Das Kriegstagebuch von Albert Plassmann - wattenscheid.net
Das Kriegstagebuch von Albert Plassmann - wattenscheid.net
Das Kriegstagebuch von Albert Plassmann - wattenscheid.net
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
tenfelder Flak. Es gab dort Tote und Verwundete.<br />
Da auch das Stromkabel getroffen wurde,<br />
konnte nur ein Geschütz weiterschießen. Langsam<br />
wird’s draußen ruhiger. Über Bochum liegt<br />
eine dicke Qualmschicht. Ein Großbrand ist im<br />
Zentrum der Stadt ausgebrochen. Nach Süden<br />
hin reihen sich Brände an Brände. Ich denke<br />
an Doris in Bochum-Querenburg. Dort vermute<br />
ich auch Brandherde. Die Leute stehen auf der<br />
Straße, sind froh, wieder einer Gefahr entronnen<br />
zu sein und mutmaßen, welche Teile Bochums<br />
brennen. – Es fängt schon an zu tagen. <strong>Das</strong><br />
Entwarnungszeichen wird gegeben; auf der Verbandsstraße<br />
fahren bereits Feuerwehrwagen in<br />
Richtung Bochum. Im Laufe des Tages gewinnt<br />
man ein Bild <strong>von</strong> den Schadensstellen. Schwer<br />
getroffen wurden die Häuser an der Alleestraße,<br />
das Stadtviertel Stahlhausen , die Kortumstraße,<br />
Stiepel, Hattingen, das Augusta-Krankenhaus<br />
ist ausgebrannt, einige Kirchen zerstört usw.<br />
Der Bochumer Verein wurde weniger in Mitleidenschaft<br />
gezogen. Die Verwaltungsgebäude an<br />
der Straße brannten aus. Getroffen wurde auch<br />
ein Russenlager. Mehrere Hundert Tote gab es<br />
dort. Dem Angriff auf Bochum sollen 800 Tote<br />
zum Opfer gefallen sein. Die Rettungsarbeiten<br />
wurden behindert durch das Fehlen <strong>von</strong> Wasser<br />
infolge Zerstörung der Wasserleitung.<br />
15.5.1943 Als ich vom Dienst nach Hause<br />
komme, erlebe ich eine unangenehme Überraschung.<br />
<strong>Das</strong> hat uns noch gerade gefehlt. Auf<br />
der Bahn nebenan herrscht Hochbetrieb. Flaksoldaten<br />
laufen hin und her, bald heben vier<br />
Flakgeschütze (10,5) ihre offenen Mäuler gen<br />
Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />
108<br />
Himmel, Eisenbahnflak – 100 m vom Hause.<br />
<strong>Das</strong> wird ein Ohrenschmaus für uns sein. Wie<br />
wir hören, sollen sie 4 - 5 Wochen hier bleiben.<br />
Da diese Batterie für unser Haus eine erhöhte<br />
Gefahr bringt, ist uns ihre Nachbarschaft nicht<br />
willkommen. Wir wünschen sie irgendwo anders<br />
hin. – Die erhöhte Gefahr hat uns auf den<br />
Gedanken gebracht, als Luftschutzkeller den<br />
Keller an der Hofseite auszubauen. Vielleicht<br />
sind hier die Abschüsse nicht so stark zu hören.<br />
Die Fenster an der Straßenseite müssen jetzt immer<br />
geöff<strong>net</strong> werden.<br />
16.5.1943 Muttertag! Auch dieser Tag wurde<br />
eingeleitet durch einen nächtlichen Alarm<br />
ohne besondere Vorkommnisse. Zum Kaffee<br />
gab es nachmittags einen Alarm mit Geschieße.<br />
Fünf Aufklärer überflogen in großer Höhe unser<br />
Gebiet. <strong>Das</strong> Wetter ist klar, es können wunderbare<br />
Luftaufnahmen gemacht werden.<br />
17.5.1943 Eine schlaflose Nacht! 1. Alarm<br />
<strong>von</strong> 23:30 - 01:30 Uhr. Zwei Flugzeuge erscheinen<br />
über Essen, Mülheim, kehren aber gleich<br />
wieder um. Nachdem wir uns eben ins Bett gelegt<br />
haben, erfolgt wieder Alarm gegen 02:00 bis<br />
03:30 Uhr. Ein Flieger lässt sich nicht blicken. Es<br />
war uns aber rätselhaft, dass der Alarm so lange<br />
dauerte. Im Laufe des Tages erfahren wir das<br />
Fürchterliche, das sich in der Nacht zutrug. Starke<br />
Fliegerverbände hatten zwei Talsperren im<br />
Sauerland angegriffen und dabei die Sperrmauern<br />
zerstört. Ungeheure Wassermassen ergossen<br />
sich in die Täler, alles mit sich wegreißend. Es<br />
entstanden nach dem Heeresbericht große Verluste<br />
an Menschenleben und Vieh. Wir hören<br />
auch heute Abend, dass die Ruhr in Steele über<br />
die Ufer getreten sei. Die Leute räumen bereits<br />
die Häuser. In den Wassermassen schwimmen<br />
Leichen und Tierkadaver. Es gibt bei uns kein<br />
Wasser mehr. Es sei bekannt gemacht worden,<br />
jeder solle sich für drei Tage mit Wasser eindecken.<br />
Na, das kann aber eine Katastrophe geben<br />
in den Städten, wenn in diesen Nächten Angriffe<br />
erfolgen werden! - Heute morgen 2-mal Luftwarnung!<br />
18.5.1943 Heute Nachmittag wurde Hauptlehrer<br />
a. D. Wilhelm Söding (79 ½ J.) auf dem<br />
Propstei-Friedhof beerdigt. Er war 45 Jahre an<br />
der Schule in Sevinghausen tätig gewesen. - In<br />
den letzten Tagen erwarteten wir wieder einen<br />
Großangriff. In einigen Nächten hatten<br />
wir wohl je 2-mal Alarm, es ließ sich aber kein<br />
Flieger blicken. Seit gestern haben wir schlechte<br />
Witterung. – Josef schreibt, dass er sich wieder<br />
bei der Truppe befinde und voraussichtlich<br />
Anfang Juni in Urlaub könne. – Tagesgespräch<br />
sind immer noch die Fliegerangriffe auf die Talsperren.<br />
Doris erzählt, an der Ruhr in Herdecke<br />
wären 27 Leichen angeschwemmt worden.<br />
Schreckliche Einzelheiten des Unglücks werden<br />
bekannt. Die Zahl der Toten weiß man nicht.<br />
Vom Gauleiter werden in Siegen an Toten angegeben:<br />
annähernd 600 Reichsdeutsche und über<br />
1000 ausländische Arbeiter. In der Zeitung stehen<br />
die ersten Todesanzeigen <strong>von</strong> Fröndenberg,<br />
Hüsten usw. An die Häuser hat man Plakate geklebt:<br />
Wasser ist nur gekocht zu gebrauchen! Bei<br />
den getroffenen Talsperren handelt es sich um<br />
die Möhne- und Edertalsperre. Mittels Torpedos<br />
Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />
109<br />
sollen die Sperrmauern gesprengt worden sein.<br />
Ein Flugzeug soll sogar auf dem Möhnesee gelandet<br />
sein.<br />
23.5.1943 Ich besehe mir das bombardierte<br />
Bochum. Der Hauptbahnhof ist wieder intakt.<br />
Er hatte zwei Volltreffer bekommen. <strong>Das</strong><br />
Bahnhofsgebäude ist ausgebrannt. Der Verkehr<br />
erfolgt durch den Südeingang. Die Häuser um<br />
den Bahnhof sind teils zerstört, teils beschädigt.<br />
Es ist wieder das Bild, wie ich es in Essen gesehen<br />
habe. Die Straßen besät mit Glasscherben,<br />
an den Rändern Schutthaufen. Vor einigen<br />
Häusern Wagen. Die Leute verladen ihre geretteten<br />
Möbelstücke. Ich wandere zunächst durch<br />
Ehrenfeld. <strong>Das</strong> Theater ist an der Seitenfront<br />
etwas beschädigt. Ein älteres Ehepaar klettert<br />
in den Haustrümmern umher und sucht noch<br />
einige Gegenstände zu bergen. Aus den Kellern<br />
dringt noch Qualm. Auf einer niedrigen Mauer<br />
des Vorgärtchens hat einer Bücher aufgestapelt,<br />
verdreckt und zerrissen. Daneben eine Klavierlampe,<br />
Bilder, ein schmutziges Sofakissen. An<br />
einigen Häusern sieht man braune Spritzer, die<br />
<strong>von</strong> den Phosphorbrandbomben herrühren.<br />
Sie waren auf der Straße oder dem Bürgersteig<br />
explodiert. Groß waren die Verwüstungen in<br />
dem Häuserblock an der Marienkirche bis zum<br />
Bochumer Verein. Die Häuser sind zumeist ausgebrannt.<br />
Anklagend ragen nur noch die Hausmauern<br />
und die nackten Kamine zum Himmel<br />
und bilden wegen der Einsturzmöglichkeit eine<br />
stetige Gefahr. Hier und da sind Feuerwehrleitern<br />
ausgefahren, um Hauswände niederzulegen.<br />
Im Rinnstein liegt die leere Kartusche einer