Neue Szene 2020-10
Stadtmagazin für Augsburg
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HEIMATKLÄNGE
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Visuelle ist also mindestens genau so wichtig wie
die Musik selbst und es entstand die Idee, mit
einer Dramaturgin zusammen zu arbeiten. So
kam dann Dinah ins Spiel. Allein bei Spotify sind
4,8 Millionen Songs abrufbar. Es ist also unheimlich
schwer, heute noch etwas Neues zu kreieren,
aber genau das ist unser Anspruch.
Dinah, wie muss man sich das vorstellen, eine
Dramaturgin als festes Bandmitglied? Das ist
sehr außergewöhnlich.
Dinah: Ich bin in erster Linie für die visuellen
Parts zuständig und versuche das, was die Musik
beinhaltet, bildlich zu übersetzen. Ziel ist es, Komponenten
wie etwa Licht, Nebel, Bilder oder Videos
zu einem theatralen Stück zusammenzubringen.
Dadurch wird ein Bogen vom Anfang bis
zum Ende gespannt und möglichst auch eine Geschichte
erzählt.
Diese Arbeit beschränkt sich nicht nur auf Videoproduktionen,
die Performance findet
auch live auf der Bühne statt.
Dominik: Dinahs Arbeit hat einen immens
wichtigen Stellenwert bei uns und alles funktioniert
letztendlich nur dann, wenn sie Teil der Performance
ist. Da hilft es uns, dass sie bereits
Erfahrungen bei den Münchner Kammerspielen
und dem Theater Regensburg gesammelt hat.
Wie habt ihr euch eigentlich gefunden?
Dominik: Ich habe immer nach Leuten gesucht,
die mehrere Instrumente beherrschen. Ich
wollte kreative Mitstreiter, die auch komponieren
können, Studioerfahrung mitbringen, aber auch
einen marktwirtschaftlich Plan haben, die etwas
von Optik verstehen und auch grafisch arbeiten
können. Anfangs hatte ich Bedenken, ob sich das
auch tatsächlich realisieren lässt, letztendlich ging
dann aber alles unfassbar schnell.
Dinah: Dominik und ich kennen uns schon
länger und hatten immer wieder mal vor, etwas
zusammen zu machen. AERA TIRET war letztendlich
das perfekte Tool dafür, bei den anderen
Musikern war es ähnlich.
Wie lange habt ihr gebraucht, um in die Spur
zu kommen?
Dominik: Innerhalb von nur vier Wochen
waren viele Songs bereits im Kasten und auch die
Videos dazu waren fertig. Ich habe allerdings viel
vorgearbeitet, wir mussten also nicht bei Null beginnen.
Einige Songs habe ich schon vor Jahren
geschrieben. Und ich habe im Vorfeld abgecheckt,
wie man alles vermarkten kann und welche Firmen
uns da unterstützen und pushen können.
Mit Erfolg, denn die ersten beiden Singles sind
in den iTunes-Charts bis auf Platz 1 hochgeschossen!
Wie geht denn so was?
Dinah: Mit den ersten zwei Singles “AUGS-
BURG” und “KOEPENICK” gingen wir bereits am
ersten Tag auf Platz 1 und konnten uns da auch
wochenlang halten, mit “MONTPELLIER” sind
wir auf Platz 2 gelandet. Anscheinend haben wir
einen Nerv getroffen, aber wir haben vorher schon
auch mächtig die Werbetrommel gerührt. Das hat
zu vielen Vorbestellungen und damit zu den Erfolgen
geführt.
Bisher waren alle Tracks rein instrumental.
Bleibt das so?
Dinah: Nein, wir arbeiten derzeit an einem
Song mit der wunderbaren Augsburger Sängerin
Lienne, die halb auf türkisch und halb auf englisch
singen wird. Sie hat wirklich eine außergewöhnliche
Stimme und ist unglaublich talentiert.
Wie bringt man sechs Persönlichkeiten unter
einen Hut? Gibt es keine Eitelkeiten bei so viel
Virtuosität?
Dominik: Ganz und gar nicht, jeder kann sich
“Licht ist nun mal
schneller als der
Schall
völlig einbringen, frei entfalten und sich seinen
Platz schaffen. Trotzdem stellt sich jeder in den
Dienst der Band.
Ihr macht elektronische Musik mit rein analogen
Instrumenten. Heißt das, ihr verzichtet
komplett auf Computer oder Loops?
Dominik: Wir arbeiten schon mit Computern,
aber wenn es vom Band kommt, ist es analog
eingespielt, es wird live getriggert. Obwohl es vom
Rechner kommt, wird es also live gespielt.
Ihr habt bisher erst eine Handvoll Shows gespielt,
davon einmal im Kesselhaus und erst
vor Kurzem auf der Freilichtbühne. Da ist in
Augsburg kaum noch Luft nach oben, was die
Locations betriff.
Dominik: Das stimmt, normalerweise spielt
man sich von unten nach oben, wir haben das
Pferd bewusst von hinten aufgezäumt.
Funktioniert ihr bei dem großen Aufwand
überhaupt auf kleinen Bühnen?
Dinah: Das ist eine berechtigte Frage. Aber
wir haben drei Livekonzepte in der Schublade.
Festivals mit Gastmusikern, Bar- und Clubgigs mit
kleinerem Besteck sowie reine 5-D-Erlebniskonzerte.
5-D-Erlebniskonzerte? Wie kann man sich das
vorstellen, sitzt das Publikum mit Brillen vor
der Bühne?
Dinah: Wir wollen da noch nicht zuviel verraten,
aber bei diesen Konzerten wollen wir einfach
einen draufsetzen. Wie der Name schon sagt,
ein Erlebniskonzert mit Gerüchen, Haptik, optischen
Täuschungen und Theatralik.
Derzeit arbeitet ihr an eurem Debüt-Album.
Dinah: Genau, das Album soll spätestens im Frühjahr
auf Vinyl erscheinen. CDs interessieren schon
lange keinen mehr und nur online passt nicht in
unseren Rahmen, weil wir viel mit Haptik, mit
Geschichten und Fotos arbeiten. Leute, die Vinyl
hören, nehmen sich Zeit und wir wollen, dass sich
unsere Hörer Zeit nehmen. Jeder ist letztendlich
für sein Publikum selbst verantwortlich.
Wird das Album auf einem Label erscheinen?
Dominik: Wir haben da einige Optionen. Wir hatten
sogar zwei Angebote von Majorlabels, die wir
allerdings abgelehnt haben. Auch eine Zusammenarbeit
mit einem Management würde uns
derzeit nicht weiterbringen. Wir haben alles selbst
in der Hand und das ist gut so. Denkbar ist aber
beispielsweise eine Zusammenarbeit mit einer
Promotionagentur.
Ihr habt viel positives Feedback bekommen
und vieles läuft in die richtige Richtung. Aber
ich denke, ihr seid noch weit entfernt, von
dem, was ihr noch erreichen wollt?
Dinah: Wir wollen das ganze natürlich wirtschaftlich
rentabel machen, keine Frage. Corona
hat uns, wie die meisten anderen Künstlern auch,
ziemlich abgegrätscht. Wir hatten viele tolle Auftritte
und Festivals gebucht. Diese sind zwar geplatzt,
aber das wirft uns nicht aus der Bahn, wir
sind eine erschreckend gut strukturierte Band. Die
Musik selber macht derzeit vielleicht gerade mal
10 Prozent unserer Arbeit aus. Wir haben Lösungen,
selbst wenn Corona uns noch länger im Griff
haben sollte.
Dominik: So konnten wir die Zeit auch mit
dem Release unseres MONTPELLIER-Videos abfedern.
Vor der Veröffentlichung haben wir kurzerhand
einen 3D Audio Mix eingebaut, um
unsere Musik trotz Allem greifbarer in die Wohnzimmer
unserer Fans bringen zu können.
BESETZUNG
Dominik Scherer (Schlagzeug, Trompete)
Dinah Wiedemann (Dramaturgie, Visuals)
Silvan Lackerschmid (Gitarre)
Johannes Kandels (Sound, Recording)
Felix Renner (Kontrabass, E-Bass, Synthesizer)
www.aera-tiret.com