positiven Menschenbild. Er resümiert
zu Recht: „Letztlich gibt
es nur wenige Vorstellungen,
die die Welt so sehr beeinflussen
wie unser Menschenbild. Was
wir voneinander annehmen, ist
das, was wir hervorrufen. Wenn
wir über die größten Herausforderungen
unserer Zeit sprechen
– von der globalen Erderwärmung
bis zum schwindenden
gegenseitigen Vertrauen – glaube
ich, dass deren erfolgreiche
Bewältigung mit der Entwicklung
eines anderen Menschenbildes
beginnt.“ In einem Epilog
schlägt er dafür zehn durchaus
des Überdenkens werte Lebensregeln
vor. Vielleicht ist sein
Buch nicht ganz „Eine neue Geschichte
der Menschheit“, wie es
der Subtitle des Rowohlt-Verlags
etwas großspurig ankündigt,
aber auf jeden Fall lesenswert
und Ansporn für alle, die einen
aktiven Part zur solidarischen
Gestaltung unseres Zusammenlebens
beitragen wollen.
Rutger Bregman: „Im Grunde
gut“, Rowohlt Verlag 2019,
Hardcover 24 Euro im Buchhandel
Erich Krieger
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Szenische Lesungen, Theater, Comedy
Literaturtage Oberkirch vom 8. bis 22. Oktober
Die Stadt Oberkirch präsentiert
vom 8. bis 22. Oktober die
Veranstaltungsreihe „Literaturtage
Oberkirch“. Selbstverständlich
finden alle Veranstaltungen
unter Einhaltung der geltenden
Abstands- und Hygieneregeln
statt. Den Auftakt der diesjährigen
Literaturtage machen
Carsten Dittrich und Thomas
H. Schiffmacher mit ihrer szenischen
Lesung „Sherlock
Holmes und die Puppe am Galgen“
am 8. Oktober, 20 Uhr in
der Erwin-Braun-Halle.
Traditionell wird im Rahmen
der Literaturtage auch die
neue Abo-Saison eröffnet. Die
„Komödie am Altstadtmarkt“
präsentiert das Schauspiel „Ich
hasse dich – Heirate mich!“ mit
beschwingter Musik und vielen
Tipps wie man einer Pandemie
mit viel Humor begegnen kann
(10. Oktober, 20 Uhr, 11. Oktober,
19 Uhr Erwin-Braun-Halle).
Mit der Lesung „Kalter Nebel:
Widerstand am Kaiserstuhl“
von Julia Heinecke ergänzt die
Buchhandlung Bücherinsel am
12. Oktober, 20 Uhr das Programm
der Literaturtage in der
Mediathek. Die Lesung wird
musikalisch von dem Liedermacher
„Buki“, der damals Lieder
für die Widerstandsbewegung
komponiert hat, umrahmt.
Das AutorenNetzwerk Ortenau
(Leitung: Dr. Karin Jäckel)
organisiert am 16. Oktober wieder
den „Tag regionaler Autoren“
mit einem ganztägigen Programm
in der Mediathek. Acht
Autoren bzw. Musiker bieten einen
Vormittag für Kinder sowie
einen „Badisch-Elsässischen
Abend“.
Einen Angriff auf die
Lachmuskeln verspricht das
Comedy-Duo „Oropax“ mit seinem
Programm „Testsieger am
Scheitel.“ am 17. Oktober, 20
Uhr in der Erwin-Braun-Halle.
Mit „Lebenslänglich frohlocken“
gewährt Silke Aichhorn
am 20. Oktober, 19 Uhr in der
Erwin-Braun-Halle Einblicke
in das Leben einer freiberuflichen
Harfensolisitin. In ihrem
Programm erzählt sie u. a. von
missglückten Beerdigungen und
absurden Harfentransporten zu
entlegenen Kirchen und Burgen.
Herrlich komisch vorgelesen
und umrahmt von Harfenspiel.
Auch für Kinder wird einiges
geboten. Am 10. Oktober zeigt
z. B. das marotte Figurentheater
„Räuber Hotzenplotz und
die Mondrakete“ um 16 Uhr im
Forum am Hans-Furler-Gymnasium.
Tickets und Programminfos:
www.oberkirch-kultur.de