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Das Kriegstagebuch von Albert Plassmann - wattenscheid.net

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Sitzung gab der Geschäftsführer der Ortsgruppe<br />

Paßmann einige Einzelheiten vom Luftangriff<br />

auf Essen bekannt. Danach sind 70 000 Familien<br />

obdachlos geworden, wo<strong>von</strong> 10 000 evakuiert<br />

wurden. 82 Flugzeuge waren beteiligt und<br />

warfen 400 Sprengbomben, da<strong>von</strong> 200 Luftminen<br />

(1800 kg) und 140 000 Stabbrandbomben,<br />

außerdem eine große Menge Phosphor – Brandbomben<br />

(14 kg und 113 kg). Von den zerstörten<br />

Häusern waren 20% durch Sprengbomben und<br />

80% durch Brand vernichtet worden. Allgemein<br />

ist man der Ansicht, dass die Essener sich zu<br />

passiv verhalten hätten. Es hätte manches Haus<br />

durch aktives Eingreifen gerettet werden können.<br />

Man wusste auch aus zuverlässigen Quellen,<br />

dass die feindliche Luftwaffe die Absicht<br />

habe, auch andere Großstädte in gleicher Weise<br />

wie Essen zu zerstören. – Wir Zuhörer waren<br />

der Ansicht, dass die angegebenen Zahlen nicht<br />

den wirklichen Tatsachen entsprächen. Todesopfer<br />

in Essen angeblich 402 – in Hamm 92 (Die<br />

„Rote Erde“ gab 147 an).<br />

25.3.1943 Doris hat einen wichtigen Lebensabschnitt<br />

hinter sich. Sie beendete heute<br />

ihre Studien an der höheren Handelsschule in<br />

Bochum mit einem guten Zeugnis. Sie tritt nun<br />

aktiv ins Leben. Wohin werden ihre Wege sie<br />

führen? – <strong>Das</strong> gute Haus bangt wieder um einen<br />

Hausgenossen, der sich auch bald anschickt, das<br />

schützende Dach zu verlassen.<br />

27.3.1943 Gestern Abend stellte sich nach<br />

einigen Ruhetagen der Tommy wieder ein, aber<br />

mit schwächeren Kräften. – Doris und Herbert<br />

fuhren heute Nachmittag nach Bochum-Que-<br />

Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />

102<br />

renburg. Sie suchten dort den Bauernhof auf,<br />

wo Doris ihr Pflichthalbjahr ableisten muss.<br />

Beide wurden dort freundlich empfangen. Großen<br />

Eindruck machte auf beide die großen Brotschnitten<br />

mit leckerer Butter und rarem Schinken.<br />

Herbert verzichtete nach Rückkehr auf sein<br />

Abendessen.<br />

7.4.1943 Gestern Abend wieder ein Großangriff<br />

auf Essen. Mitgenommen wurden das<br />

Kruppsche Werk, Frillendorf, Essen-West. Ein<br />

Großteil der Bomben fiel in die Häuserruinen<br />

Essens. Der Himmel ist wieder gerötet. Feuerwehrautos<br />

fahren in Richtung Essen über die<br />

Verbandsstraße. Die Flieger flogen in nicht allzu<br />

großer Höhe, alle Augenblicke sah man einige<br />

im Scheinwerferlicht.<br />

8.4.1943 Endlich werden wir etwas <strong>von</strong> Josef<br />

gewahr. Wir wissen nun aus Mitteilungen , dass<br />

er Erfrierungen 2. Grades an Händen und Füßen<br />

hat. Wir stellen Mutmaßungen an über die<br />

Schwere seiner Krankheit und wünschen mehr<br />

zu erfahren. - Gestern machte ich eine Tour<br />

durch die Burgstraße und gab Hausunterweisungen.<br />

Die Häuser wurden auf ihre Luftschutzbereitschaft<br />

geprüft und die Hausbewohner<br />

über Luftschutzmaßnahmen und Verhalten bei<br />

Fliegerangriffen aufgeklärt. Diese Hausbesuche<br />

geben mir nicht nur einen Einblick in die Luftschutzeinrichtungen<br />

der Häuser, sondern man<br />

lernt auch die Menschen kennen, wie sie sich<br />

„lieben“ und wie sie denken.<br />

9.4.1943 Mutter bringt Doris zum Bauern<br />

Wilhelm Haarmann in Bochum Querenburg,<br />

nahe Witten ins Pflichtjahr. Sie scheint dort<br />

eine gute Stelle getroffen zu haben. <strong>Das</strong> Haus<br />

wird leer. <strong>Das</strong> gute Dach hat wieder einen Hausbewohner<br />

in die Welt geschickt. - Eine Nacht<br />

mit Stunden des Schreckens ist wieder vorüber.<br />

Der Tod mit Brand und Vernichtung schritt<br />

sichtbar nahe am Hause vorbei. Ich denke an<br />

die apokalyptischen Reiter und bekannte Gemälde.<br />

Sie bewegen sich heute durch die Lüfte<br />

mit unheimlichem Brausen. Sie säen den Tod<br />

über Städte und Dörfer. Ihrer Rosse Hufe hinterlassen<br />

Brände und Ruinen, dazwischen Menschenkörper,<br />

verbrannt und zerfetzt. - Gegen<br />

23 Uhr melden die Sirenen das Herannahen<br />

der Mordbrenner. Eine geschlossene Wolkendecke<br />

hängt tief, es reg<strong>net</strong> leicht. <strong>Das</strong> Flakfeuer<br />

kommt näher; über den Wolken hört man das<br />

Explodieren der Flakgranaten. Die Scheinwerfer<br />

arbeiten nicht. Ich stehe auf meinem Beobachtungsposten<br />

im Schoppen; im Hause ist alles<br />

luftschutzbereit. Es sind genügend Sandtüten<br />

bereitgestellt, und hinter der Haustür stehen<br />

gefüllte Wassereimer. Da nähert sich <strong>von</strong> Gelsenkirchen<br />

ein schwerer Bomber, ich höre deutlich<br />

sein Motorengebrumm. Da erschüttert die<br />

Luft ein scharfer Knall. <strong>Das</strong> Lagergebäude bebt<br />

in allen Fugen, es knistert <strong>von</strong> herabfallendem<br />

Mörtel. Ich denke an die geplagte Lagerruine,<br />

der man noch keine Ruhe gönnt. Neue Wunden<br />

werden aufgerissen. Der Knall hat mich auf die<br />

Knie gebracht. Da höre ich gleichzeitig ein Zischen<br />

und Fauchen. Diesen Ton kenne ich, das<br />

sind Brandbomben in unmittelbarer Nähe. Alles<br />

ist taghell erleuchtet. Da sehe ich auch schon<br />

die sprühenden Stabbrandbomben neben dem<br />

Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />

103<br />

Kohlenwagen auf dem Bahnkörper, gleich hinter<br />

dem Zaun. Ich kann sie nicht zählen. Auch<br />

in der Nähe der Häuser an der Burgstraße leuchtet<br />

es hell auf. Hinter der Schutthalde <strong>von</strong> Holland<br />

entwickelt sich ein Großbrand. – Hat unser<br />

Haus Brandbomben bekommen? – Ich eile ins<br />

Haus, sehe auch auf dem gegenüberliegenden<br />

Felde Feuer, kontrolliere alle Zimmer, auch den<br />

Dachboden. Es hat gut gegangen. Dann lösche<br />

ich die nächsten Brandbomben am Bahndamm.<br />

– Da schlagen Flammen aus einem Gebäude am<br />

Bahnstrang. Ist es Schusters Haus oder die Baracke<br />

Feldstraße 5a oder liegt der Brandherd noch<br />

weiter nach Westen? Die Entfernung eines Feuers<br />

lässt sich in der Dunkelheit schwer schätzen.<br />

Auf dem Wege zum Einsatztruppführer fragt der<br />

Fahrer des Polizeiautos nach dem Brandort. Ich<br />

weise ihnen den Weg zur Feldstraße und begebe<br />

mich auch selbst dort hin. Da kommen auch<br />

schon zwei Feuerspritzen. Die Baracke hat eine<br />

Stabbrandbombe erhalten und brennt nun im<br />

vorderen Teil lichterloh. Betroffen wurde eine<br />

alleinstehende Frau. Die Bewohner hatten sich<br />

flüchtend unter der Unterführung in Sicherheit<br />

gebracht. Der Brand war bald gelöscht. – Heute<br />

morgen war mein erster Weg zur Schadensstelle.<br />

Der Frau Droge gab ich Hinweise über Anmeldung<br />

des Schadens und Versorgung. Sie hat<br />

buchstäblich alles verloren. Was sie auf dem Leibe<br />

trug, war nun ihr ganzer Besitz. Auf Pantoffeln<br />

machte sie den Weg zum Rathaus, um dort<br />

die notwendigen Kleidungsstücke zu erhalten,<br />

auch Nahrungsmittel. Ich stellte nun auch fest,<br />

wo überall Brandbomben niedergegangen wa-

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