Das Kriegstagebuch von Albert Plassmann - wattenscheid.net
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und hören den Vortrag eines Ritterkreuzträgers.<br />
Auf der Rückfahrt durch Gelsenkirchen sehe ich<br />
noch die Brandstätte bei Hundertmark (Kartoffelhandlung)<br />
an der Rhein-Elbe-Bahn. Getroffen<br />
wurde auch die Vikarie in Gels.-Ückendorf. Ein<br />
Zimmer brannte dort aus. – In Essen wurde das<br />
Transportlager van Eupen getroffen und brannte<br />
vollständig aus. – Ein halbes Flugzeug sollte<br />
dort auf der Straße liegen.<br />
19.9.1942 Alarm um 3 ½ Uhr – nach einer<br />
Stunde Entwarnung. Mutter und ich fahren<br />
nach Eickel. Es wurde uns mitgeteilt, dort gebe<br />
es Gardinen. Schöne Küchengardinen erhalten<br />
wir dort, aber keine Stores. Von hier aus fahren<br />
wir bis Präsident und betrachten uns die Zerstörungen<br />
dort. Ein Volltreffer ist auf den Bahnkörper<br />
gegangen, die Häuser der Umgebung sind<br />
zerstört. Wir kennen diese Häuserbilder. Frl.<br />
Große-Thie teilt mir mit, dass auch ihre Angehörigen<br />
in der Donnerstagnacht in Bottrop betroffen<br />
wurden.<br />
23.9.1942 Heute morgen wurde meine Tante<br />
Mimi Pl. In Bredeney beerdigt. Sie starb an<br />
einer Darmverschlingung. Bei dieser Gelegenheit<br />
erfuhr ich auch <strong>von</strong> den Schicksalen anderer<br />
Familienmitglieder. Wir waren nicht die<br />
einzigen, die bisher vom Kriege gezeich<strong>net</strong><br />
waren und Schaden gelitten hatten. Bei dem<br />
Bombenangriff in der vorigen Woche wurde<br />
auch meine Kusine Minchen in Essen-West obdachlos.<br />
Der Luftdruck einer Luftmiene zerstörte<br />
ihre Wohnung. Jetzt bewohnt sie zwei Zimmer<br />
in der Villa eines Zechendirektors. Meine<br />
Cousine Gertrud Pl. In Oberhausen wurde <strong>von</strong><br />
Nacht über Wattenscheid · Schlag auf Schlag<br />
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Brandbomben heimgesucht und besitzt nichts<br />
mehr. Zur Beerdigung hatte sie sich den Mantel<br />
leihen müssen. So waren die Bombenangriffe<br />
Hauptthema der Gespräche; es herrschte große<br />
Niedergeschlagenheit, und Besorgnisse für die<br />
Zukunft wurden laut. Es war kein frohes Zusammentreffen.<br />
3.10.1942 Nach einer verhältnismäßigen ruhigen<br />
Zeit bekamen wir heute Nacht wieder Fliegerbesuch,<br />
und zwar schon früh gestern Abend<br />
22:00 Uhr. Es wurde aber nicht allzu schlimm.<br />
Die Anzahl der Scheinwerfer und Flakgeschütze<br />
ist vermehrt worden. Während des nächtlichen<br />
Angriffs, in der Hauptsache über Essen,<br />
fliegt ein Flugzeug in niedriger Höhe mit lautem<br />
Gebrumm über unser Haus, heftig beschossen<br />
<strong>von</strong> der Flak. Ich duckte mich im Schuppen vor<br />
dem Bersten und Zerkrachen der Flakgranaten<br />
über mir. In den zerstörten Lagerraum über mir<br />
ergießt sich hörbar der Splitterregen. <strong>Das</strong> Flugzeug<br />
dreht nach Dahlhausen ab und fällt dort<br />
zu Boden. Ein roter Feuerschein ließ dort den<br />
Absturz erkennen.<br />
Heute morgen erschien in meiner Klasse mein<br />
Schulleiter Matzke und überreichte mir im Auftrage<br />
der Behörde das Verdienstkreuz für 25 jähriger<br />
Berufsarbeit. Wieder ein Orden mehr!<br />
4.10.1942 Aufmunternde Rede Görings am<br />
Erntedanktage: Hinweis auf eine Verbesserung<br />
der Ernährungslage – die Altersversorgung der<br />
Bergleute soll verbessert werden.<br />
7.10.1942 Nachdem am Tage 3-mal Voralarm<br />
war, erfolgte ein Nachtangriff mit einigen Flugzeugen<br />
<strong>von</strong> 22:00 bis 23:45 Uhr. In Osnabrück<br />
wurden schwere Schäden angerichtet. Heute<br />
hatten wir keinen Tagesalarm. – Immer noch<br />
haben wir sonnige Herbsttage . Man könnte fast<br />
den Krieg vergessen. Die Kartoffelernte ist reichlich,<br />
jedenfalls besser als in den letzten Jahren,<br />
und das anhaltende günstige trockene Wetter<br />
begünstigte Ernte, Lagerung und Verteilung.<br />
16.10.1942 Gestern Abend kam Willi Schw.<br />
unerwartet für drei Wochen in Urlaub. An der<br />
Grenze bekam er auch das <strong>von</strong> Göring in seiner<br />
großen Rede erwähnte Soldatenpaket. Es<br />
enthielt eine lange Dauerwurst, 2 Pfund gute<br />
Butter, 5 Pfund Graupen... – Bereits um 22 Uhr<br />
ertönte Flugalarm. Hinter Essen ließ aufblitzendes<br />
Flakfeuer auf breiter Front auf einen Großangriff<br />
schließen. Über unser Gebiet flog nur ein<br />
Flugzeug, Schaden wurde in einigen rheinischen<br />
Städten angerichtet, 22 Bomber abgeschossen. –<br />
Von der Geschäftsstelle des RLB habe ich einen<br />
elektrischen Heizofen für den Luftschutzkeller<br />
abholen lassen. – Am Bauamt beantragte ich<br />
Reparaturarbeiten an der Waschküche. Darauf<br />
erschien zur Besichtigung Wirt Nolde. Heute<br />
Nachmittag gratulierten Mutter, Herbert und<br />
ich Hetti Hötte zum Namenstage. Sie erzählte<br />
folgenden bezeichnenden Vorfall vom kleinen<br />
Reimund (3 Jahre): Beim Abendessen aß R. seine<br />
Bratkartoffeln vom Tellerchen. Mit seinem Löffelchen<br />
rührte er auf dem Tellerboden umher<br />
und sang dabei: „Spe-e-eck, wo bist du?“ dass<br />
Fett heute bei uns knapp ist und sehr begehrt<br />
wird, kommt auch schon den Kleinsten zum Bewusstsein.<br />
– Josef liegt noch immer hinter der<br />
Moskaufront. Er schreibt fleißig, schreibt aber<br />
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nichts <strong>von</strong> seinem Aufenthaltsort oder seinem<br />
Leben und Treiben, hat nur immer besondere<br />
Wünsche. – Von Ottmarsbocholt haben wir einen<br />
Korb voll Birnen bekommen.<br />
19.10.1942 Einmal Tagesalarm ohne Bedeutung.<br />
– Heute morgen Mutter, Herbert und ich<br />
beim Facharzt Dr. Tölle in Gelsenkirchen. Herbert<br />
wurde eine dritte Mandel (Polypen) weggenommen.<br />
Diese war bereits entzündet und in<br />
einem weichen Zustand. Es war ihm nach der<br />
Operation elend zumute. Bei mir machte Dr.<br />
Tölle an meinen Ohren den letzten Versuch<br />
mit negativem Erfolg. Meine Schwerhörigkeit<br />
ist wohl nicht mehr zu beseitigen. Nachmittags<br />
liegen wir beide mit brummenden Schädeln auf<br />
dem Rücken. – Noch eine Neuigkeit erfährt das<br />
geplagte Haus. Frau Dreyer hat <strong>von</strong> August die<br />
Nachricht erhalten, dass er sich auf der Reise<br />
nach Deutschland befinde. Vor Stalingrad hat<br />
er sich einen eingeklemmten Bruch geholt und<br />
ist nach beschwerlicher Fahrt per Auto, Flugzeug<br />
und Zug in Krakau gelandet. Dort warte er<br />
auf Weiterbeförderung. Grund zu Besorgnissen<br />
wäre nicht gegeben.<br />
20.10.1942 Josef schrieb heute, er wäre in<br />
russisches Maschinengewehrfeuer hineingeraten<br />
und hätte sich durch einen Sprung in den<br />
Graben geschützt.<br />
2.11.1942 Heute wurde die Schadensangelegenheit<br />
betr. Kostüme verhandelt. Opa und<br />
ich waren bei Herrn Schmidt in der Steinstraße.<br />
Gleich zu Beginn teilte Herr Schmidt mit, dass<br />
man beschlossen habe, die schon früher <strong>von</strong><br />
mir vorgeschlagene Entschädigungssumme zu