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Das Kriegstagebuch von Albert Plassmann - wattenscheid.net

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en: auf dem Bahnkörper neben unserem Hause,<br />

auf die Feldstraße bis Nr. 5a und eine Strecke<br />

weiter nach Westen, auf die Burgstraße bis Haus<br />

Nr. 60. Hier lag ein Einschlag auf dem Hof, 3 m<br />

vor dem Haus, - sie wurde <strong>von</strong> einer Frau gelöscht.<br />

Im allgemeinen war festzustellen und jeder<br />

betrachtete es als ein Wunder, dass bei dieser<br />

Unzahl <strong>von</strong> Brandbomben, die vor den Häusern<br />

niederprasselten, kein Haus mit Ausnahme der<br />

Baracke getroffen wurde. Vor den Häusern standen<br />

debattierende Frauen, freudigen Gesichts<br />

nach überstandener, für sie glücklich verlaufender<br />

Gefahr. Am Tage vorher war ich noch<br />

in diesen Häusern gewesen zu Luftschutzunterrichtungen.<br />

Mir gegenüber brachten sie zum<br />

Ausdruck, dass sie sich doch noch Löschsand<br />

holen wollten, weil ich es ihnen geraten hatte.<br />

– Die Sprengbomben schweren Kalibers hatten<br />

an der Hermanstraße, hinter der Verbandsstraße<br />

ein breites Loch gerissen. Die Dächer der Umgebung,<br />

besonders an der Hohensteinstraße, waren<br />

beschädigt, überall bis Westenfeld und Höntrop<br />

Fenster und Schaufensterscheiben zerstört.<br />

Am Ende unseres Gartens lag ein Blingänger<br />

der Flak, ebenfalls in Bomers Wiese. – Auf der<br />

Straße <strong>von</strong> der Unterführung bis Krauzmanns<br />

Haus lag ein Kanister als Blindgänger (enthalten<br />

20 l Phosphor, Benzin und Rohkautschuk).<br />

Die Straße war für den Verkehr gesperrt. Der Kanister<br />

wurde vom SHD in den Morgenstunden<br />

in Brand gesetzt und beseitigt. Mit Gottes Hilfe<br />

ist auch die Gefahr glimpflich verlaufen, die<br />

Spuren werden beseitigt, das Leben geht weiter .<br />

Was bringt uns noch die Zukunft?<br />

Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />

104<br />

10.4.1943 Herbert wird heute 12 Jahre alt. Im<br />

Jungvolk ist er zum Jungenschaftsführer befördert<br />

worden. Damit ist ihm der Feldmarschallstab<br />

in den Tornister gelegt worden.. - Gestern<br />

Abend 2-mal Alarm. Die Flieger kamen bis Essen<br />

und Gelsenkirchen und warfen dort einige<br />

Brandbomben. Hauptangriffsziel war aber Duisburg.<br />

Wie ich höre, wurde dort ein Geschäft<br />

zum sechsten Mal zerstört. Heute Nachmittag<br />

bereits 2-mal Voralarm. Der Ausdruck Voralarm<br />

ist irreführend. Es heiß richtig: Öffentliche Luftschutzwarnung.<br />

Die Sirenen 3-mal einen gleichbleibenden<br />

Ton. Diese Warnung wird gegeben,<br />

wenn nur einzelne (bis 3) Flugzeuge einfliegen.<br />

<strong>Das</strong> Geschäftsleben, die Arbeit und der Verkehr<br />

gehen weiter, jeder soll sich luftschutzmäßig<br />

verhalten.<br />

11.4.1943 Heute morgen 3 Uhr Alarm. Es<br />

erscheinen aber keine Flieger. – Vom Friedhofsgärtner<br />

Reinbach erfahren wir noch, dass sich<br />

in dem abgeschossenen Britenbomber damals<br />

10 - 11 Flieger befanden. Sie fanden alle den<br />

Tod. Von einigen befanden sich Körperteile,<br />

die anderen waren zu Asche verbrannt. In zwei<br />

Särgen wurden die Reste beigesetzt. – Auf dem<br />

Felde vor unserem Hause (siehe Karte) fand man<br />

heute zwei Einschläge <strong>von</strong> Phosphorbrandbomben<br />

(14 kg). Sie haben sich tief in den Boden<br />

gewühlt und an der Oberfläche kleine Trichter<br />

gebildet. Die LS-Polizei hat die Stellen durch<br />

Stäbe kenntlich gemacht. Die Kinder sollen <strong>von</strong><br />

diesen Stellen möglichst ferngehalten werden,<br />

da das Berühren des Phosphors Verbrennungen<br />

zur Folge hat. - Die Einwohner befürchten bei<br />

den Bombenüberfällen nicht nur den Verlust<br />

ihres Lebens. Sie legen auch besonders in der<br />

jetzigen Zeit großen Wert auf Rettung <strong>von</strong> Wäsche,<br />

Kleidung und Schuhwerk, (nicht Geld!)<br />

weil es nicht leicht zu ersetzen ist. Deshalb<br />

wandern bei jedem Alarm diese Sachen in den<br />

Koffern oder auf dem Arm in den Keller. Unseren<br />

Wäscheschrank haben wir schon unten im<br />

Wohnzimmer stehen. Heute haben wir einen<br />

Kleiderschrank mit Inhalt in Omas Schlafzimmer<br />

aufgestellt, nächstens wird noch das Bett<br />

folgen. Es beginnt die Flucht aus den oberen<br />

Stockwerken.<br />

17.4.1943 Gestern teilte uns Josef endlich<br />

seine neue Feldpostnummer mit. Seine Briefsendungen<br />

aus dem Feldlazarett trugen immer<br />

noch die alte Feldpost-Nr. Alle Briefe der letzten<br />

Zeit erreichten ihn deshalb nicht und wurden<br />

uns wieder zugesandt. Josefs Krankheit bessert<br />

sich, er hofft bald in Urlaub zu kommen. - Vorgestern<br />

entdeckten wir noch ein Einschlagloch<br />

einer Phosphorbrandbombe, und zwar in<br />

unmittelbarer Nähe. Die Einschlagstelle liegt<br />

auf der Ecke des gegenüberliegenden Feldes (s.<br />

Plan). - Der Frühling hat seine ganze Pracht entfaltet.<br />

Man könnte in diesen schönen Tagen inmitten<br />

des frischen Grüns den Krieg vergessen.<br />

Die Natur ist barmherzig. Wo sind die Wunden<br />

des Hauses? Alles wird verdeckt und unsichtbar<br />

gemacht durch die Blütenpracht der Bäume,<br />

Sträucher und Blumenpflanzen. Auch unsere<br />

Drosseln wenden sich nicht ab <strong>von</strong> den Zerstörungsstätten<br />

britischer Bomber. Die Menschen<br />

können aber heuer nicht froh werden. - In der<br />

Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />

105<br />

vergangenen Nacht muss wohl Süddeutschland<br />

schwer angegriffen worden sein. Der Heeresbericht<br />

meldet den Abschuss <strong>von</strong> 53 meist viermotorigen<br />

Bombern. Wir wurden heute morgen<br />

gegen 3 ½ Uhr aus dem Bett alarmiert. Ein<br />

zurückkehrendes Flugzeug flog über unser Gebiet<br />

und wurde heftig beschossen. So bilden wir<br />

uns zu Halbschläfern aus, wir sind es vielmehr<br />

schon. - Gestern Abend machte Franz Hötte seinen<br />

Abschiedsbesuch. Er fährt Sonntag in die<br />

KLV. und kommt nach Reit am Stein ins Voralpengebiet.<br />

Mit ihm fahren auch <strong>von</strong> unserem<br />

Schulsystem Rumpf und Bald.<br />

24.4.1943 Ostern 1943! Es ist das 4. Osterfest<br />

der Kriegszeit. In Sevinghausen findet umständehalber<br />

heute schon die Erstkommunionfeier<br />

statt. Wir feiern Ostern der Zeit entsprechend<br />

ernst und besinnlich. Während man früher auf<br />

das Äußerliche der Feste und Feiern großen Wert<br />

legte, findet man heute in der Notzeit immer<br />

mehr den Sinn dieser Feiern. Man macht diese<br />

Beobachtung bei allen Zeitgenossen. Man denkt<br />

mehr nach. Alle furchtbaren Zeitereignisse bringen<br />

die Menschen zum Nachdenken über Sinn<br />

und Zweck aller Dinge. <strong>Das</strong> Osterfest gibt uns<br />

den Osterglauben. So wie Christus durch seine<br />

Auferstehung das Leben als Sieger über den Tod<br />

stellte, so glauben auch wir an zukünftige bessere<br />

Zeiten nach diesem Karfreitagsgang unseres<br />

Volkes. Ostern ist das Fest des Lebens. Dieser<br />

Satz scheint unwahrscheinlich und falsch zu<br />

sein in der jetzigen Zeit. Der Tod herrscht, zahlreiche<br />

Opfer fordert der Kampf, auch am Tag des<br />

Lebens. Diese Blutopfer sind der Samen eines

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