Das Kriegstagebuch von Albert Plassmann - wattenscheid.net
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<strong>Das</strong> trifft bei uns nicht zu. Also legen wir auch<br />
diesen Schein zu den anderen und warten auf<br />
eine Belieferung nach dem Kriege!? -<br />
9.3.1943 Gestern nahm ich wieder an einem<br />
LS-Lehrgang teil. In nächster Zeit sollen Hausunterweisungen<br />
erfolgen. – Mit der Morgenpost<br />
erhielten wir <strong>von</strong> der Familie Henrich in Eiserfeld<br />
die Mitteteilung, dass ihr Sohn Alfred als<br />
Oberleutnant an der Ostfront gefallen sei. Alfred<br />
Henrich war mir in früheren Jahren, als ich<br />
noch an der Hellweg-Schule in Sevinghausen<br />
beschäftigt war, ein guter Freund. Nach längerem<br />
Studium erhielt er vor kurzem eine Stelle als<br />
Pastor in Herten. – Über den Luftangriff auf Essen<br />
hörte man in diesen Tagen allerhand Nachrichten.<br />
Die Glaubwürdigkeit lässt sich nicht<br />
feststellen. Auf jeden Fall sind aber die Schäden<br />
größer, als man allgemein angenommen hatte.<br />
<strong>Das</strong> ganze Stadtgebiet ist abgesperrt. Allein 150<br />
Luftminen sind auf die Stadtviertel abgeworfen<br />
worden. Ganze Stadtviertel liegen in Schutt<br />
und Asche. Die Kreuzkirche ist vernichtet, ebenso<br />
das Rathaus, das Haus der Technik. Ich höre<br />
heute, es wären 270 000 Einwohner obdachlos<br />
geworden. Die Stadt wäre zu ¾ zerstört. Man<br />
kann das Ungeheuerliche noch nicht verstehen,<br />
auch nicht das Sinnlose dieser Zerstörungen<br />
und sieht schwarz in die Zukunft. Soll doch<br />
die Drohung der Engländer wahr werden, dass<br />
im Industriebezirk kein Stein auf dem anderen<br />
bleiben werde? – Auch ein Urlauberzug wurde<br />
getroffen und bis auf zwei Wagen vollständig<br />
vernichtet. Zur Anwendung kamen bei diesem<br />
Angriff in größerem Maße auch Bomben mit<br />
Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />
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Zeitzünder, wodurch die Aufräumungsarbeiten<br />
sehr erschwert wurden. Ein Wehrmachtsauto<br />
ging in die Luft, nachdem das Wattenscheider<br />
Feuerwehrauto eben die Stelle überfahren hatte.<br />
10.3.1943 Wir bekommen nach und nach<br />
durch Augenzeugen ein klares Bild <strong>von</strong> den<br />
Zerstörungen, die in Essen angerichtet worden<br />
sind. Essen erlebte bis jetzt wohl <strong>von</strong> allen Städten<br />
den schwersten Luftangriff. Der größte Teil<br />
der Stadt liegt in Trümmern. Am folgenschwersten<br />
wirkte der Brand, der sich infolge des Windes<br />
schnell ausbreiten konnte. Die Bekämpfung<br />
wurde erschwert durch das Fehlen des Wassers.<br />
<strong>Das</strong> Hauptleitungsrohr war aufgerissen worden,<br />
der Leitungsplan der Stadt lag im zerstörten Rathaus.<br />
An den <strong>von</strong> Bomben getroffenen Häusern<br />
haben die Bewohner Tafeln zurückgelassen mit<br />
den Angaben, wo sie sich befinden, hier und<br />
da auch der Zusatz: Wir leben! – Die Kruppsche<br />
Fabrik soll zu einem Drittel zerstört sein.<br />
Gestern und heute fuhren Eisenbahnzüge mit<br />
Obdachlosen in östliche Richtung. Lastwagen<br />
mit Lebensmitteln und Brot fahren auf der Verbandsstraße<br />
nach Essen. – Die Bevölkerung ist<br />
sehr unruhig. Alle Ereignisse werden aufgeregt<br />
besprochen und Mutmaßungen angestellt.<br />
13.3.1943 Fast in jeder Nacht erfolgt ein<br />
englischer Großangriff auf unsere Städte. Unersetzliche<br />
Werte frisst der Moloch Krieg.<br />
Wertvolle Kunstdenkmäler werden vernichtet.<br />
Kulturvölker zerstören ihre Kultur. Ist das der<br />
Beginn der Zerstörung des Abendlandes? – In<br />
den vorigen Nächten wurden Nürnberg, Mün-<br />
chen und Stuttgart schwer angegriffen. Heute<br />
Nacht war der zweite Großangriff auf die Städte<br />
Essen, Bottrop und Duisburg. Über uns kreisten<br />
andauernd ungefähr sechs Flugzeuge. Man sah<br />
deutlich das Herunterregnen brennenden Phosphors.<br />
Fast eine Stunde war über uns die Hölle<br />
los. Aufmerksam beobachte ich die Umgebung<br />
auf Brandbomben. Im Westen rötet sich wieder<br />
der Himmel. Essen brennt. <strong>Das</strong> Flakfeuer lässt<br />
nach, die Kellerinsassen atmen befreit auf. Da<br />
bemerke ich in Richtung Sevinghausen einen<br />
Feuerschein. Es ist kein brennendes Haus, sondern<br />
ein abgestürztes Flugzeug. Unsere Mädchen<br />
wollen sich das Flugzeug ansehen; die Stelle<br />
ist aber schon abgesperrt. Herbert ist schon<br />
in aller Frühe an der Absturzstelle gewesen. Es<br />
gelang ihm auch, bis an die Trümmer zu gelangen.<br />
Gern hätte er das Armaturenbrett gehabt,<br />
aber es saß zu fest und ließ sich nicht abmontieren.<br />
Als Siegestrophäe brachte er einige Stücke<br />
Leichtmetall mit. Im Flugzeug gewahrte er<br />
auch die Überreste eines Besatzungsmitgliedes,<br />
das Brustskelett und Teile der Eingeweide. Auf<br />
dem Felde lagen zerrissene und blutige Stiefel.<br />
Die Absturzstelle befindet sich ungefähr 150 m<br />
westlich vom Kommunalfriedhof auf Fellermanns<br />
Feld. <strong>Das</strong> Flugzeug hat sich tief in den<br />
Erdboden gewühlt, es ist ein viermotoriges.<br />
14.3.1943 Wir haben heute Nacht durchschlafen<br />
können. In der Angriffsnacht verlor der<br />
Tommy 23 Bomber, ein großer Verlust, wenn<br />
man auch an den Verlust <strong>von</strong> mindestens 150<br />
ausgebildetem Fliegerpersonal denkt. – Beim<br />
Kirchgang sehen wir, dass an der Absturzstelle<br />
Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />
101<br />
eifrig geschaufelt wird. Es wird gesagt, es befänden<br />
sich noch sieben tote Engländer darin.<br />
Der Schaden in Essen soll wieder sehr groß sein.<br />
Krupp soll ganz zerstört sein; die Arbeit ist eingestellt<br />
worden. Auch sollen 8 Zechen zerstört<br />
worden sein.<br />
19.3.1943 Wir haben heute den St. Josefstag.<br />
<strong>Das</strong> Namenstagskind befindet sich aber in Russland,<br />
und zwar augenblicklich im Lazarett. Was<br />
ihm fehlt, hat Josef uns nicht mitgeteilt. – Gestern<br />
war Mutter mit Hetti Hötte in Steele, um an<br />
der Beerdigung der Schwester vom hiesigen Gesundheitsamt<br />
teilzunehmen. Sie war auch ein<br />
Opfer des letzten Angriffs auf Essen. Mit ihrer<br />
Schwester muss sie einen fürchterlichen Tod gehabt<br />
haben. Der Luftschutzkeller, worin sich die<br />
Schwerstern aufhielten, wurde verschüttet und<br />
füllte sich mit Wasser. Sie gingen einen langsamen<br />
Tode entgegen. In ihrer Verzweiflung mussten<br />
sie sich die Haare ausgerauft haben; in ihren<br />
erstarrten Händen hielten sie die Haarbüschel.<br />
Man erzählt sich unter den Leuten ähnliche<br />
erschütternde Berichte <strong>von</strong> zu Tode gekommenen<br />
Einwohnern Essens. – In den letzten Nächten<br />
hatten wir wieder einigermaßen Ruhe. Die<br />
letzten Angriffe auf Essen haben das Volk sehr<br />
beunruhigt. Man hat besonders Angst vor den<br />
2000 kg Sprengminen, die große Verheerungen<br />
anrichten.<br />
23.3.1943 RLB-Sitzung in Höntrop. An Stelle<br />
<strong>von</strong> Brockmeyer, der infolge Alters seinen Posten<br />
niederlegt, werde ich zum Untergruppenführer<br />
der U 2 ernannt. In den nächsten Tagen<br />
beginnen die Hausunterweisungen. In dieser