Neue Szene 2020-10
Stadtmagazin für Augsburg
Stadtmagazin für Augsburg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
zOOm
37
Thomas, worum geht es euch beim
„Volksverpetzer”?
Wir sind ein Anti-Fake-News-
Blog. Wir versuchen uns mit (Selbst-)
Ironie, Engagement und Ehrenamt dem
täglichen Hass und den Lügen im Netz
entgegen zu stellen. Wir klären über Fake
News auf und auch über diejenigen, die
sie regelmäßig verbreiten.
oberflächlich, plump und haben wenig mit der
Realität zu tun, sodass es einen persönlich nicht so
triff. Anstatt das an uns heranzulassen, prangern
wir diesen Hass und diese Lügen über uns öffentlich
an. Nichts entlarvt die Hetzer besser als ihre
eigenen Worte. So sorgen wir dafür, dass ihr Hass
letztlich nur ihnen selbst schadet.
Wie kam es eigentlich dazu, dass du
den Blog 2015 gegründet hast? Gab es
einen speziellen Anlass, bei dem du das
Gefühl hattest, jetzt selbst aktiv werden
zu müssen?
In der sogenannten „Flüchtlingskrise”
nahmen Hass und Fake News über Schutzsuchende
in Social Media Überhand. Und es schien,
als gäbe es nichts, was man gegen die unzähligen
Lügen hätte tun können. Darum haben wir
versucht, das selbst zu machen und uns laut und
mit der Wahrheit im Rücken dem Hass entgegen
zu stellen.
Was und wen wollt ihr mit eurem Blog erreichen?
Wir versuchen, die Menschen gegen Verschwörungsmythen
und Fake News zu „impfen”,
sie vor den typischen Strategien und Hetzern
zu warnen, am besten noch bevor sie auf deren
Tricks hereinfallen können. Oder wenn das nicht
klappt, dann zumindest, damit sie beide Seiten der
Darstellung hören.
Was meinst du, warum fallen so viele Menschen
auf Falschmeldungen im Netz herein?
Warum sind Lügen oft erfolgreicher als
Fakten?
Lügen sind meistens einfach die besseren
Geschichten, denn Fake-News-Verbreiter können
und wollen übertreiben. Sie bespielen die Emotionen
der Menschen und müssen sich dabei nicht
von Fakten beirren lassen. So bedienen sie ein
Publikum, das die Geschichten lesen will, die sie
teilweise komplett frei erfinden.
Wie viele Menschen arbeiten aktuell an dem
Projekt „Volksverpetzer” mit?
Wir sind nur zwei feste Mitarbeiter, die ausschließlich
von den vielen Einzelspender*innen
und ihrem Support leben. Unser ehrenamtliches
Team ist so etwa 20 Personen groß und hilft mit, je
nach Zeit und Kompetenzen.
Durchsucht ihr im Team dann selbst das Internet
nach Falschnachrichten und Verschwörungstheorien,
oder werden auch aus der
Community Themen an euch herangetragen?
Wir
behalten die typischen Verschwörungsideologen
und Hetzer im
Blick und haben Beobachter
in den Gruppen und Chats,
wo häufig Falschmeldungen
geteilt werden. Aber in der Regel
behandeln wir ohnehin die
Fake News, die es in die breitere
Öffentlichkeit schaffen, denn
diese sind es ja, die besonders
gefährlich sind. So kommt es,
dass uns die Fakes meistens
mehr oder weniger von alleine
erreichen. Bei unbekannteren
Fake News besteht ja eher die
Gefahr, dass wir sie durch unsere
Aufklärung versehentlich erst bekannt machen
würden.
Euer Blog arbeitet häufig mit reißerischen
Überschriften und ausdrucksstarken Bildern.
Warum setzt der „Volksverpetzer” auf so eine
plakative Aufmachung?
Weil wir nach den Regeln von Social Media
spielen müssen, um gesehen zu werden und die
Menschen zu erreichen. Wir verwenden bewusst
die „Waffen” der Fake-News-Verbreiter gegen sie
– einmal, weil es die Strategien sind, die in den
sozialen Medien Erfolg zeigen, aber auch um das
Publikum zu erreichen, das auf diese deutlichen
Bilder anspricht. Wer reißerische Überschriften
grundsätzlich kritisch hinterfragt, den müssen wir
auch nicht vor Fake News warnen. Aber Aufklärung
macht ja keinen Sinn, wenn sie nicht gelesen
wird.
Ihr legt euch ziemlich deutlich mit den
Verbreitern von Falschmeldungen und Hetze
an. Ich kann mir vorstellen, dass man da nicht
selten mit Anfeindungen zu kämpfen hat. Wie
geht ihr damit um?
Wir gehen sehr offensiv damit um. Der
meiste Hass und die meisten Beleidigungen sind
Welche Falschnachrichten, Verschwörungstheorien
oder Ideologien bereiten dir denn im
Moment am meisten Kopfschmerzen?
Am meisten Ärger und Sorgen bereiten mir
zurzeit die ständigen Falschmeldungen zu Corona,
die die Pandemie und den Virus verharmlosen
oder alle Akteure, die für die Eindämmung der
Pandemie kämpfen, mit teilweise sinnlosen
Anschuldigungen beschmutzen wollen. Anstatt
dass wir gemeinsam diese Krise durchstehen, müssen
wir gerade mit Menschen streiten, die nicht für
einfachste Argumente erreichbar zu sein scheinen.
Du bist ja tagtäglich mit Ignoranz und Hass
im Netz konfrontiert. Hast du trotzdem die
Hoffnung, dass unsere gespaltene Gesellschaft
irgendwann doch noch auf einen gemeinsamen
Nenner kommt?
Ja, denn trotz des ganzen Hasses sehe ich bei
meiner Arbeit auch, dass eine große Mehrheit der
Menschen vernünftig bleibt und noch sachlich
diskutiert. Für jede Hassnachricht bekommen wir
zwei Meldungen mit Lob und Support. Und ohne
die könnten wir das nicht machen. Wir versuchen,
uns auch mehr auf die positiven Nachrichten zu
konzentrieren – und zum Glück gibt es davon
auch immer mehr als genug!