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Das Kriegstagebuch von Albert Plassmann - wattenscheid.net

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gesehene Bemerkung, das Kind kenne seinen<br />

Vater nicht mehr. Jetzt ist diese Möglichkeit<br />

nach dreijähriger Kriegsdauer wohl gegeben.<br />

Die drei- und vierjährigen Kinder haben ein ungenaues<br />

Bild ihres Soldatenvaters. Sie kennen<br />

ihn nur <strong>von</strong> Bildern oder haben ihn in seinem<br />

kurzen Urlaub gesehen. Dr. Martin soll in Urlaub<br />

kommen. Man spricht in der Familie <strong>von</strong><br />

seinem Kommen. An der Wand des Wohnzimmers<br />

hängen zwei Bilder <strong>von</strong> ihm, eines aus<br />

seiner Jugendzeit, ein anderes aus den letzten<br />

Jahren vor dem Krieg. <strong>Das</strong> vierjährige Söhnchen<br />

zeigt auf diese Bilder und fragt die Mutter:<br />

„Welcher Vater kommt denn in Urlaub, dieser<br />

da oder der andere mit der Glatze?“ Als der Vater<br />

nun in Uniform ankommt, begrüßt ihn der<br />

Sohn befremdend mit: „Tag, Onkel Soldat!“ Erst<br />

in Zivil erkennt er allmählich seinen Vater wieder.<br />

So oder ähnlich geht es auch in anderen<br />

Familien zu.<br />

6.1.1943 Der Dreikönigstag ist kein Feiertag<br />

mehr. Überall wird gearbeitet und geschafft.<br />

8.1.1943 Morgens 5 ½ Uhr werden wir schon<br />

munter gemacht und müssen in den Keller. In<br />

Essen waren Häuserschäden und Tote. Abends<br />

bereits um 19 Uhr wieder Alarm und Fliegerbesuch.<br />

9.1.1943 Gegen 12 Uhr Voralarm.<br />

14.1.1943 Jeden Tag hatten wie Fliegerbesuch.<br />

Pünktlich gegen 19 Uhr stellen sie sich<br />

ein und verschwinden wieder nach einer halbstündigen<br />

Bombardierung. Gestern hatten wir<br />

wieder einen schlimmen Tag. Schon morgens<br />

um 6 Uhr mussten wir in den Keller. Bochum<br />

Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />

96<br />

bekam Brandbomben. Auch die Klassenlehrerin<br />

<strong>von</strong> Doris bekam den Brand in die Wohnung.<br />

Die Schülerinnen leisteten ihr Hilfe. Die meisten<br />

Angriffe richten sich gegen Essen, Borbeck...<br />

Gestern Abend erschienen zahlreiche Flieger<br />

gegen 19 Uhr (noch etwas früher). Wir saßen<br />

ängstlich im Keller und hörten andauernd das<br />

Motorengebrumm der feindlichen Flieger über<br />

uns. Auf der Verbandsstraße funkte mit lautem<br />

Geknall die fahrbare Flak. Die Erde zittert<br />

vom Einschlag schwerer Fliegerbomben und<br />

lässt uns niederducken. Die Einschläge können<br />

nicht weit liegen. Durchs Kellerfenster bemerke<br />

ich das weiße Aufleuchten explodierender<br />

Brandbomben. Ich werfe hin und wieder einen<br />

Blick den Flurraum hinauf und achte auf<br />

Lichtschein. Nach einer halben Stunde verebbt<br />

das Flakfeuer. Die Flieger sind verschwunden.<br />

In Richtung Gelsenkirchen – Essen erkennen<br />

wir zahlreiche Brände, besonders in Gelsenkirchen<br />

ist ein Großbrand ausgebrochen, der am<br />

heutigen Morgen noch nicht gelöscht ist. Auf<br />

Wattenscheider Gebiet sind allein 17 Bomben<br />

geworfen worden, da<strong>von</strong> allein drei Luftminen.<br />

Zwei da<strong>von</strong> fielen in der Nähe <strong>von</strong> Kolleppel,<br />

größeren Schaden haben sie nicht angerichtet,<br />

weil sie zumeist aufs freie Feld fielen. – Ich höre<br />

nachträglich, dass auf Wattenscheider Gebiet<br />

nur eine Bombe fiel, alle anderen jenseits der<br />

Stadtgrenze. Beschädigt wurde das Umformergebäude<br />

in Leithe. Tragisch war das Schicksal<br />

einer Familie in Eiberg. Der Vater ist an der Ostfront,<br />

die Frau mit ihrer Tante und fünf Kindern<br />

im Luftschutzkeller. Beide Frauen wollten aus<br />

der Wohnung noch etwas holen und wurden<br />

dabei durch eine einschlagende Bombe getötet.<br />

Die fünf Kinder mussten dem Waisenhaus zugeführt<br />

werden. Der Krieg schlägt täglich hart zu.<br />

15.1.1943 Herr Horstmann vom Bauamt<br />

und ein Vertreter der Feuerversicherung sind<br />

erschienen und regeln den Brandschaden. Herr<br />

Horstmann sieht zu, dass die Stadt nicht zu kurz<br />

kommt. Hinterher trinken wir einige Schnäpse,<br />

die mir wegen allzu guter Qualität nicht besonders<br />

gut bekommen. – Zum Schluss zeige ich<br />

Herrn Horstmann die neu entstandenen Risse<br />

im Hause. – Nachmittags nahm ich an einem<br />

Appell des RLB. Teil und bekomme die Aufgabe,<br />

die stattfindenden Ausbildungskurse <strong>von</strong> der U.<br />

Gruppe zu beschicken. Nachts zu ungewohnter<br />

Zeit um 23:30 Uhr Luftalarm ohne Flieger.<br />

16.1.1943 Wieder fährt ein Zug mit Obdachlosen<br />

aus dem Westen in östlicher Richtung in<br />

ungefährdete Gebiete. Es ist möglich, dass bei<br />

verstärkter Fortführung der Luftangriffe eine<br />

allgemeine Evakuierung erfolgen wird, wenigstens<br />

der Frauen und Kinder.<br />

19.1.1943 In der Nacht <strong>von</strong> Samstag auf<br />

Sonntag, ebenso <strong>von</strong> Sonntag auf Montag griff<br />

der Engländer nach langer Zeit mal wieder Berlin<br />

an. Es wurden Spreng- und Brandbomben<br />

geworfen. 26 Bomber wurden abgeschossen,<br />

zumeist viermotorige. – Mit Opa war ich heute<br />

auf dem Feststellungsbüro beim Herrn Schmidt;<br />

wir regelten die Anzahlung der beantragten Entschädigungsteilsumme<br />

und erörterten auch die<br />

Lieferung meines Radiogerätes. In dieser Sache<br />

haben wir ausgesprochenes Pech. Vom Wirt-<br />

Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />

97<br />

schaftsamt kann mir ein Bezugsschein für einen<br />

Kleinempfänger ausgehändigt werden. Andere<br />

Geräte stehen nicht mehr zur Verfügung. Lehnte<br />

ich dieses Gerät ab, war ich für die Dauer<br />

des Krieges ohne Radio. Wohl oder übel muss<br />

ich mich für die Annahme dieses Kleingerätes<br />

entschließen. Wir machen einen schlechten<br />

Tausch.<br />

20.1.1943 Von unserer Feuerversicherung erhält<br />

die Stadt für den Brandschaden in unserem<br />

Hause 360,- RM, in Treschens Haus 315,- RM.<br />

22.1.1943 Gestern waren Höttes zu Besuch<br />

bei uns. Schon frühzeitig machten sie sich auf<br />

den Heimweg. Franz Hötte teilte mir mit, dass an<br />

der diesjährigen KLV.- Aktion 45 Lehrkräfte unseres<br />

Stadtbezirkes beteiligt werden sollen. Also<br />

werde auch ich wieder für ein halbes Jahr mein<br />

Bündel schnüren müssen. Es ist mir auch klar,<br />

dass bei diesen fortwährenden Luftangriffen<br />

eine starke Evakuierung unserer Kinder erfolgen<br />

wird. Die NSV verschickt vor allem Kriegerfrauen<br />

mit Kindern nach Niederschlesien. – Hötte<br />

musste wohl eben im Hause sein, als auch<br />

schon gegen 19 Uhr die Sirene heulte. Von Norden<br />

her kamen schwere Bomber, einer kreuzte<br />

andauernd über unserem Hause. Brandschäden<br />

entstanden besonders an der Mathildenstraße<br />

in Gelsenkirchen, auch das Werk Munscheid<br />

wurde getroffen. – Heute Abend wieder um 19<br />

Uhr Alarm, es erscheinen aber keine Flieger.<br />

23.1.1943 Mutter fährt nach Nordwalde,<br />

um etwas zu hamstern. – Abends gegen 19 Uhr<br />

wieder Alarm. Zwei Flugzeuge machen die Gegend<br />

unsicher und werfen Brandbomben in

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