22.12.2012 Aufrufe

Das Kriegstagebuch von Albert Plassmann - wattenscheid.net

Das Kriegstagebuch von Albert Plassmann - wattenscheid.net

Das Kriegstagebuch von Albert Plassmann - wattenscheid.net

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

tenfelder Flak. Es gab dort Tote und Verwundete.<br />

Da auch das Stromkabel getroffen wurde,<br />

konnte nur ein Geschütz weiterschießen. Langsam<br />

wird’s draußen ruhiger. Über Bochum liegt<br />

eine dicke Qualmschicht. Ein Großbrand ist im<br />

Zentrum der Stadt ausgebrochen. Nach Süden<br />

hin reihen sich Brände an Brände. Ich denke<br />

an Doris in Bochum-Querenburg. Dort vermute<br />

ich auch Brandherde. Die Leute stehen auf der<br />

Straße, sind froh, wieder einer Gefahr entronnen<br />

zu sein und mutmaßen, welche Teile Bochums<br />

brennen. – Es fängt schon an zu tagen. <strong>Das</strong><br />

Entwarnungszeichen wird gegeben; auf der Verbandsstraße<br />

fahren bereits Feuerwehrwagen in<br />

Richtung Bochum. Im Laufe des Tages gewinnt<br />

man ein Bild <strong>von</strong> den Schadensstellen. Schwer<br />

getroffen wurden die Häuser an der Alleestraße,<br />

das Stadtviertel Stahlhausen , die Kortumstraße,<br />

Stiepel, Hattingen, das Augusta-Krankenhaus<br />

ist ausgebrannt, einige Kirchen zerstört usw.<br />

Der Bochumer Verein wurde weniger in Mitleidenschaft<br />

gezogen. Die Verwaltungsgebäude an<br />

der Straße brannten aus. Getroffen wurde auch<br />

ein Russenlager. Mehrere Hundert Tote gab es<br />

dort. Dem Angriff auf Bochum sollen 800 Tote<br />

zum Opfer gefallen sein. Die Rettungsarbeiten<br />

wurden behindert durch das Fehlen <strong>von</strong> Wasser<br />

infolge Zerstörung der Wasserleitung.<br />

15.5.1943 Als ich vom Dienst nach Hause<br />

komme, erlebe ich eine unangenehme Überraschung.<br />

<strong>Das</strong> hat uns noch gerade gefehlt. Auf<br />

der Bahn nebenan herrscht Hochbetrieb. Flaksoldaten<br />

laufen hin und her, bald heben vier<br />

Flakgeschütze (10,5) ihre offenen Mäuler gen<br />

Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />

108<br />

Himmel, Eisenbahnflak – 100 m vom Hause.<br />

<strong>Das</strong> wird ein Ohrenschmaus für uns sein. Wie<br />

wir hören, sollen sie 4 - 5 Wochen hier bleiben.<br />

Da diese Batterie für unser Haus eine erhöhte<br />

Gefahr bringt, ist uns ihre Nachbarschaft nicht<br />

willkommen. Wir wünschen sie irgendwo anders<br />

hin. – Die erhöhte Gefahr hat uns auf den<br />

Gedanken gebracht, als Luftschutzkeller den<br />

Keller an der Hofseite auszubauen. Vielleicht<br />

sind hier die Abschüsse nicht so stark zu hören.<br />

Die Fenster an der Straßenseite müssen jetzt immer<br />

geöff<strong>net</strong> werden.<br />

16.5.1943 Muttertag! Auch dieser Tag wurde<br />

eingeleitet durch einen nächtlichen Alarm<br />

ohne besondere Vorkommnisse. Zum Kaffee<br />

gab es nachmittags einen Alarm mit Geschieße.<br />

Fünf Aufklärer überflogen in großer Höhe unser<br />

Gebiet. <strong>Das</strong> Wetter ist klar, es können wunderbare<br />

Luftaufnahmen gemacht werden.<br />

17.5.1943 Eine schlaflose Nacht! 1. Alarm<br />

<strong>von</strong> 23:30 - 01:30 Uhr. Zwei Flugzeuge erscheinen<br />

über Essen, Mülheim, kehren aber gleich<br />

wieder um. Nachdem wir uns eben ins Bett gelegt<br />

haben, erfolgt wieder Alarm gegen 02:00 bis<br />

03:30 Uhr. Ein Flieger lässt sich nicht blicken. Es<br />

war uns aber rätselhaft, dass der Alarm so lange<br />

dauerte. Im Laufe des Tages erfahren wir das<br />

Fürchterliche, das sich in der Nacht zutrug. Starke<br />

Fliegerverbände hatten zwei Talsperren im<br />

Sauerland angegriffen und dabei die Sperrmauern<br />

zerstört. Ungeheure Wassermassen ergossen<br />

sich in die Täler, alles mit sich wegreißend. Es<br />

entstanden nach dem Heeresbericht große Verluste<br />

an Menschenleben und Vieh. Wir hören<br />

auch heute Abend, dass die Ruhr in Steele über<br />

die Ufer getreten sei. Die Leute räumen bereits<br />

die Häuser. In den Wassermassen schwimmen<br />

Leichen und Tierkadaver. Es gibt bei uns kein<br />

Wasser mehr. Es sei bekannt gemacht worden,<br />

jeder solle sich für drei Tage mit Wasser eindecken.<br />

Na, das kann aber eine Katastrophe geben<br />

in den Städten, wenn in diesen Nächten Angriffe<br />

erfolgen werden! - Heute morgen 2-mal Luftwarnung!<br />

18.5.1943 Heute Nachmittag wurde Hauptlehrer<br />

a. D. Wilhelm Söding (79 ½ J.) auf dem<br />

Propstei-Friedhof beerdigt. Er war 45 Jahre an<br />

der Schule in Sevinghausen tätig gewesen. - In<br />

den letzten Tagen erwarteten wir wieder einen<br />

Großangriff. In einigen Nächten hatten<br />

wir wohl je 2-mal Alarm, es ließ sich aber kein<br />

Flieger blicken. Seit gestern haben wir schlechte<br />

Witterung. – Josef schreibt, dass er sich wieder<br />

bei der Truppe befinde und voraussichtlich<br />

Anfang Juni in Urlaub könne. – Tagesgespräch<br />

sind immer noch die Fliegerangriffe auf die Talsperren.<br />

Doris erzählt, an der Ruhr in Herdecke<br />

wären 27 Leichen angeschwemmt worden.<br />

Schreckliche Einzelheiten des Unglücks werden<br />

bekannt. Die Zahl der Toten weiß man nicht.<br />

Vom Gauleiter werden in Siegen an Toten angegeben:<br />

annähernd 600 Reichsdeutsche und über<br />

1000 ausländische Arbeiter. In der Zeitung stehen<br />

die ersten Todesanzeigen <strong>von</strong> Fröndenberg,<br />

Hüsten usw. An die Häuser hat man Plakate geklebt:<br />

Wasser ist nur gekocht zu gebrauchen! Bei<br />

den getroffenen Talsperren handelt es sich um<br />

die Möhne- und Edertalsperre. Mittels Torpedos<br />

Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />

109<br />

sollen die Sperrmauern gesprengt worden sein.<br />

Ein Flugzeug soll sogar auf dem Möhnesee gelandet<br />

sein.<br />

23.5.1943 Ich besehe mir das bombardierte<br />

Bochum. Der Hauptbahnhof ist wieder intakt.<br />

Er hatte zwei Volltreffer bekommen. <strong>Das</strong><br />

Bahnhofsgebäude ist ausgebrannt. Der Verkehr<br />

erfolgt durch den Südeingang. Die Häuser um<br />

den Bahnhof sind teils zerstört, teils beschädigt.<br />

Es ist wieder das Bild, wie ich es in Essen gesehen<br />

habe. Die Straßen besät mit Glasscherben,<br />

an den Rändern Schutthaufen. Vor einigen<br />

Häusern Wagen. Die Leute verladen ihre geretteten<br />

Möbelstücke. Ich wandere zunächst durch<br />

Ehrenfeld. <strong>Das</strong> Theater ist an der Seitenfront<br />

etwas beschädigt. Ein älteres Ehepaar klettert<br />

in den Haustrümmern umher und sucht noch<br />

einige Gegenstände zu bergen. Aus den Kellern<br />

dringt noch Qualm. Auf einer niedrigen Mauer<br />

des Vorgärtchens hat einer Bücher aufgestapelt,<br />

verdreckt und zerrissen. Daneben eine Klavierlampe,<br />

Bilder, ein schmutziges Sofakissen. An<br />

einigen Häusern sieht man braune Spritzer, die<br />

<strong>von</strong> den Phosphorbrandbomben herrühren.<br />

Sie waren auf der Straße oder dem Bürgersteig<br />

explodiert. Groß waren die Verwüstungen in<br />

dem Häuserblock an der Marienkirche bis zum<br />

Bochumer Verein. Die Häuser sind zumeist ausgebrannt.<br />

Anklagend ragen nur noch die Hausmauern<br />

und die nackten Kamine zum Himmel<br />

und bilden wegen der Einsturzmöglichkeit eine<br />

stetige Gefahr. Hier und da sind Feuerwehrleitern<br />

ausgefahren, um Hauswände niederzulegen.<br />

Im Rinnstein liegt die leere Kartusche einer

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!